• 17.04.2003 22:30

Das große Interview mit Max Mosley

FIA-Präsident Max Mosley hat heute in Imola ausführlich alle Fragen, die die Formel 1 derzeit bewegen, detailliert beantwortet

(Motorsport-Total.com) - FIA-Präsident Max Mosley gab heute Nachmittag in Imola die lange erwartete Pressekonferenz zu verschiedenen Themen, die die Formel 1 momentan bewegen. Der Brite hat das Aufeinandertreffen mit einer Einführungsrede eröffnet und beantwortete anschließend die Fragen der Journalisten.

Titel-Bild zur News: Max Mosley

Max Mosley beantwortete heute geduldig die vielen Fragen der Journalisten

Max Mosley: "Was die Saison 2003 angeht, gibt es jetzt totale Übereinstimmung mit den Teams, dass wir mit den Regeln weitermachen werden, die zu Saisonbeginn erstmals angewendet und im letzten Oktober beschlossen wurden. Die einzigen kleinen Veränderungen, auf die wir uns heute verständigt haben, sind einerseits, dass die Ersatzautos in den Trainings verwendet werden dürfen, solange die Autos, die im Qualifying am Samstag und im Rennen am Sonntag gefahren werden, dieselben sind, sonst muss aus der Boxengasse gestartet werden, und dass ein Auto, bei dem der Motor gewechselt werden muss, auf den letzten Startplatz zurückversetzt wird, weil es sonst Diskussionen geben könnte, ob der Wechsel notwendig war oder nicht. Das sind aber nur kleine Details, Aufräumarbeiten sozusagen. Es ist so, dass die Teams den Parc Fermé nicht wollen und wir verstehen warum. Trotzdem werden die aktuellen Prozeduren weiterhin bleiben, es sei denn, die Teams kommen mit einem Vorschlag zu uns, der noch besser ist und sicherstellt, dass die Autos zwischen Qualifying und Rennen nicht verändert werden können. Das betrifft einerseits die Spritmenge und andererseits die Einstellmöglichkeiten der Fahrzeuge. Wenn es den Teams also gelingt, einen besseren Weg zu finden, dass daran über Nacht nichts verändert werden kann, als den Parc Fermé und die Aufpasser, dann sollen sie zu uns kommen, aber bis jetzt hatte noch niemand eine zündende Idee. Die Kontroversen sind nun ausgeräumt und die Saison wird wie bisher weitergehen. Ich hoffe natürlich, dass die Rennen so gut bleiben wie bisher, aber darauf haben wir keinen unmittelbaren Einfluss. Wir können nur die Bühne aufstellen, aber dann muss das Schauspiel folgen. Was die Zukunft angeht, stehen immer noch einige Themen zur Diskussion. Die Teams wollen noch einmal über die genaue Vorgehensweise der Ein-Motoren-Regel sprechen. Sie wollen auch die direktionale Telemetrie vom Auto zur Box beibehalten. Die meisten Teams wollen außerdem bei Startautomatik und Traktionskontrolle bleiben. Unsere Ansicht ist genau gegenteilig. Das Hauptproblem dabei ist, wie man sicherstellen kann, dass es keine Betrügereien gibt, und wir werden dafür in naher Zukunft ein Meeting einberufen, bei dem wir eine Einigung anstreben wollen, aber es ist klar, dass wir Startautomatik und Traktionskontrolle nach dem Beginn von 2004 lieber wieder verbieten würden. Abgesehen davon gibt es bis zu einem gewissen Grad standardisierte Komponenten. Wir werden uns mit den verschiedenen Details bezüglich des Chassis-Reglements beschäftigen und wir haben versichert, das Thema einheitlicher Heckflügel sehr genau unter die Lupe zu nehmen ? also einen zu bauen, zu untersuchen, zu testen. Insgesamt konnten beim heutigen Treffen gute Fortschritte erzielt werden und ich denke, dass wir uns in allen Punkten früher oder später einig werden. 2003 gibt es jedenfalls keine Probleme mehr, keine Argumente gegen uns. Das ist eine sehr kurze und vereinfachte Zusammenfassung dessen, was heute besprochen wurde."

