• 07.07.2013 21:16

Das große Siegerinterview mit Sebastian Vettel

Nach einem spannenden Rennen am Nürburgring folgte ein lang herbeigesehntes Glücksgefühl - Sebastian Vettel konnte endlich seinen Heimfans als Sieger zuwinken

(Motorsport-Total.com) - Nach einem spannenden Rennen am Nürburgring folgte ein lang herbeigesehntes Glücksgefühl - Sebastian Vettel konnte endlich seinen Heimfans als Sieger zuwinken

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Vettel wirkt nach dem anstrengenden Rennen erschöpft aber glücklich Zoom

Sebastian Vettel hat es endlich geschafft: Am Nürburgring holte der Heppenheimer seinen ersten Sieg in Deutschland. Nach der Hetzjagd durch Kimi Räikkönen zeigt sich der Weltmeister erleichtert, am Ende die Nase vorne gehabt zu haben. In der Pressekonferenz spricht er über das Rennen, die besondere Unterstützung der Fans am Nürburgring und kommende Aufgaben.

Frage: "Sebastian, was bedeutet es dir, endlich deinen Heim-Grand-Prix gewonnen zu haben?"
Sebastian Vettel: "Auf jeden Fall eine große Erleichterung. Ich bin sehr glücklich darüber, wie der Tag gelaufen ist. Um ehrlich zu sein, hat man natürlich immer gewisse Erwartungen. Vor allem, wenn du ein gutes Auto hast und seit Jahren einen solchen Lauf hast, dann erwarten die Fans, dass du auch auf heimischem Boden mal gewinnst. Ich denke, keiner im ganzen Team, mich eingeschlossen, lässt so etwas an sich heran, aber es fühlt sich jetzt sehr, sehr gut an, es nach mehreren Versuchen geschafft zu haben."

"Manchmal waren wir nah dran. Ich denke, wir hatten auch in der Vergangenheit schon gute Rennen in Deutschland, sind aufs Podium gefahren, was schon eine tolle Erfahrung war. Aber hier heute zu gewinnen - grandios. Beide Strecken, Hockenheim und der Nürburgring, bedeuten mir eine Menge. In Deutschland fahren zu können, ist ein großes Privileg, denke ich, die Möglichkeit zu haben, ein Heim-Grand-Prix zu fahren. Also: große Erleichterung, sehr glücklich und sicher ein ganz besonderer Tag."

"Beide Strecken, Hockenheim und der Nürburgring, bedeuten mir eine Menge." Sebastian Vettel

Stets am Limit

"Ich glaube, es wird eine kleine Weile dauern, bis sich das setzt, aber heute bin ich einfach nur unglaublich stolz. Das Team hat strategisch und auch bei den Boxenstopps einen fantastischen Job gemacht. Auf der Strecke war es so schwierig. Ich habe jede einzelne Runde gepusht, aber das ist sehr hart, wenn du weißt, du bist am Limit und du kannst die Reifen nicht mehr fordern, weil du sonst das Ende deines Stints nicht erreichst. Gleichzeitig musst du noch Leute überholen und möglichst schnell durch den Verkehr kommen, insofern war es kein leichtes Rennen."

"Das Safety-Car hat uns nicht geholfen. Wir hatten ein kleines Polster, aber Lotus war einfach unglaublich stark heute und hat uns definitiv alles abverlangt. Ich bin einfach nur glücklich, dass es am Ende gereicht hat. Am Ende noch unser Kompliment an Pirelli. Die haben in den wenigen Tagen einen sehr, sehr guten Job gemacht, indem sie so schnell reagiert haben und uns hier einen neuen Hinterreifen zur Verfügung gestellt haben. Ich glaube, es gab am ganzen Wochenende keine Reifenschäden mehr. Sie haben nach dem letzten Rennen eine Menge Kritik einstecken müssen, aber es sieht so aus, als hätten sie es nun geschafft für dieses Rennen, und hoffentlich auch für die kommenden."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Deutschland


Heimvorteil hat beflügelt

Frage: "Was unterscheidet Heimsiege von normalen Siegen?"
Vettel: "Die Auslaufrunde sagt alles, ich habe es sehr genossen. Ich glaube, ich war noch nie so langsam auf dem Weg zurück in die Box. Die Leute auch wirklich jubeln zu hören, selbst im Auto, das war schon etwas ganz Besonderes und geht einem sehr nahe. Das werde ich mit Sicherheit nicht vergessen: Das ganze Wochenende mit diesem Wetter hier, so sollte der Sommer aussehen."

