• 18.06.2007 00:36

Das große Siegerinterview mit Lewis Hamilton

Lewis Hamilton über sein erfolgreiches Duell gegen Fernando Alonso in Indy, die traumhaften acht Tage in Nordamerika und seine Chancen auf den Titel

(Motorsport-Total.com) - Dieser Lewis Hamilton ist schon ein starkes Stück: Nicht nur, dass er seinen McLaren-Mercedes-Teamkollegen Fernando Alonso in Indianapolis besiegte, sondern in der anschließenden FIA-Pressekonferenz zeigte er sich wieder von seiner allerbesten menschlichen Seite - und gratulierte dem Doppelweltmeister zu seiner ebenfalls tollen Leistung...

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton legte nach seinem ersten Sieg gleich noch einen zweiten nach

Frage: "Lewis, Gratulation zu deinem zweiten Grand-Prix-Sieg hintereinander!"
Lewis Hamilton: "Was für ein Traum! Es ist fantastisch, auf zwei Strecken zu kommen, die ich nicht kannte, zum ersten Mal, dennoch so eine Pace zu haben, das Team vorwärts kommen sehen, konkurrenzfähig zu sein und zu sehen, wie hart zu Hause gearbeitet wird, in Brixworth, Woking und Stuttgart. Die Jungs arbeiten unglaublich hart, um das Auto zu produzieren und weiterzuentwickeln. Sie haben einen fantastischen Job gemacht - ohne sie wäre das nicht möglich. Die Jungs sind klasse. Sie haben eine tolle Strategie ausgearbeitet und das Auto super abgestimmt. Es ist ein perfektes Team und ich bin froh, dass ich das Sahnehäubchen noch draufsetzen konnte."#w1#

Hartes Duell mit Alonso

"Dann entschieden sich meine Reifen dazu, zu grainen." Lewis Hamilton

Frage: "Es war gegen deinen Teamkollegen Fernando Alonso sehr knapp. Du lagst am Start vorne, aber in Runde 38 war er direkt an dir dran und es war bis zum Schluss eng..."
Hamilton: "Das war es, vor allem im Mittelstint. Im ersten Stint waren nur die ersten paar Runden extrem knapp, dann konnte ich einen Vorsprung aufbauen und diesen auch vor dem Mittelstint beibehalten. Nach dem Stopp waren die ersten zwei Runden sehr gut, aber dann entschieden sich meine Reifen dazu, zu grainen. Vielleicht habe ich sie am Anfang zu stark strapaziert, jedenfalls war Fernando dann an mir dran und es wurde sehr schwierig."

"Er war die ganze Zeit in meinem Windschatten, konnte mich am Ende der Geraden einholen. Selbst wenn ich mich im Infield mal ein bisschen absetzen konnte, war der Vorsprung auf der Geraden also wieder weg. Das war sehr hart. Aber er kämpfte gut, sehr professionell, und am Ende konnte ich mich wieder ein bisschen absetzen und den Rest des Rennens kontrollieren."

Frage: "Am Start wart ihr Seite an Seite, du gingst nach rechts und dann wieder ein bisschen nach links. War das an der Grenze?"
Hamilton: "Man darf die Linie nur einmal wechseln, wenn man auf der Geraden ist, aber vor der Kurve darf man laut Regel wieder zurück in die ursprüngliche Position, um die Kurve zu erwischen."

Frage: "Wie waren die letzten Runden? Es war ein langer und sehr heißer Tag in Indianapolis, nicht wahr?"
Hamilton: "Ja. Es war toll zu sehen, wie viele Fans hier waren. Die haben mich toll unterstützt, auch mit vielen britischen Flaggen, was mich sehr gefreut hat. Das hat mir viel Energie gegeben, aber die letzten Runden waren hart, denn es war ein langes Rennen. Das Team sagte mir am Funk, es seien noch 15 Runden zu fahren. Die kamen mir dann wie eine Ewigkeit vor, speziell wenn du in Führung liegst, denn du musst alles kontrollieren, darfst nicht zu hart pushen, das Auto nicht beschädigen. Ich schaffte es aber - und dann war es sehr, sehr emotionell..."

