• 14.11.2010 21:38

  • von Dieter Rencken

Das WM-Interview mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner

"Ich bin einfach nur begeistert" - Red-Bull-Teamchef Christian Horner über den zweiten Titel binnen einer Woche und die Siegfahrt von Sebastian Vettel

(Motorsport-Total.com) - Erst bei der Zieldurchfahrt von Fernando Alonso (Ferrari) löste sich die Anspannung am Kommandostand von Red Bull: Sebastian Vettel hatte es geschafft, den Grand Prix von Abu Dhabi dominiert und sich den Fahrertitel der Formel 1 gesichert. In seiner Medienrunde spricht Teamchef Christian Horner über die entscheidenden Momente des Saisonfinales, die starke Leistung seines Rennstalls und über den neuen Weltmeister, der Red Bull den zweiten WM-Titel 2010 bescherte.

Titel-Bild zur News: Christian Horner (Teamchef)

Christian Horner stand den Medien gleich nach der Zieldurchfahrt Rede und Antwort

Frage: "Christian, Glückwunsch zum Fahrertitel der Formel 1. Du bist sicherlich sehr stolz auf den Ausgang dieser Rennsaison. Warst du stets sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben?"
Christian Horner: "Das war der Weg, den wir uns ausgesucht hatten. Wir haben beide Fahrer genau gleich und mit der gleichen Transparenz unterstützt - so sehr, wie es einfach möglich war. Das war das Richtige und die Entscheidung fiel auf der Strecke. Sebastian hat es durchgezogen. Er hatte in dieser Saison einiges an Pech."

"Wie andere, so hat auch er Fehler gemacht. Letztendlich hat er aber die Oberhand behalten und niemals aufgegeben. Er hat nie seinen Fokus verloren und glaubte stets daran, dass er es schaffen könnte - selbst in Südkorea. Dort wurde ihm kurz vor Schluss der Sieg genommen. Er ist ein bemerkenswerter junger Mann und ein sehr würdiger jüngster Weltmeister."

"Wir sind aber allesamt auch sehr stolz auf das, was Mark Webber in diesem Jahr geleistet hat. Er hatte im letzten Rennen ebenfalls noch Titelchancen. Er hatte ein unglaubliches Jahr und setzte Sebastian ständig unter Druck. Wir sind sehr stolz auf die Leistung unseres Fahrerduos. Dass Sebastian den Fahrertitel erobert hat, beendet die perfekte Woche für Red Bull."

"Ich würde gerne sagen, wir seien klüger als sie gewesen." Christian Horner

Frage: "Mark Webber kam schon recht frühzeitig an die Box und Ferrari zog nach. War das der Schlüsselmoment, denn danach steckten sie im Verkehr und hinter langsamen Autos fest..."
Horner: "Ich würde gerne sagen, wir seien klüger als sie gewesen."

"Im Prinzip ging es aber darum, dass Mark das Gefühl hatte, seine Hinterreifen würden nachlassen. Er war am Ende der Autoschlange und hatte nichts zu verlieren. Wir gingen daher das Risiko ein, holten ihn an die Box und gaben ihm die härteren Reifen mit. Ferrari reagierte mit beiden Autos - überraschenderweise."

"Einige Autos hatten aber schon während der Safety-Car-Phase ihren Boxenstopp eingelegt - Rosberg ist ein Beispiel. Der härtere Reifen schien eine Graining-Phase durchzumachen und wurde dann besser. Sebastian blieb cool und machte an der Spitze einfach weiter. Er zeigte ein perfektes Rennen. Ich war noch nie so froh darüber, einen Renault und einen Mercedes auf ihren Plätzen zu sehen."

"Nie war ich ein größerer Petrov-Fan. Renault hat bei Kubica einen guten Stopp gemacht. Ich möchte aber allen Titelkandidaten gratulieren. Fernando, Jenson und Lewis waren großartige Gegner. Gemeinsam mit unseren Jungs haben sie diese Saison zu einer fantastischen Sache gemacht. Wir sind ungeheuer stolz darauf, in beiden Gesamtwertungen den ersten Platz geholt zu haben."¿pbvin|512|3275|dhabi|0|1pb¿

Der Ferrari-Boxenstopp hilft Red Bull

Frage: "Was hältst du vom Boxenstopp von Ferrari, die zu diesem Zeitpunkt gute Rundenzeiten hinlegen konnten. Bei Mark war das indes nicht der Fall..."
Horner: "Der Reifenverschleiß war am Freitag ungeheuer groß und in unserem Szenario hatte sich Runde zwölf, Runde 13 als Fenster angepriesen."

