• 24.01.2006 15:44

Das Interview zur Präsentation mit Michael Schumacher

Der entthronte Weltmeister im Interview über seine ersten Eindrücke vom 248 F1, seine Erwartungen für die neue Saison, das neue Reglement und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Michael Schumacher schien ganz froh darüber zu sein, dass er bei der Weltpremiere des neuen Ferrari nicht wie in den vergangenen Jahren ohne vorheriges Kennenlernen seines Arbeitsgeräts Rede und Antwort stehen musste, sondern den 248 F1 bereits im Vorfeld beschnuppert hatte. Dennoch vermied er heute in Mugello lautstarke Kampfansagen hinsichtlich des WM-Titels.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher zählt 2006 wieder zum engeren Kreis der Titelfavoriten

Frage: "Michael, war dein erstes Kennenlernen mit dem neuen Ferrari in diesem Jahr anders als in der Vergangenheit? Wie muss man sich das vorstellen?"
Michael Schumacher: "Es war in der Hinsicht schon mal anders, dass wir bereits vor der Präsentation unterwegs gewesen sind. Ich war letzte Woche am Montag, Felipe (Massa; Anm. d. Red.) am Freitag unterwegs - und natürlich heute Vormittag wieder. Ich persönlich bevorzuge diese Aktion, wo wir auf die Strecke gehen und erst einmal fahren, bevor wir darüber reden. Die Gefühle und die Informationen, die wir bis jetzt sammeln konnten, sind recht positiv, auch wenn das Wetter bisher nicht ganz so mitgespielt hat."#w1#

Erster Eindruck eines neuen Autos kann auch täuschen

"Es ist so, dass ich noch nicht im vollen Outfit unterwegs bin, aber dennoch haben wir ein sehr positives Feedback." Michael Schumacher

Frage: "Man sagt, dass ein Fahrer sofort im Hintern spürt, ob ein Auto gut ist oder nicht. Was sagt dir dein Hintern gerade?"
Schumacher: "Grundsätzlich ist richtig, was du sagst, aber ich kann mich an 2000 oder 2001 erinnern, als wir auch ein gutes Auto hatten, was am Anfang aber nicht unbedingt ersichtlich war. Das liegt oft daran, dass wir Autos bauen, um sie schnellstens auf die Strecke zu kriegen und damit zu fahren, aber dann haben sie oft nicht den letzten Stand der Aerodynamik drauf, weil diese Teile noch nicht fertig sind. Dieses Jahr ist es wieder so, dass ich sicherlich noch nicht im vollen Outfit unterwegs bin, aber dennoch haben wir schon ein sehr positives Feedback."

"Ich bin überaus zufrieden damit, was über den Winter geleistet wurde. Es geht absolut in die richtige Richtung. Diejenigen, die letztes Jahr vielleicht nicht ganz so zufrieden waren und den Fernseher hin und wieder mal ausgeschaltet haben, dürfen dieses Jahr hoffentlich wieder am Fernseher bleiben..."

Frage: "Baut sich gleich von Anfang an ein Gefühl für ein neues Auto auf oder ist es am Anfang nur ein ganz normales Sportgerät für dich?"
Schumacher: "Das ist sehr unterschiedlich. Es gab Jahre, in denen hat sich das Gefühl so und so entwickelt. In den vergangenen 15 Jahren, in denen ich jetzt unterwegs bin, ist das schon in beide Richtungen gegangen, aber generell habe ich ein positives Gefühl. Natürlich müssen wir das dann bestätigen, wenn wir auch mit Konkurrenz unterwegs sind."

Frage: "Du musst erstmals seit 2000 wieder ohne der Eins auf der Nase in eine neue Saison gehen. Wie fühlt sich das an?"
Schumacher: "Es ist halt wieder wie früher, denn es ist ja noch nicht so lange her, dass ich mich daran nicht mehr erinnern könnte. Wenn es schon nicht die Eins ist, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, welche andere Zahl da vorne drauf ist."