Eine Reise, die sich gelohnt hat...

"Nie in einer Million Jahren hätte ich gedacht, dass ich heute neben diesen Fahrern sitzen würde!" Lewis Hamilton

Frage: "Zwei deiner Landsleute, Damon Hill und Nigel Mansell, haben gleich nach ihrem ersten Sieg wieder gewonnen. Du bist in guter Gesellschaft. Beide wurden auch Weltmeister. Was geht dir durch den Kopf?"
Hamilton: "Es ist fantastisch, ich bin stolz auf das Team. Nie in einer Million Jahren hätte ich gedacht, dass ich heute neben diesen Fahrern sitzen würde - nach zwei Siegen in Nordamerika! Das ist ein toller Moment in meiner Karriere, in meinem Leben. Ich bin wahnsinnig stolz und danke meiner Familie und Gott und dem Team."

Frage: "Das waren erstaunliche acht Tage, nicht wahr?"
Hamilton: "Was für eine erstaunliche Reise! Es war sehr intensiv, aber ich habe es genossen. Ich wurde hier sehr gut behandelt. Wir waren im Hilton-Hotel in New York und hier und dort ging es uns sehr gut. Das Wetter war fantastisch, mal abgesehen von Washington, dort hatte es ein Gewitter. Und dann kam ich zum ersten Mal nach Kanada und jetzt Indianapolis - und ich gewinne beide Rennen! Unglaublich!"

Frage: "Wie schon erwähnt haben einige Fahrer nach dem ersten Sieg gleich einen zweiten nachgelegt. Fühlst du dich nach Montréal irgendwie stärker?"
Hamilton: "Nicht wirklich, vor allem weil es wieder eine Strecke war, die ich nicht kannte. Aber hier wusste ich natürlich, dass ich gut abschneiden kann, aber die anderen Fahrer haben so viel mehr Erfahrung, und Erfahrung ist immer der Schlüssel. Mir als Rookie fehlt die Erfahrung einiger anderer Fahrer, aber ich muss sicherstellen, alle anderen Bereiche zu maximieren, um das auszugleichen."

"Fernando war an diesem Wochenende extrem schnell und er fuhr auch im Rennen wie immer fantastisch. Ich konnte ihn aber im Qualifying schlagen und blieb im Rennen knapp vor ihm. Er war extrem schnell und hing im Mittelstint in meinem Heck, als ich ein bisschen Graining hatte und die Pace nicht ganz halten konnte. Die Reifen erholten sich aber und dann konnte ich wieder davonziehen."

Einmal wurde es richtig eng

Lewis Hamilton

Ein Sieg am "Brickyard" ist für jeden Rennfahrer etwas Besonderes Zoom

Frage: "Wie war es, bei mehr als 300 km/h Seite an Seite mit dem Teamkollegen zu fahren?"
Hamilton: "Ich verlor in Kurve neun ein bisschen an Boden, weil das Heck kurz rutschte. Dann schloss er auf, so nahe, dass er auf der Geraden Windschatten hatte, und ich war ein bisschen nervös, weil ich sah, dass er im Rückspiegel immer größer wurde. Ich musste sicherstellen, nur einmal die Spur zu wechseln, damit es passt. Also zog ich nach innen - und ich wusste: Wenn ich spät bremse, an einem bestimmten Punkt, dann kommt er nicht vorbei."

"Ich hatte ihn dann aber in den nächsten paar Kurven im Nacken, erst dann war die Situation wieder entspannt. Die Strecke hier ist aber schwierig, denn wenn du einen Fehler machst, hängt dir das ein paar Kurven nach und du bist für deinen Verfolger Kanonenfutter. Fernando ist aber extrem fair, das war er auch am Start, und er hat einen fantastischen Job gemacht. Ich gratuliere ihm."

