• 02.04.2006 12:01

Das große Siegerinterview mit Fernando Alonso

Fernando Alonso über seine gemütliche Siegesfahrt im Albert Park, seine Technik beim Anwärmen der Reifen und seine Strategie für den Rest der WM

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Fernando, durch Giancarlo Fisichellas Problem vor dem Start war dein Weg in der ersten Kurve frei, nicht wahr?"
Fernando Alonso: "Irgendwie schon, ja. Es war gegen Jenson (Button; Anm. d. Red.) nicht so einfach, denn er legte einen guten Start hin. Wenn Giancarlo innen gewesen wäre, wäre es sicher schwieriger gewesen. Ich weiß aber nicht, was bei ihm los war. Wir müssen das genau untersuchen, damit so etwas bei ihm oder mir nicht mehr vorkommen kann. Abgesehen davon war es ein verrücktes Rennen. Manchmal hatte ich keinen Durchblick mehr, als ich 20 Sekunden vorne war, dann aber wieder das Safety-Car rauskam. Das Auto war aber perfekt, der Sieg war nie gefährdet. Ich fühle mich sehr gut."

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Sieger Fernando Alonso musste heute im Albert Park nie wirklich ans Limit gehen

Frage: "Andere hatten Probleme damit, Temperatur in die Reifen zu bekommen, aber deine Restarts waren fabelhaft..."
Alonso: "Ja. Unser Auto wärmt die Reifen für die erste Runde anscheinend besser auf. Beim ersten Restart, als ich hinter Jenson lag, konnte ich ihn am Ende der Geraden ziemlich locker überholen, und bei den anderen Restarts holte ich immer zwei Sekunden in der ersten Runde heraus. Nach zwei Runden hatte ich sechs Sekunden Vorsprung, was ausreichend Vorteil war, um nicht in Gefahr zu geraten."#w1#

Alonso wäre beinahe mit Button kollidiert

"Ich blockierte die Räder und währe ihm beinahe hineingefahren." Fernando Alonso

Frage: "Die Situation mit Jenson Button in der ersten Runde wahr einigermaßen knapp. Siehst du das auch so?"
Alonso: "Sehr knapp, speziell am Start. Ich blockierte die Räder und währe ihm beinahe hineingefahren. Dann kämpften wir vor der dritten Kurve gegeneinander, aber die Zweikämpfe mit Jenson sind nie unfair. Wir respektieren einander und haben keine Probleme. Danach fiel er dann zurück und ich hatte es leichter."

Frage: "Später übte dann Kimi Räikkönen Druck aus..."
Alonso: "Ja. Ich hatte wie gesagt schon 20 Sekunden Vorsprung, die damit auf einmal weg waren, weil das Safety-Car wieder kam. Nach dem Restart hatte ich aber wieder ein tolles Auto mit guter Balance, daher war es nicht allzu schwierig, den anderen Fahrern davonzuziehen."

Frage: "War es eigentlich schwierig, immer auf dem Laufenden zu bleiben?"
Alonso: "Eigentlich nicht, weil ich immer in Führung lag! Die Strategie hat funktioniert - und weil das Safety-Car so oft draußen war, stellte sich die Frage nie, ob man nun reinkommen soll oder nicht. Das war immer ganz klar. Dank unseres Vorsprungs durften wir einfach keine groben Fehler machen. Es fiel mir viel schwerer, die Konzentration beizubehalten, denn ich musste zu Beginn voll attackieren und hatte schon 20 Sekunden Vorsprung, was mir durch das Safety-Car weggenommen wurde. Jeder erarbeitete Vorsprung ging auf diese Weise flöten. Trotzdem war es ein gutes Rennen. Zum Glück konnte ich den Motor schonen, damit er für Imola frisch ist, so dass ich dort wieder ein gutes Resultat holen kann. Das war gut für uns."

Frage: "Hattest du nach den Safety-Car-Phasen Schwierigkeiten mit der Reifentemperatur?"
Alonso: "Ja, sehr, aber ich wärmte die Reifen im Rennen wahnsinnig aggressiv auf. In der ersten Runde, als ich Jenson überholt habe, war das sicher mit ein Grund. Jenson hat seine Reifen nicht genug aufgewärmt, daher war ich beim Restart besser gerüstet. Bei den nächsten Restarts war es nicht anders."