Schumacher will 2006 wieder um den WM-Titel fighten

"Das Gefühl ist positiv - und ich denke, dass wir um die Meisterschaft kämpfen werden." Michael Schumacher

Frage: "Du kennst jetzt das neue Auto. Mit welchen Gefühlen gehst du in die neue Saison?"
Schumacher: "Das Gefühl ist positiv - und ich denke, dass wir um die Meisterschaft kämpfen werden. Wo wir genau stehen werden - ob wir noch leichte Nachteile haben gegenüber der Konkurrenz oder schon an dem Punkt angelangt sind -, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau beurteilen."

Frage: "Was wirst du Mitte des Jahres sagen, wenn das Auto gut oder schlecht ist?"
Schumacher: "Nein! Da würde ich euch Journalisten ja die ganze Spannung wegnehmen..."

Frage: "Du hattest eine kürzere Winterpause als sonst. Wie sehr freust du dich schon auf das erste Rennen in Bahrain?"
Schumacher: "Nach dem letzten Jahr freut man sich natürlich schon, jetzt wieder - und auch vorher schon - hinter dem Lenkrad gesessen zu sein. Erst beim ersten Rennen können wir dann all die netten Fragen vernünftig beantworten - am liebsten auf der Strecke!"

Frage: "Du freust dich sicher schon auf die nächsten Tests, nicht wahr? Wie geht es weiter für euch?"
Schumacher: "Das ist noch nicht ganz klar. Die Witterungsbedingungen werden sich hier wohl eher verschlechtern, also ist davon auszugehen, dass wir in wärmere Gebiete übersiedeln werden."

Frage: "Red Bull Racing hatte bei den Tests in Spanien Überhitzungsprobleme - ihr hier bei diesem Wetter offenbar nicht..."
Schumacher: "Weder bei dem noch bei einem anderen Wetter, glaube ich."

Beginnt mit dem 248 F1 ein neues Ferrari-Kapitel?

Frage: "Was sagst du zum neuen Namen des Autos? Die F200x-Tradition ist unterbrochen. Wollt ihr damit ein neues Kapitel aufschlagen?"
Schumacher: "Sieht so aus, ja!"

Michael Schumacher und Felipe Massa

Michael Schumacher mit seinem neuen Teamkollegen Felipe Massa Zoom

Frage: "Du hast einen neuen Teamkollegen, Felipe Massa. Welchen Eindruck macht er bisher auf dich?"
Schumacher: "Ich habe schon oft gesagt, dass wir eine gute Kombination abgeben sollten. Er ist sehr talentiert, was ja der Grund dafür ist, dass ihn Ferrari verpflichtet hat. Das Team ist happy mit ihm. Ich kenne Felipe gut. Wir kommen gut miteinander aus. Die Zutaten für eine gute Zusammenarbeit sind also vorhanden."

Frage: "Wie fährt sich der V8- im Vergleich zum V10-Motor?"
Schumacher: "Auf jeden Fall erfordert der V8-Motor eine ganz andere Fahrweise. Das Fahrgefühl ist vom Gesamten her sicherlich auch anders geworden. Bis jetzt ist aber auch in der Hinsicht alles recht positiv. Auf den Geraden merkt man den Unterschied am meisten, denn speziell in den langsamen und mittelschnellen Kurven kann man das Auto durch die Drehzahl ausgleichen. Früher war teilweise auch nur die Leistung, die wir heute haben, zur Verfügung, weil wir einfach nicht mehr umsetzen konnten. Insofern ist der Unterschied hauptsächlich in den schnellen Kurven und auf den langen Geraden spürbar."

Frage: "Einige andere Fahrer sind der Meinung, dass der Fahrspaß sogar größer ist als mit dem V10-Motor, weil man in einigen Kurven schneller ist. Stimmst du dem zu?"
Schumacher: "Das Ganze ist ein bisschen agiler. Es macht in der Tat mehr Spaß, ist mehr wie Kartfahren."

Frage: "Was sagst du zum Sound?"
Schumacher: "Der ist auch anders. Mich erinnert der Sound irgendwie an die Stimme von Tina Turner, so ein bisschen die rauere Art! Das Kreischen ist jetzt ein bisschen weg, aber nach all den Jahren ist so ein Wechsel ganz angenehm..."