Frage: "War der Sieg denn eine klar Angelegenheit?"
Vettel: "Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, dass man das von außen gar nicht so mitbekommt, wie sehr man am Limit ist und wie wenig eigentlich fehlt zum großen Fehler, dass man dann die Kurve verpasst. Das ist von außen sehr schwer zu beurteilen. Ich kann mir vorstellen, dass das dann ziemlich kontrolliert aussieht, aber es ist wirklich eine sehr enge Sache. Ich glaube, Lotus war einen Tick schneller, aber wir waren gut genug, um dagegen zu halten."

"Ich glaube, dass man das von außen gar nicht so mitbekommt, wie sehr man am Limit ist." Sebastian Vettel

Frage: "Wie war das mit der Unterstützung von den Tribünen heute?"
Vettel: "Es war großartig, so viel Unterstützung zu erhalten. Ich glaube, es ist einzigartig für Deutschland, einen Grand Prix zu haben, bei dem zwei deutsche Fahrer gewinnen könnten. Michael war in einer guten Position über viele Jahre, und wir sind es jetzt auch. Aber ich denke, in diesem Jahr war es nochmal spezieller, nachdem Nico in Monaco und Silverstone gewonnen hat. Es war toll anzusehen, besonders um Kurve 7 herum, wo zum zweiten Mal am Nürburgring viele Leute und Gäste von Red Bull waren. Sie haben ein großes Transparent während der Einführungsrunde hochgehalten, das war etwas ganz Besonderes. Ich habe jede Sekunde genossen - vor allem natürlich nach der Zielflagge."

Sebastian Vettel

Vettel freut sich über seinen ersten Sieg auf heimischem Boden Zoom

Frage: "Wie groß war die Erleichterung, hier endlich zu gewinnen? Hattest du den Plan, es in diesem Jahr zu schaffen?"
Vettel: "Ja, den habe ich im Januar gemacht! Nein, am Ende ist es ein Rennen wie jedes andere und wir versuchen, uns auf jedes Rennen optimal vorzubereiten. Sicher ist der Sieg hier ganz besonders und schmeckt sehr süß, vor allem mit dieser Art zu siegen, mit so viel Druck von hinten. Aber ich denke, wir haben unsere Hausaufgaben am Freitag gemacht - soweit wir das konnten. Die Bedingungen haben sich ein bisschen verändert und es war sehr knapp heute, aber am Ende haben wir gewonnen, das ist das Wichtigste. Es ist gut, wieder ein paar Punkte zu sammeln."

"Es ist gut, wieder ein paar Punkte zu sammeln." Sebastian Vettel

Harte Nuss Räikkönen

Frage: "Kimi hat dich schon öfter gejagt. Was es dieses Mal am engsten oder war es im vergangenen Jahr in Bahrain noch knapper?"
Vettel: "Es war ein anderes Rennen. Ich denke, Bahrain war noch knapper, weil er da direkt hinter mir war, für mehr als nur ein paar Runden. Und natürlich hat vorher auch Romain richtig Druck gemacht, bevor Kimi das am Ende des Stints getan hat, nachdem er an Romain vorbeigefahren ist und dann etwas schneller war. Aber in beiden Rennen waren wir, was die Rennpace angeht, sehr ebenbürtig. Und wenn die Autos fast gleich schnell sind, ist es sehr schwierig zu überholen - wenn du vorn bist, hast du einen Vorteil. Aber ich bin sicher, es wird eines Tages auch mal anders herum sein, und dann werde ich es genauso hassen, wie Kimi das jetzt tut."

Frage: "Was denkst du über das Wetter? Hat dir das auf deinem Weg zum Sieg vielleicht geholfen?"
Vettel: "Zuallererst einmal ist so das deutsche Wetter. Es ist immer so in Deutschland. Wir hatten in den vergangenen Jahren nur immer ein bisschen Pech (lacht; Anm. d. Red.). Ich glaube, es hat uns heute nicht geholfen. Es dürfte das Rennen eher etwas spannender gemacht haben. Ich denke, es kam eher Lotus etwas entgegen. Die sind wahrscheinlich etwas besser mit ihren Reifen umgegangen als der Rest des Feldes. Sie waren vor allem am Ende ihrer Stints sehr stark - aber ich sage das jetzt, ohne die richtigen Daten zu haben. Aber schließlich haben wir hier gewonnen und hatten eine sehr gute Geschwindigkeit - gut genug, um dieses Rennen zu gewinnen. Ich bin also sehr zufrieden, denke aber, dass wir am Freitag noch etwas stärker waren als heute."