Spezielle Technik beim Anwärmen der Reifen

"Wenn ich andere Fahrer vor mir sehe, dann machen die das anders." Fernando Alonso

Frage: "Beim Aufwärmen der Reifen blockierst du die Räder fast, dann steigst du aufs Gas und lässt sie durchdrehen. Hast du da eine spezielle Technik?"
Alonso: "Wir wärmen bei Renault die Reifen schon immer anders auf, speziell auf den Runden aus der Box heraus und vor dem Start. Wenn ich andere Fahrer vor mir sehe, dann machen die das anders. Vielleicht haben sie eine andere Traktionskontrolle oder so. Wir müssen das Auto stark herumreißen, um es zum driften zu bringen, und das unterscheidet uns von anderen. So, wie ich es heute gemacht habe, kann man alle vier Reifen auf einmal aufwärmen."

Frage: "Wie war das Überholmanöver gegen Jenson Button?"
Alonso: "Naja, er dürfte kalte Reifen gehabt haben und kam in der letzten Kurve etwas von der Linie ab. Ich war viel schneller, ging aber nicht vor der Ziellinie an ihm vorbei, so dass ich nur halb auf dem Gas stand, um neben ihm zu sein, und erst nach der Ziellinie konnte ich voll beschleunigen."

Frage: "Bis Runde 51 warst du sehr schnell unterwegs, aber dann hast du es ruhiger angehen lassen..."
Alonso: "Ja. Wir haben die Drehzahl heruntergeschraubt, aber selbst danach war das Auto noch extrem konkurrenzfähig, so dass ich den Abstand zu Kimi beibehalten konnte. Nur eine Runde lang attackierte ich, um die bestmögliche Zeit bei dieser Drehzahl herauszufinden - das war eine 1:26.2 oder so -, und dann hielt ich den Abstand so, dass ich fünf Runden vor Schluss fünf Sekunden hatte. Da bummelte ich nur noch durch die Gegend."

Frage: "Das Team hat dich angefunkt, dass du dich entspannen sollst. Wie hast du geantwortet?"
Alonso: "Nein, sie haben mir nur die Abstände durchgegeben. Nach jeder Runde haben sie mir gesagt: 'Noch fünf Runden, sieben Sekunden. Vier Runden, sechs Sekunden.' Und ich habe geantwortet: 'Macht euch keine Sorgen, ich gebe ja nicht mehr alles.'"

Känguru-Geste für die australischen Fans

Frage: "Was hatte es eigentlich mit deiner heutigen Pose auf sich? Und was hast du für den Rest der Saison noch auf Lager?"
Alonso: "Keine Ahnung. Ich werde jedes Rennen etwas anders machen, darum hoffe ich, dass ich noch oft gewinne. Heute wollte ich eigentlich wie ein Känguru aussehen - für die australischen Fans."

"Ich fühlte mich gestern und heute schon schneller als meine Rivalen." Fernando Alonso

Frage: "Um wie viel schneller ist der Renault im Vergleich zu den anderen Autos?"
Alonso: "Ich weiß es nicht. Ich fühlte mich gestern und heute schon schneller als meine Rivalen. Gestern hatte ich Verkehr im Qualifying, aber heute war es ein normales Rennen, in dem ich zu jeder Phase schneller war. Kimi hatte Probleme mit seinen Flügeln, daher wissen wir nicht genau, wie stark er unter normalen Bedingungen gewesen wäre, aber wir sind jedenfalls eines der Topteams und werden manchmal gegen Honda, manchmal gegen Ferrari und manchmal gegen McLaren fighten. Das Wichtigste ist, dass wir immer halbwegs mitmischen können."

Frage: "Im Vorjahr hattest du nach vier Rennen 36 Punkte. Kannst du das dieses Jahr noch übertreffen?"
Alonso: "Ich habe jetzt 28, also bräuchte ich einen Sieg in Imola, was extrem schwierig wird, aber wenn ich dieselbe Punkteanzahl wiederholen kann, wäre ich schon sehr froh. Das Wichtigste ist, dass wir konstant bleiben, immer auf das Podium fahren. Im Vorjahr stand ich 15 Mal auf dem Podium, glaube ich. Ich darf keine Fehler machen, muss professionelle Wochenenden abliefern und immer Punkte sammeln. Ob es zehn, acht oder vier sind, ist nicht entscheidend - alle Punkte zählen am Ende."

Frage: "Im Vorjahr war der Saisonauftakt ähnlich, aber dann hat McLaren-Mercedes sehr schnell aufgeholt. Fürchtest du, dass das nun wieder passieren könnte?"
Alonso: "Ja. Ich bin sicher, dass wir denselben Vorteil wie vor einem Jahr haben, aber er wird früher oder später dahin sein. Bis dahin müssen wir die Gelegenheiten nutzen, die sich uns bieten, wir müssen Rennen gewinnen. Wenn die anderen Teams dann gleich schnell oder schneller sind, müssen wir nur noch ans Ziel kommen und hundertprozentig zuverlässig bleiben. Damit treiben wir die anderen Teams an ihre Grenzen."