V8-Motoren sind um zwei bis drei Sekunden langsamer

Michael Schumacher

Michael Schumacher heute Morgen bei den Tests mit dem neuen Ferrari 248 F1 Zoom

Frage: "Kannst du vergleichen, um wie viel langsamer ihr auf einer durchschnittlichen Rennstrecke im Vergleich zum Vorjahr seid?"
Schumacher: "Nein, nicht wirklich. Von der Leistung her - es hat ja auch ein paar aerodynamische Veränderungen gegeben - ist mit zwei bis drei Sekunden zu rechnen, die wir langsamer sein werden, denke ich."

Frage: "Worauf können sich die Fans hinsichtlich der V8-Motoren freuen?"
Schumacher: "Theoretisch sollten mehr Überholmanöver möglich sein, weil wir auf den Geraden langsamer sind, also mehr Zeit auf den Geraden verbringen werden. Ich kann das nicht mit endgültigen Werten ausdrücken, aber wenn wir vorher vielleicht noch eine halbe Sekunde auf der Gerade gefahren wären und gerade noch das letzte Extra-Bisschen benötigt hätten, dann hätte man eventuell zur Attacke blasen können. Jetzt sollte das möglich sein, denn wir sind länger auf den Geraden unterwegs. Insofern sollte es in die Richtung gehen, dass wir vielleicht mehr Überholmanöver sehen könnten."

Frage: "Es wird 2006 auch wieder Reifenwechsel geben. Eine positive Sache?"
Schumacher: "Auf jeden Fall! Das gehört einfach irgendwie zum Rennsport, denn wenn man mal einen Fehler macht und einen Reifen überbremst, muss man sich nicht das ganze Rennen damit abquälen, sondern man kann eben irgendwann an die Box kommen und vielleicht auch die Strategie anpassen. Das Reglement bietet also mehr Flexibilität, mehr Racing - für uns Fahrer sicher ein Vorteil!"

Frage: "Wie sehr hast du dich schon mit dem neuen Qualifikationsformat auseinandergesetzt?"
Schumacher: "Ich weiß, wie es funktionieren wird, aber für uns Fahrer ist es relativ einfach, sich darauf einzustellen. Ob es auch für alle Zuschauer einfach zu verstehen ist, wird sich dann zeigen."

Schumacher genauso fit wie in den vergangenen Jahren

Frage: "Bist du fitter als vor einem Jahr?"
Schumacher: "Nein, nicht wirklich."

"Es ist eine Sache, was im Reisepass steht, und eine andere Sache, wie man sich im Körper und im Kopf fühlt." Michael Schumacher

Frage: "Sondern eher das Gegenteil?"
Schumacher: "Nein, auch nicht. Ich war vor einem Jahr genauso gut vorbereitet wie jetzt."

Frage: "Mit 37 Jahren bist du der älteste Fahrer im Feld. Wachsen dir die Jungen langsam über den Kopf?"
Schumacher: "Nein, denn es ist eine Sache, was im Reisepass steht, und eine andere Sache, wie man sich im Körper und im Kopf fühlt. Die Jungs sind jetzt ja auch schon eine Weile dabei und ich kenne sie gut. Wir spielen Fußball zusammen und machen auch andere Dinge - und da habe ich nie das Gefühl, dass ich hoffnungslos verloren wäre! Im Gegenteil: In vielen Bereichen kann ich sogar noch vorzeigen, was möglich ist."

Frage: "Hast du schon ein paar neue Autos der Konkurrenz gesehen?"
Schumacher: "Angeschaut schon, aber bewerten will ich die im Moment nicht."

Frage: "Wirst du auf einen Sprung bei den Olympischen Spielen in Turin vorbeischauen?"
Schumacher: "Ich glaube nicht, nein."

Frage: "Letzte Frage: Worauf freust du dich dieses Jahr am meisten?"
Schumacher: "Auf das Ende - weil wir dann hoffentlich bei der FIA-Preisverleihung sind..."