Brasilien: Kein Zettel mit dem Rennergebnis

Frage: "Kommen wir zum letzten Rennen. Wer genau ist verantwortlich für die Zeitnahme und wie konnte es zu der Verwirrung kommen, zu der es gekommen ist?"
Mosley: "Die Prozeduren wurden nicht beachtet, um es vereinfacht auszudrücken. Die Regeln besagen ganz klar, dass der Zeitnehmer ein Blatt Papier mit dem Resultat darauf unterschreiben muss und er dafür die Verantwortung zu tragen hat. Das war schon so, als ich mit dem Rennfahren begonnen habe. Leider Gottes wird dies mit der modernen Elektronik nicht mehr ganz so ernst genommen und in Brasilien hat es so einen Zettel ganz einfach nicht gegeben, weshalb es zu dieser Verwirrung kommen konnte. Von jetzt an wird die festgelegte Prozedur wieder strikt befolgt, es wird also wieder einen offiziellen Zeitnehmer geben, der einen Zettel mit dem Resultat unterschreibt und dafür die Verantwortung trägt. Das kann nur noch verändert werden, wenn jemand bei der Rennleitung Protest einlegt. Das Problem war ganz einfach, dass sich alle auf das Ergebnis auf dem Monitor verlassen haben, aber es kein offizielles Resultat auf Papier gab."

Frage: "Wer ist verantwortlich für die Zeitnahme in der Formel 1?"
Mosley: "Das wird erledigt vom Formula One Management und dabei werden Technologien von TAG-Heuer verwendet. Mit der Technologie und den Instrumenten war aber alles okay, gefehlt hat nur das Einhalten der Prozeduren, die im Reglement festgehalten sind."

Einigung wird auch McLaren und Williams umstimmen

Frage: "Wenn sich jetzt alle Teams einig sind, haben McLaren und Williams dann angedeutet, dass sie ihre Drohung mit dem Schiedsgericht zurückziehen werden?"
Mosley: "Ich denke, dass das ganz von selbst kommen wird, wenn wir uns über die Vorgehensweise für 2004 und 2005 einig werden. Ich will fair zu diesen beiden Teams sein und möchte daher sagen, dass sie sicher keine Schwierigkeiten machen wollen, sondern eher eine Klarstellung verlangen, weil die Veränderungen relativ radikal und kurzfristig eingeführt wurden und werden. Gleichzeitig gibt es jetzt aber einen gewissen Konsens und sogar eine totale Einigkeit für die Saison 2003, weshalb ich glaube, dass wir uns auch für 2004 einigen können. Der Rest kommt dann ganz automatisch."

Frage: "Die Liste der erlaubten Arbeiten am Fahrzeug während der Parc-Fermé-Phase war in Brasilien schon sehr lang. Ist die FIA damit einverstanden, dass noch so viele Dinge verändert werden können?"
Mosley: "Ja, denn es gibt eine klare Liste, was gemacht werden darf. Wenn jemand aus speziellen Gründen Erlaubnis bekommt, Arbeiten außerhalb der Liste durchzuführen, dann weiß jeder darüber Bescheid. Das Interessante ist, dass es in Brasilien Motorwechsel gegeben hat, weshalb viele fragten, ob das gerechtfertigt sei. Daher haben wir jetzt beschlossen, dass ein Motorwechsel mit der Rückversetzung auf den letzten Startplatz einher geht. Einige der Spitzenteams sind damit natürlich nicht einverstanden und haben argumentiert, dass es die Formel 1 ist, dass sie den Sponsoren gegenüber eine Verantwortung zu tragen haben, aber wenn ab und an ein Spitzenfahrer von hinten losfahren muss, tut das dem Spektakel insgesamt ja sicher nicht schlecht."

GPWC: "Es sieht nicht nach einer Einigung aus"

Frage: "Kannst du einen Kommentar zur GPWC-Situation abgeben und erläutern, wie sich das alles auf die nächsten zwei bis drei Jahre auswirken wird?"
Mosley: "Wir haben ja die Pressemitteilung der GPWC gelesen und ich denke, dass die Situation zusammengefasst folgendermaßen ist: Ich habe bei solchen Pressekonferenzen wie heute immer gesagt, dass es ziemlich sicher zu einer Einigung kommen wird. Jetzt allerdings sieht es so aus, als hätte ich mich dabei geirrt. Wenn ich sage, es sieht nicht nach einer Einigung aus, dann meine ich damit die GPWC, Bernie (Ecclestone; Anm. d. Red.), die Banken, die verschiedenen Leute, die Teams und alle weiteren Beteiligten. Es wird Folgendes passieren: Laut Concorde Agreement müssen wir die Regeln für 2008 spätestens am 31. Dezember 2005 bekannt geben. Nach Ablauf des Concorde Agreements, was 2008 der Fall sein wird, haben wir volle Kontrolle über die Regelgebung in der Formel 1, aber wir müssen die Regeln für 2008 und danach schon am 31. Dezember 2005 oder früher festlegen. Wenn die Teams und die Hersteller ihre eigene Rennserie machen wollen, haben sie jedes Recht, das auch zu tun. Wir würden ihnen jede mögliche Hilfestellung leisten und von ihnen erwarten, dass sie ihr eigenes Reglement und ihre eigenen Arrangements treffen. Irgendwann bis Mitte 2007 müssten sie das Reglement bei uns einreichen und wenn es keine Sicherheitsbedenken geben sollte, spricht nichts dagegen, diese Serie zu genehmigen. Dann würde es die FIA Formel-1-Weltmeisterschaft geben, für die wir die Regeln 2005 bekannt geben würden, und eine zweite Rennserie der Hersteller, wie immer sie heißen würde, für die Mitte 2007 die Regeln und alles weitere stehen müsste. Ich bezweifle, dass die Teams und Fernsehanstalten hin- und herwechseln würden, um erst einmal abschätzen zu können, welche Serie attraktiver sein würde. Meines Erachtens ? und ich bin in dieser Angelegenheit völlig neutral ? ist das nicht der effektivste Weg, um eine Meisterschaft zu führen, aber so würde es wohl kommen. Prinzipiell ist es aber so, dass wir die Regeln für die Formel-1-Weltmeisterschaft bis Ende 2005 bekannt geben müssen."

