• 19.03.2004 15:29

Dennis: "Das Auto war nicht der einzige Grund"

Ron Dennis ausführlich über die Enttäuschung in Australien, die Qualifying- und Testregelungen und seine Führungsrolle bei McLaren

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Heute Nachmittag sieht es ja schon ganz anders aus als noch in Melbourne, was ist passiert?"
Ron Dennis: "Melbourne war nur ein Rennen, und ein für uns unbefriedigendes dazu. Nach jedem Rennen gibt es eine sehr bedachte Analyse. Wir denken, dass wir sehr genau wissen, wo unsere Schwächen und Stärken liegen. Wir sind ein Team, das antritt, um zu gewinnen. Nichts anderes als das Gewinnen verschafft uns Befriedigung. Nach Australien haben wir in Valencia getestet. Unser Rennen in Australien wurde vom Regenwetter beim Test in Imola beeinflusst. Wir waren nicht in der Lage, einige Teile, die wir dort überprüfen wollten, zu testen. Wir hatten diese dann mit in Australien, haben uns aber nicht getraut, sie einzubauen. Diese wurden nun in Valencia getestet und haben die Leistungsfähigkeit des Autos verbessert. Aber um genau zu sein, muss man auch sagen, dass es mehrere Gründe dafür gab, dass wir nicht gut waren. Das Auto war nicht der einzige Grund."

Titel-Bild zur News: McLaren-Teamchef Ron Dennis

McLaren-Teamchef Ron Dennis dementierte Rücktrittsgerüchte

Frage: "War unter den getesteten Teilen auch die neue Variante der Fahrzeugnase?"
Dennis: "Wir hatten einen neuen Frontflügel, aber wir sind nicht genug damit gefahren, also haben wir ihn zum Rennen nicht montiert. Das war die richtige Entscheidung, aber auch wenn man die Leistung in Australien betrachtet, so entsprach sie nicht unseren wirklichen Fähigkeiten."#w1#s

Australien war ein Weckruf an das Team

Frage: "Du sagtest, dass eure Leistung in Australien nicht repräsentativ war. Das Auto wurde drei Monate lange getestet. War es überraschend, dass es nicht so leistungsfähig war?"
Dennis: "Ja, natürlich. Wir sind mit der Erwartung dorthin gereist, unsere Ergebnisse der Testfahrten zu wiederholen, das aber haben wir nicht geschafft. Aber es lag, wie ich schon vorhin sagte, nicht nur am Auto. Es gab auch andere Faktoren, die zur der gezeigten Leistung beigetragen haben. Aber es war nur ein Rennen. Ich kann mich auch daran erinnern, den Monaco-Grand-Prix einmal vom Hotelzimmer aus beobachtet zu haben (1983, Lauda und Watson verpassten die Qualifikation; d. Red.). Solche Dinge passieren. Es war nicht schön, aber ein Weckruf für alle."

Frage: "Gab es noch weitere Änderungen seit Melbourne?"
Dennis: "Wir sind noch konzentrierter, das ist alles. Wir sind ein starkes Unternehmen. Manchmal mache auch die Guten etwas falsch, das ist nun eben passiert."

Qualifyingformat: Lieber noch ein paar Rennen warten

Frage: "Ein Wort zu Vorverlegung des ersten Qualifying-Durchgangs um eine Stunde. Unterstützt du diesen Vorschlag? Und geht er auch weit genug?"
Dennis: "Die Teams haben die Änderungen unterstützt, die über den Winter beschlossen worden. Wenn die jetzige Änderung aber für das Fernsehen besser ist, dann werde alle Teams sie auch unterstützen. Es gibt einige Argumente dafür, ein oder zwei Rennen zu warten, damit man die genauen Reaktionen kennt. Nach Australien fiel diese jedoch schon so heftig aus, dass man eher früher als später etwas ändern sollte. Aber es sind nicht unbedingt die Teams, die dem zustimmen müssen, sondern die Teams, die FIA und FOM, es liegt also nicht nur in den Händen der Teams."

Frage: "Wenn es keine politischen Probleme gäbe, für welches Qualifying würdest du dich entscheiden?"
Dennis: "Es geht ja nicht nur um die letzte Änderung. Es gab in den letzten Jahren einige davon und mitten hinein kam noch die Ein-Motoren-Regel, die einen massiven Einfluss darauf hat, wie man sich qualifizieren kann. Davor hatten wir das Heathrow-Abkommen. Wegen diesen beiden Punkten gab es die Ansicht, dass etwas geändert werden muss. Jedes Team argumentiert natürlich nicht nur damit, was am besten für den Sport, sondern auch für ihr Team ist. Deswegen hat die Diskussion mehrere Stunden gedauert, und einige Leute haben auch nur gesagt: "Ändern, wir müssen etwas ändern.' Wenn ein paar Leute große Veräderungen wollen, dann tendiert man zur Schadensbegrenzung."

