• 16.09.2007 17:46

Dennis: "Atmosphäre unterkühlt - na und?"

Nach dem Grand Prix von Belgien analysierte Ron Dennis gegenüber Journalisten nicht nur das Rennen, sondern vor allem die Spannungen im Team

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Herr Dennis, wie haben Sie die erste Kurve erlebt, als es zwischen Fernando Alonso und Lewis Hamilton sehr eng wurde, auch in die Eau Rouge hinein?"
Ron Dennis: "Sie sind halt Rennfahrer! Sie haben nichts gemacht, was zu aggressiv wäre. Die erste Runde ist nun mal die beste Gelegenheit, jemanden zu überholen, wenn sich alles sortiert. Aber es war kein Problem. Die beiden kämpfen eben um die Weltmeisterschaft, und wenn sie aus unterschiedlichen Teams gewesen wären, dann hätte niemand etwas dagegen gesagt, dass sie aggressiv fahren und pushen. Und die beiden sind nun mal so eng zusammen in der WM-Wertung. Da ist es doch klar, dass sie alles rausholen. Ich habe das schon schlimmer erlebt."

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

Spa-Francorchamps war für ihn ein schwieriges Wochenende: Ron Dennis

"Wir hatten bisher in diesem Jahr eine hundertprozentige Zuverlässigkeit, was sehr bemerkenswert ist. Es war ein etwas konservatives Rennen, ein bisschen langweilig, aber wir mussten sicherstellen, zwischen jetzt und den entscheidenden letzten drei Grands Prix keine Fehler zu machen. Beide Fahrer, Fernando und Lewis, haben noch einen sehr gesunden Punktevorsprung. Lewis liegt in Führung. Unser Ziel ist nun, für die nächsten Rennen ein bisschen aggressiver zu werden, damit wir genug Punkte holen können, um die Fahrerweltmeisterschaft zu gewinnen."#w1#

Hartes Duell am Start

Frage: "Der Start war aufregend. Wie haben Sie ihn miterlebt?"
Dennis: "Lewis kam ein bisschen besser weg und hatte eine Position zum Überholen. Er wurde nach außen gedrückt, aber er hatte zu Eau Rouge hinauf einen guten Schwung. Das war ziemlich interessant und ein bisschen angespannt, aber nicht gefährlich, sondern einfach geradliniger Motorsport. Schön zu sehen, dass sie fair waren, aber aggressiv. Darum geht es."

"Auch wenn wir nicht absolut konkurrenzfähig waren, hätte es noch schlechter sein können." Ron Dennis

Frage: "Sind Sie zufrieden mit Platz drei und vier?"
Dennis: "Nein, natürlich nicht. Wir sind schließlich hier, um zu gewinnen. Aber immerhin hatten wir 100 Prozent Zuverlässigkeit - und das ist sehr gut. Auch wenn wir nicht absolut konkurrenzfähig waren, hätte es noch schlechter sein können."

Frage: "Warum?"
Dennis: "Wir hatten Probleme im mittleren Sektor. Insgesamt würde ich sagen, dass die Ferraris einfach ein bisschen mehr Grip hatten. Warum, weiß ich leider nicht. Beim Testen waren wir hier noch sehr stark. Aber ich mache mir deshalb keine großen Sorgen, denn wir haben in der Fahrerweltmeisterschaft immer noch einen guten Vorsprung - und wir versuchen weiter, unseren Fahrern bestmögliche Voraussetzungen zu geben."

Frage: "Fernando Alonso war hier wieder ein bisschen stärker als Lewis Hamilton. Zeichnet sich da ein Wechsel im teaminternen Kräfteverhältnis ab?"
Dennis: "Schwer zu sagen. Ich denke, die beiden versuchen wirklich, alles aus sich herauszuholen. Und vielleicht nimmt sich Lewis die Situation im Team einfach im Moment mehr zu Herzen. Vielleicht erlebt er die ganzen Probleme der letzten Tage und Monate mehr aus der Nähe."

Gleichberechtigung bleibt bestehen

Frage: "Alle haben vermutet, dass Fernando Alonso nun einen schwierigen Stand im Team haben könnte, aber er wurde heute fair behandelt..."
Dennis: "Absolut. Man kann nicht eine Sache predigen und eine andere anwenden. Unterm Strich behandeln wir unsere Fahrer gleich. Das muss auch niemand überwachen, sondern wir sorgen uns selbst darum. Sie haben jede Gelegenheit, einander zu besiegen. Tatsache ist, dass sie frei mit den Medien sprechen dürfen - und auch unser Testprogramm für den Rest der Saison bleibt unverändert, obwohl es da Gerüchte gibt. Wir können nur noch die Fahrerweltmeisterschaft gewinnen, und darauf konzentrieren wir uns natürlich."