"Der Boxenstopp war heute von großer Wichtigkeit." Christian Horner

"Diesen Eindruck hatte offensichtlich auch Ferrari. Der Boxenstopp war heute von großer Wichtigkeit. Unter großem Druck haben unsere Jungs einen unglaublichen Reifenwechsel durchgeführt. Dadurch kam Sebastian vor Petrov, Kubica und Kobayashi wieder zurück auf die Strecke."

"Das war ein perfektes Timing. So hatte er freie Fahrt und konnte dem Sieg entgegen fahren. Das Team hat eine große Leistung erbracht. Es ist ein junges Team, doch 2010 ist es erwachsen geworden. Ich bin einfach nur stolz darauf, heute das in meinen Augen beste Team der Welt zu repräsentieren."

Frage: "Beschreibe doch einmal die Emotionen in den letzten zehn Runden..."
Horner: "Es war schier nicht zum Aushalten. Wir hatten uns in dieser Saison bereits mehrfach in einer solchen Situation befunden, wobei uns der Sieg doch noch durch die Lappen ging - zum Beispiel in Südkorea vor knapp einem Monat. Irgendwann in den letzten fünf Runden vergaß ich schließlich, zu atmen."

"Sebastian war wahrscheinlich der Coolste von uns allen." Christian Horner

"Sebastian war wahrscheinlich der Coolste von uns allen. Wie diese Jungs während der Fahrt noch einen Blick auf die Großbild-Leinwand werfen können, kann ich nicht nachvollziehen. Es ist eine riesige Leistung für dieses Team, sowohl die Konstrukteurswertung als auch die Fahrerwertung zu gewinnen. Jedes einzelne Teammitglied hat eine phänomenale Leistung erbracht."

Frage: "Als Sebastian über die Linie kam, wolltet ihr offensichtlich noch nicht jubeln. Erst als auch Fernando Alonso im Ziel war, brach der Jubel los..."
Horner: "Ich sagte eine Runde vor Schluss zu Rocky (Guillaume Rocquelin; Anm. d. Red.), seinem Ingenieur, dass ich es ihm erst sagen würde, wenn wir das Endergebnis kennen. Also warteten wir. Als Rosberg, so glaube ich, über die Linie kam, wussten wir, dass der Titel Sebastian gehörte."

"Das war ein sehr emotionaler Moment. Für beide Piloten war es eine harte Saison. Beide sind unheimlich gut gefahren und hatten bis zuletzt Chancen auf den Titel. Jeder von ihnen hätte es packen können. Sebastian hat die Meisterschaft nur einmal angeführt - heute. Das ist der wichtigste Zeitpunkt, um ganz vorne zu stehen. Wir sind sehr stolz auf diese, seine Errungenschaft."

Viel Lob für die Gegner

Frage: "Ihr standet immer wieder sehr unter Druck. Wie groß ist die Erleichterung?"
Horner: "Ich sagte immer: Niemand kann in die Zukunft sehen. Ich denke, es wurde auf die richtige Art und Weise entschieden - auf der Strecke."

"Sie beim vergangenen Rennen nicht anders einlaufen zu lassen, hätte uns hier in die Bredouille bringen können. Wir haben aber stets daran geglaubt, beide Fahrer gleich unterstützen zu müssen. So betreiben wir den Motorsport. Es ist richtig ausgegangen. Ich muss unsere Gegner von Ferrari und McLaren loben. Fernando, Jenson und Lewis waren starke Kontrahenten."

"Es war eine fantastische Saison für die Formel 1." Christian Horner

"Es war eine fantastische Saison für die Formel 1. Sie haben sich gegenseitig zu immer neuen Bestleistungen angespornt. Deswegen haben wir in diesem Jahr vielleicht ein paar mehr Fehler gesehen als in den vergangenen Saisons. Wir sind unseren Weg gegangen. Ich bin einfach nur begeistert davon, zwei WM-Titel eingefahren zu haben."

Frage: "Renault hätte euch durch den Motorschaden in Südkorea beinahe den Titel gekostet, nun waren die beiden Werksautos ein wichtiger Puffer. War das gewissermaßen eine Wiedergutmachung?"
Horner: "Voll und ganz. Ohne unsere treuen Zulieferer und Sponsoren, hätten wir gar keinen Titel geholt. Renault war ein Schlüsselpartner."