"Es gab ziemlich radikale Ideen - ein Qualifying am Sonntagmorgen zum Beispiel. Ich denke, das hätte kein Team unterstützt. Wir haben letztendlich einen Kompromiss erreicht, und am Ende haben alle Teams, die FIA und kommerziellen Rechteinhaber dafür gestimmt. Wenn man im Leben einen Fehler macht, dann muss man aufstehen, sagen, dass man einen Fehler gemacht hat, und es ändern. Wie ich aber schon zuvor sagte, ist es vielleicht klug, zwei Rennen zu warten, vielleicht auch drei, damit die Leute verstehen, was wir ändern, wenn wir etwas ändern."

Dennis würde Qualifying von vor 2003 bevorzugen

Frage: "Und was würdet du gerne sehen?"
Dennis: "Eine praktische Antwort wäre, darauf zu blicken, was wir jetzt haben, nämlich die Trennung der beiden Qualifyingrunden. Wenn ich meinen Weg gehen könnte, dann würde ich alles rückgängig machen, zwei Motoren pro Wochenende erlauben, einen davon nur für das Rennen, und wieder zwölf Runden erlauben. Damals standen die Schnellsten auch vorne, aber ich bin ein Purist, wenn es um Formel 1 geht und ich würde gerne dahin zurückkehren. Aber ich habe nur eine Meinung und kann die Teams verstehen, die nicht die Aufmerksamkeit wie die größeren bekommen haben. Dieses Verständnis hat dazu geführt, dass einige größere Teams diese Änderungen unterstützten, denn es wäre falsch, einfach zu allem nein zu sagen. Man experimentiert, aber wenn man das tut und es geht etwas schief, dann macht man es rückgängig."

Frage: "Haben die großen Teams bisher nicht einer Addierung beider Läufe zugestimmt, weil sie davon nicht profitieren würden?"
Dennis: "Nein, das denke ich nicht. Ich denke nur gerade, dass der Weg zurück zum Heathrow-Abkommen ein logischer Schritt nach vorne wäre. Ich habe schon oft gesagt, dass das dann jeder machen würde. Wenn man sich dafür oder dagegen entscheiden soll, dann würde jeder diese Option wählen. Jeder würde drei Autos einsetzen und vor dem Grand Prix auf dem Kurs testen, das würde die Kosten massiv ansteigen lassen. Es gab eine Ansicht darüber, dass die großen Teams dennoch weiter getestet hätte wie bisher, aber das wäre nicht passiert. Wir wären alle gefahren, weil wir es gekonnt hätten. Das dritte Auto unterliegt keiner Motorenregel, und das Testen wäre auch nicht eingeschränkt worden. Wir alle würden dann am Freitag mit neuen Motoren in der Boxengasse warten, das Freie Freitagstraining wäre dennoch optimal genutzt worden. Es hätte meiner Meinung nach nicht funktioniert."

Ron Dennis sammelt Vorschläge

Frage: "Würde es denn überhaupt jemand begrüßen, wenn ein zusammengeführtes Qualifying Anwendung finden würde? Puristen sagen ja, dass der Rekord von 65 Pole Positions von Ayrton Senna nichts mehr wert wäre, wenn er eingeholt werden würde. Wäre das nicht eine Lösung? Man könnte ja auch für den Schnellsten am Freitag einen Punkt vergeben."
Dennis: "Ich denke, dass ich für alle Teams spreche. Kein Team weißt einen Vorschlag zurück, der auf ein besseres Training abzielt, aber ich denke nicht, dass dies der ideal Platz ist, um den besten Weg zu finden. Wir möchten die bestmögliche Show liefern. Wenn jemand denkt, er hätte einen guten Vorschlag, dann soll er ihn aufschreiben und mir zukommen lassen, ich werden ihn einbringen. Wenn es darum geht, die Formel 1 besser zu machen, sind wir nicht engstirnig."

Frage: "Wäre dein Team damit einverstanden, die Testfahrten zu limitieren und dafür mehr an den Grand-Prix-Wochenenden zu trainieren?
Dennis: "Wir wären damit nicht einverstanden, weil es unsere Kosten erhöhen würde. Wenn man testen geht, dann macht man nur eine Sache. Wenn man vor einem Grand Prix testet und man glaubt, dass man die Chance einer Entwicklung am Auto hat, dann wird man die nötige Anzahl von Teilen herstellen und sie im Rennen einsetzen. Das würde die Kosten also erhöhen, wenn man vor dem Rennen testet. Die Atmosphäre des Testens ist anders. Den Phasen, in denen man auf der Strecke war, folgt die Zeit, in der man über das Ergebnis nachdenkt. Man ist da nicht beschränkt. Um diese Denkzeit geht es, wenn man vor dem Rennen testet, dann muss man das völlig anders angehen. Es geht nicht nur um die Rundenanzahl, es wäre ein völlig anderer Prozess. Manchmal fährt man beim Testen das Auto außerhalb der gültigen Regeln, um es besser zu verstehen. Man kann ein Auto zum Beispiel untergewichtig fahren, um dann Zusatzgewichte an verschiedenen Stellen des Autos zu platzieren. Wenn man das Testen aber in das Rennwochenende einbezieht, dann muss es regelkonform sein. Das Ganze ist komplexer als man sich zuerst denkt."