"Ich denke, das Wetter kam eher Lotus etwas entgegen." Sebastian Vettel

Frage: "Dein Team war eines derer, die vorgeschlagen haben, zu den 2012er-Reifen zurückzukehren, und nun sah es so aus, als wäre dein Auto sehr gut zurechtgekommen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Fakten?"
Vettel: "Ich denke nicht. Immer, wenn ich meinen Mund aufgemacht habe, ging es lediglich um die Sicherheit, weil es nicht sein kann, dass wir da rausgehen und noch ein Rennen wie Silverstone erleben. Ich denke, am Ende wollen wir ins Auto steigen, am Limit Rennen fahren, und dabei können wir nicht ins Ungewisse fahren. Ich denke, alle Kritik galt dieser Thematik, und das vergessen die Leute manchmal. Da braucht man nur eins und eins zusammenzählen und braucht kein Genie zu sein."

Sebastian Vettel

Vettel wurde stets von einem der beiden Lotus gejagt Zoom

"Wir führen in der Team- und Fahrerwertung, wir hätten am meisten zu verlieren. Nichtsdestotrotz haben wir richtig Gas gegeben, zumindest ich aus Fahrersicht. Ich scheue mich da auch nicht, meine Meinung zu sagen. Ich denke, wir sind nun glücklicher - alle Fahrer - mit den Reifen, die wir an diesem Wochenende gefahren sind. Ob sie deinem Auto nun besser passen oder nicht, ist zweitrangig."

Konkurrenz ist zweitrangig

Frage: "Als du zum dritten Mal an die Box kamst, war das eine Reaktion auf Romain oder wärst du sowieso reingekommen?"
Vettel: "Nein, ich denke, das war bis dahin nicht so geplant. Die Reifen waren okay und die Lücke zu Romain wurde zu dem Zeitpunkt wieder etwas größer. Kurz vor dem Stopp, ein paar Runden davor, hatte ich mein KERS verloren und konnte es dann aber wieder anmachen und zog wieder davon. Offensichtlich haben wir wohl auf Romain reagiert, um sicherzugehen, dass wir vorn bleiben, weil wir gesehen haben, wie schwierig ein Überholmanöver hier war. Es war aber möglich: Ich bin ziemlich schnell durch den Verkehr gekommen, aber das hat natürlich viel Zeit gekostet. Also ja, wir haben auf ihn reagiert, um in Führung zu bleiben."

Frage: "Fernando Alonso war dann heute auch weit genug weg, oder?"
Vettel: "Ja, ich weiß gar nicht, wo er ins Ziel gekommen ist, aber es ist ehrlich gesagt nicht so wichtig. Ich freue mich heute für uns, für das Team. Es ist eigentlich ziemlich egal, wo dann die anderen ins Ziel fahren. Man schaut da nicht wirklich auf Fernando oder Ferrari im Speziellen oder auf den Kimi, sondern schaut auf sein eigenes Rennen. Und wenn dann die Zielflagge fällt, fällt in dem Moment auch alles andere von einem ab, und dann kann man sich auch mal ein bisschen umschauen."

"Es ist eigentlich ziemlich egal, wo dann die anderen ins Ziel fahren." Sebastian Vettel

Frage: "Wie zuversichtlich bist du für das kommende Rennen, in dem es erneut neuen Reifen geben soll, die denen von 2012 noch ähnlicher sein sollen?"
Vettel: "Erstmal müssen wir abwarten, denke ich. Es gibt einen Test in Silverstone, wo Rennfahrer die Erlaubnis haben zu testen. So könnte man auch sagen, wir haben einen Reifentest für mindestens einen Tag. Da müssen wir versuchen, weiter hinter die Reifen zu kommen. Ich denke, Pirelli wird sich dann Gedanken machen und sich mit der FIA zusammensetzen. Ob die Teams das wollen oder nicht, spielt keine Rolle."

"Momentan wissen wir also noch nicht, welche Reifen wir in Ungarn fahren werden. Das Wichtigste wird sein, von vorherigen Rennen zu lernen, vor allem von Silverstone und hier. Heute ist nichts passiert, was gut ist. Aber es wird auch nicht schaden, noch einen genaueren Blick darauf zu werfen - besonders wegen Silverstone - und dann eine Entscheidung für den Rest der Saison zu treffen."

"Momentan wissen wir also noch nicht, welche Reifen wir in Ungarn fahren werden." Sebastian Vettel

Frage: "Können wir für Ungarn schonmal eine kleine Kampfansage machen?"
Vettel: "Wir greifen jedes Jahr an, und ich denke, wir hatten auch schon gute Rennen in Ungarn. Ich war einmal ganz nah dran und hatte den Sieg eigentlich schon sicher, aber es ist dann ein kleines Missgeschick passiert während der Safety-Car-Phase und somit war es dann nur Platz drei. Ich glaube, das war 2010. Aber wir versuchen auf jeden Fall wieder, ganz vorne rein zu fahren."