Fotos: Red Bull, Großer Preis von Abu Dhabi


"Das war unser neunter gemeinsamer Sieg in diesem Jahr und wir haben über 20 Podien und zwei Titel erreicht. Renault hat dazu beigetragen. Sie haben uns ein paar schwierige Augenblicke beschert, doch das Teamergebnis ist einfach fantastisch. Auch die Unterstützung durch Red Bull war klasse."

Das Erfolgsrezept des Sebastian V.

Frage: "Wie schwierig war es für Sebastian, Schlappen wie in der Türkei oder in Belgien wegzustecken?"
Horner: "Er hat den Fokus niemals verloren. Er war stets gefasst und gab den Glauben niemals auf. Er ist ein sehr entschlossener junger Mann. Es gab einige Tiefpunkte in dieser Saison."

"Es war unglaublich, wie er mit der Situation in Südkorea umgegangen ist. Er gab sich nicht geschlagen, sondern kämpfte weiter. Sein Selbstvertrauen oder das Vertrauen in das Team hat er niemals verloren. Darauf sind wir sehr stolz."

"Der Titel bei den Konstrukteuren ist eine richtig große Nummer für das Team." Christian Horner

Frage: "Wie gut fühlst du dich nun im Vergleich zum vergangenen Sonntag?"
Horner: "Genau gleich. Der Titel bei den Konstrukteuren ist eine richtig große Nummer für das Team. Das trifft auch auf den Fahrertitel zu, doch in dieser Meisterschaft steckt einfach mehr Prestige."

"Hätten wir die Fahrer-WM nicht geschafft, wären wir sicherlich etwas enttäuscht gewesen. Brasilien war schon eine großartige Leistung, Abu Dhabi war dann noch das Sahnehäubchen. Sebastian Vettel, 23 Jahre alt, Formel-1-Weltmeister. Er hat eine große Zukunft vor sich."

Frage: "Was bedeutet es, mit beiden WM-Titeln die Heimreise anzutreten?"
Horner: "Den Konstrukteurstitel hatten wir noch gar nicht richtig realisiert. Auch der Fahrertitel wird wohl eine gewisse Zeit brauchen. Es ist schon ein spezielles Gefühl. Es ist fantastisch, Herrn Mateschitz hier bei uns zu haben, um unseren ersten Fahrer-Weltmeister zu sehen."

"Red Bull, Dietrich, hat uns großartig unterstützt. Mir ist schon klar, was in Milton Keynes, darum herum und bei jedem einzelnen Teammitglied los sein wird. Es ist vollkommen verdient. Morgen früh werden wir ein sehr stolzes Team sein."

Youngster Vettel schlägt sie alle

Frage: "Wie stark werden Sebastian Vettel und Red Bull nach dem doppelten Titelgewinn im kommenden Jahr auftreten?"
Horner: "Nun, sein großes Ziel hat er bereits in jungen Jahren erreicht. In seiner recht kurzen Karriere hat er bereits einige imposante Statistiken aufgestellt."

"Auch Mark hätten den Titel gewinnen können." Christian Horner

"Vergessen wir an dieser Stelle aber nicht: Mark Webber hat ihn in diesem Jahr zu immer neuen Höchstleistungen angespornt. Darauf bin ich stolz. Auch Mark hätten den Titel gewinnen können. Beide hatten die Gelegenheit dazu. Mark hat mitgeholfen, das Beste aus Sebastian herauszuholen. Er hat ihn schwer unter Druck gesetzt."

Frage: "Wann habt ihr gemerkt, dass Sebastian ein potenzieller Weltmeister ist? Was an ihm hat euch davon überzeugt?"
Horner: "Schon, als er noch ein Nachwuchspilot war. Er zeigte ungeheuer viel Talent. Seine Leistungen im Toro Rosso von 2008 waren etwas Besonderes."

"Da war uns klar: Dieser Bursche ist eine richtig große Nummer. Er wuchs heran und wurde von Saison zu Saison immer stärker. Er ist nur 23 Jahre alt - was für ein bemerkenswerter Fortschritt. Er ist erwachsen und ein sehr guter Teamplayer. Sein Teamkollege hat ihn in diesem Jahr maximal unter Druck gesetzt."

"Manchmal lag weniger als eine Zehntel zwischen den beiden. Ich bin sehr stolz auf das, was die beiden in diesem Jahr angestellt haben. Sie waren Gegner, hatten aber stets Respekt füreinander. Wenn man bedenkt, was sie auf der Strecke gezeigt haben, war es richtig, unsere Fahrer genau gleich zu unterstützen."

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