"Fernando ließ ein bisschen nach, um Lewis dazu zu verleiten, zu pushen und einen Fehler zu machen." Ron Dennis

Frage: "In der vorletzten Runde war Lewis Hamilton neben der Strecke. Wenn dort ein Kiesbett gewesen wäre, hätte das einen Ausfall bedeutet..."
Dennis: "Er war zu dem Zeitpunkt sehr schnell unterwegs, holte eine Sekunde pro Runde auf Fernando auf. Er weiß, was er tut. Wir waren auf dem Kommandostand ein bisschen besorgt, als er so hart pushte, aber er wollte zu Fernando aufschließen. Fernando ließ ein bisschen nach, um Lewis dazu zu verleiten, zu pushen und einen Fehler zu machen - und Lewis hat einen Fehler gemacht, aber an einer sicheren Stelle. Es war kein Problem."

Frage: "In den vergangenen Wochen waren Sie so angeschlagen wie noch nie in Ihrer Karriere, aber jetzt scheinen Sie wieder ganz cool zu sein. Warum?"
Dennis: "Ich war nicht in einer schlechten Stimmung, ich habe mich nur auf meine Arbeit konzentriert und darauf, dass ich die Verantwortung für alles zu tragen habe, was im Team und in der Firma passiert. Es war eine Herausforderung. Natürlich gab es einige unschöne Momente in den vergangenen Tagen, aber ich hatte enorme Unterstützung von den Teilhabern und den Vorstandsmitgliedern, die mich gut kennen. Da müssen wir durch."

"Wir haben noch keine Entscheidung getroffen, was die Berufung angeht, aber wir streben nach einem Abschluss und nach dem Besten für die Formel 1. Wenn du in die Formel 1 gehst, dann musst du dich voll für die Formel 1 engagieren und du kannst nicht immer das machen, was für dich selbst das Beste ist. Wir sollten das tun, was für die Formel 1 am besten ist, auch wenn das natürlich keine großartige Sache ist. Aber wir müssen eben an die Zukunft denken. In den nächsten Tagen werde ich ein wenig entspannen und meine Gedanken sammeln, auch daran denken, was wirklich im Interesse der Formel 1 ist, denn diese Sache hat wirklich niemand genossen - unser Bankmanager jedenfalls bestimmt nicht!"

Kein Kommentar zur hohen Geldstrafe

Frage: "100 Millionen US-Dollar sind ganz schön viel Geld..."
Dennis: "Ja. Es besteht keine Möglichkeit, so einen Geldbetrag zu trivialisieren. Das tun wir auch nicht für eine Minute. Es ist ein gigantischer Geldbetrag, aber ich möchte darüber nicht sprechen. Unterm Strich müssen wir groß genug und professionell genug und dem Sport verschrieben sein, um aus diesen schwierigen Zeiten herauszukommen, um als Team zusammenzurücken und um die Weltmeisterschaft der Fahrer zu gewinnen."

"Das ist Unfug, was die Leute behaupten!" Ron Dennis

Frage: "Es gibt einige Gerüchte, dass Fernando Alonso nicht mehr testen darf. Wird er nächste Woche in Jerez fahren?"
Dennis: "Natürlich darf er testen - es wird so viel Unsinn geredet! Er kann sprechen, mit wem er will und wann er es will, und wenn er Teil dieses Tests hätte sein wollen, dann würde er fahren, aber es sind zwei Wochen bis zum nächsten Grand Prix - da müssen sich beide Fahrer sehr sorgfältig vorbereiten. Es war nie vorgesehen, dass Fernando auf einer Strecke testet, die nichts zu tun hat mit dem Rennkalender. Wir evaluieren in Jerez die nächstjährigen Programme, nichts für dieses Jahr. Es gibt kein Problem. Das ist Unfug, was die Leute behaupten!"

Frage: "Bleibt Fernando Alonso bei McLaren-Mercedes?"
Dennis: "Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, bekundeten wir beide unsere Absicht, diese sehr schwierige Situation zu überstehen, um den Rest dieser Saison und den Vertrag gemeinsam zu bestreiten. Wir reden nicht über nächstes Jahr, weil wir dieses Jahr gewinnen wollen. Ich verstehe, dass diese Fragen gestellt werden. Teams machen schwierige Zeiten durch und Beziehungen werden belastet, weil die Menschen sehr ehrgeizig sind. Meine Aufgabe ist es, alles zusammenzuhalten."

"Ich war natürlich sehr abgelenkt von den anderen Themen in Paris, bei der FIA. Verständlicherweise konnte ich mich nicht so viel auf die Probleme unserer Fahrer konzentrieren, aber sie sind starke Jungs, ungemein motivierte Sportler. Ich mache mir keine Sorgen. Die Atmosphäre ist im Moment ein bisschen unterkühlt, na und? Manchmal kommt das einfach mit dem Ehrgeiz. Ich habe das früher schon erlebt und ich werde es auch diesmal wieder überleben."