Ruhe regiert im McLaren-Mercedes-Team

Frage: "Zurück zum Rennen in Australien. Wenn das Auto nicht der einzige Grund zur Sorge war, welche menschlichen Aspekte haben dich beunruhigt, und was wurde dagegen unternommen?"
Dennis: "Es gab ein wenig Unaufmerksamkeit im Team, sodass sie bis in den Abend hineinarbeiten mussten. Danach waren sie natürlich erschöpft. Dann wurden die Reifen für Leute auf zwei Stopps natürlich wesentlich härter beansprucht. Wir wurden hinter einigen langsameren Autos aufgehalten, wir waren also langsamer als wir es hätten sein können. Natürlich hatten wir einen Kühlerschaden an Kimis Auto, das ist frustrierend. Wir haben einfach nichts zusammenbekommen. Einige der besten Fußballklubs in der Welt haben schlechte Spiele, kratzen sich danach am Kopf und fragen sich warum? Ich glaube, wir haben als Team keine gute Leistung gezeigt. Man möchte immer mehr Pferdestärken, eine bessere Aerodynamik, alles soll gut funktionieren, die besten Reifen sollen da sein, aber manchmal läuft eben etwas nicht so gut, und dann steht man vor einer schlechten Leistung."

"Niemand von uns ist nach dem Rennen wie ein geköpftes Huhn rumgesprungen, wir haben uns wieder herausgearbeitet. Und auch wenn der heutige Tag ermutigend war, so gehen wir den morgigen Tag und den Rest des Wochenendes in der gleichen ruhigen und bestimmten Art an. Wir sind Teil eines Sports, der nicht nur nach dem letzten Rennen bewertet wird, aber es ist ein Sport, bei dem man schnell vom Held zur Null werden kann. Eine Ellenbogengesellschaft, die voll ist von Leuten, die dich auf einen Sockel heben, um dich dann wieder runterzustoßen. Wenn man das nicht aushält, dann muss man aufhören. Ich suche keine Entschuldigungen - unsere Leistung war schwach. Aber mich muss da auch niemand antreiben. Wir wissen, was wir tun müssen, um zu gewinnen, und wir werden das schaffen."

Frage: "Ein 50 Jahre alter Silberpfeil fuhr kürzlich in Bahrain. Wolltet ihr damit dort Informationen sammeln?"
Dennis: "Nun, uns wurde das angeboten, vielen anderen Teams auch, es war nur logistisch eine Herausforderung. Wir hatten schon zugesagt, das Auto zwischen diesen beiden Rennen in China fahren zu lassen, aber aus mehreren Gründen kam es nicht dazu. Das Auto stand zusammen mit ein paar Teilen aber bereits auf dem Flughafen. Wir wollten den Kurs mit GPS vermessen und damit unsere Simulationen füttern. Dies wurde uns leider untersagt, also hat Williams (die mit einem Vorjahresauto fuhren; d. Red.) hier einen Vorteil."

Budget-Obergrenze ist "nicht zu kontrollieren"

Frage: "Es gibt den Vorschlag einer Budget-Obergrenze. Wie stehst du dazu?
Dennis: "Das ist unmöglich zu kontrollieren."

Frage: "Könnte man nicht die Gesetzgebung heranziehen, um eine Fälschung der Geschäftsbücher zu verhindern?"
Dennis: "Wir fahren unter ständig anderen Gesetzen in der ganzen Welt. Wir haben schon endlose Probleme, wenn wir einen Rechtstreit haben. Gesetze sind kompliziert. Daran ist nichts preiswert. Ich respektiere diesen Vorschlag, aber ich kann dem absolut nicht zustimmen. Es ist einfach nicht überwachbar. Und nicht nur das, es legt die Kontrolle auch in eine Hand, das ist nicht mehr die Formel 1. Das wäre dann die Formel Ford."

Frage: "Es gab viele Diskussionen, inwieweit du noch in die Formel 1 involviert bist. Kannst du uns das kurz darlegen? Trittst du demnächst zurück, verkaufst alles oder machst Urlaub?"
Dennis: "Da habe ich die freie Wahl. Das ist nicht der ideale Ort, um meine eigenen Pläne darzulegen, aber ich kann ja zugeben, dass ich mit der Firma kürzlich einen neuen Vertrag unterschrieben habe. Alle leitenden Angestellten wollen den Schutz eines Arbeitsvertrages, und man muss auch einen haben, ich habe kürzlich einen neuen unterschrieben. Ich vertrete die Marke McLaren mit Leidenschaft. Ich habe viel Zeit investiert, um die Firma in eine Position zu bringen, in der sie die Höhen und Tiefen des Grand-Prix-Sports überstehen kann. Während wir diesem Stadium immer näher kommen, habe ich keine Intension einfach zu gehen. Ich möchte aber nicht nur delegieren, sondern Leuten die Autorität geben. Man kann eines Tages sehr krank werden, man kann unter einen Bus kommen oder einfach aufhören wollen. Dafür sollte man einen Plan und eine Managementstruktur haben. Das habe ich so geäußert, doch es wurde als Rücktrittsplan aufgefasst. Das werde ich aber nicht. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens arbeiten, aber unmittelbare Pläne gibt es nicht."