Frage: "Ihr seid so ähnlich schnell, das ist unglaublich. Werden sich die nächsten Rennen über die Qualifyings entscheiden?"
Hamilton: "Ich weiß es nicht. Das muss man abwarten. Wir liegen nahe beisammen, auf der Strecke kommen wir uns immer näher. Unser gegenseitiger Respekt wächst immer weiter - und das ist großartig. Wir sind wirklich happy für das Team. Aber noch einmal: Ich bin einfach nur stolz und fühle mich geehrt, hier neben ihm zu sitzen, denn ich habe in den vergangenen Jahren immer zu Fernando aufgeschaut."

Frage: "Vor ein paar Wochen hat dein Freund Dario Franchitti hier das Indy 500 gewonnen, jetzt du den US-Grand-Prix. Was bedeutet es dir, in Indianapolis zu gewinnen?"
Hamilton: "Es ist sowieso befriedigend, ein Rennen in der Formel 1 zu gewinnen. Ich habe das Indy 500 oft gesehen und ich habe mich sehr mit Dario gefreut, als er es endlich geschafft hat, denn ich kenne ihn gut. Es ist klasse, dass wir zwei Briten hier so gut waren! Das ist toll für unser Land und ich bin extrem stolz."

Erfolge kommen völlig unerwartet

"Es fällt mir sehr, sehr schwer, mit allem klarzukommen." Lewis Hamilton

Frage: "Hättest du vor Saisonbeginn geglaubt, dass es möglich ist, zweimal hintereinander zu gewinnen?"
Hamilton: "Überhaupt nicht. Man muss am Saisonbeginn realistisch sein. Dies ist die Königsklasse des Motorsports. Ich habe mit nichts gerechnet, aber ich hoffte auf ein gutes Abschneiden, auf einen guten Saisonstart und darauf, dass ich sukzessive dazulerne. Aber damit hätte ich nie gerechnet! Ich hoffte, irgendwann einmal aufs Podium zu kommen, aber ich war in allen sieben Rennen auf dem Podium! Es fällt mir sehr, sehr schwer, mit allem klarzukommen. Daher lese ich einfach keine Zeitungen, sondern ich konzentriere mich darauf, alles zu genießen, ohne anderes Zeugs mich aufsaugen zu lassen. Aber es hätte wohl niemand damit gerechnet, dass ich so stark sein werde."

Frage: "Für deinen Vater war das ein besonderer Tag, gerade heute, am amerikanischen Vatertag!"
Hamilton: "Bestimmt, aber ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass heute Vatertag ist! Ich war total konzentriert. Ich erinnere mich daran, dass es mir irgendwer gesagt hat, aber ich wusste nicht, ob hier in Amerika Vatertag ist oder zu Hause. Ich vergesse solche Anlässe immer - aber umso besser! Ich habe ihm den letzten Sieg gewidmet, aber bei diesem weiß ich nicht, was ich damit anfangen soll. Ich hoffe, dass noch viele Siege folgen werden. Ich könnte diesen Sieg vielen Menschen widmen, denn da sind so viele wichtige Menschen in meiner Familie. Ich hoffe, dass mein Dad glücklich ist, und ich wünsche ihm einen glücklichen Vatertag!"

Frage: "Deine Ziele müssen sich diese Woche radikal geändert haben. Wirst du nun versuchen, die Weltmeisterschaft zu gewinnen?"
Hamilton: "Ich würde nicht sagen, dass sich meine Ziele geändert haben. Ich kam ohne Erwartungen in die Saison und wollte einfach einen guten Job machen. Ja, wir haben sieben Rennen hinter uns, da muss ich klug sein und realisieren, dass ich eine Chance auf den Titel habe. Aber es ist noch viel, viel zu früh, auch nur daran zu denken oder mir Hoffnungen zu machen. In der Saison kann alles passieren. Ich muss nur versuchen, konstant zu bleiben und weiter zu gewinnen. So viele Punkte in jedem Rennen sind gut für mich und gut für das Team. Das werden Fernando und ich weiterhin versuchen."