FIA würde GPWC-Meisterschaft tolerieren

Frage: "Für den Sport ist es sicher nicht gut, zwei verschiedene Rennserien zu haben. Sollte die FIA nicht dafür sorgen, dass es nur eine Meisterschaft gibt?"
Mosley: "Naja, es würde ja auch nur eine FIA Formel-1-Weltmeisterschaft geben ? nämlich die, die es seit 1950 gibt und die von Leuten wie Fangio und so weiter gewonnen wurde. Aber nichts spricht dagegen, eine Konkurrenzserie auf die Beine zu stellen, und niemand würde die Hersteller davon abhalten. Wer dann schlussendlich in welcher Serie fahren würde, ist eine interessante Frage, denn es ist eine Sache, mehr Einfluss haben und bei den Regeln mitgestalten zu wollen, aber es ist eine andere, sich für oder gegen eine Meisterschaft entscheiden zu müssen. Bevor diese Entscheidungen getroffen werden, wird in den nächsten fünf Jahren noch eine Menge geschehen..."

Frage: "Aber habt ihr nicht die Verantwortung, den Sport zu schützen und eine zweite Serie zu vermeiden?"
Mosley: "Das glaube ich nicht. Wir sind ein Regulator, die Sporthoheit ? da ist es unsere Aufgabe, Motorsport in allen möglichen Formen zu unterstützen. Wenn jetzt zwei Gruppen daherkommen und mit ähnlichen Autos zwei rivalisierende Meisterschaften austragen wollen, dann wäre es falsch von uns, eine Serie der anderen vorzuziehen, weil das ja bedeuten würde, eine Serie wäre richtig und die andere nicht. Es wäre natürlich gegen jede kommerzielle Logik, aber die Leute sollen aus ihren eigenen Fehlern lernen, wenn man so will. Es liegt nicht an uns. Wir müssen nur sicherstellen, dass der Motorsport sicher, fair und geregelt abläuft. Das ist unsere Aufgabe und wenn jemand eine Konkurrenzserie machen will, kann er das tun. Ich glaube noch immer, dass wir uns bis 2008 einigen werden und dass es nie zu zwei Meisterschaften kommen wird, aber im Moment sind die Weichen schon in diese Richtung gestellt."

Unverantwortliches Verhalten von Michael Schumacher?

Frage: "Luca di Montezemolo war sehr verärgert darüber, dass noch ein gelber Traktor auf der Strecke war, als Michael Schumacher in Brasilien abgeflogen ist, weil Michael seinen Job macht und es zu einer Kollision hätte kommen können. Was sagst du dazu?"
Mosley: "Zu dem Zeitpunkt wurden doppelte gelbe Flaggen geschwenkt und das bedeutet, dass der Fahrer abbremsen und nötigenfalls stehen bleiben muss. Es ist eigentlich unvorstellbar, dass ein Fahrer bei doppelten geschwenkten Flaggen abfliegt, weil der Sinn dieses Signals ist, dass die Geschwindigkeit so verlangsamt wird, dass es nicht einmal mehr das geringste Risiko eines Abflugs gibt. Männer und Maschinen arbeiten in der betroffenen Zone, das wird dadurch signalisiert, und wenn jemand abfliegt, stellt das ein ernsthaftes Risiko dar ? es könnte sogar ein Streckenposten getötet werden. Daher liegt es in der Verantwortung des Fahrers, bei so einem Flaggensignal die Geschwindigkeit so zu reduzieren, dass er sicher nicht in Probleme geraten wird. Ich weiß nicht, warum Michael Schumacher ausgerutscht ist, aber diese Frage wird ihm im Fahrerbriefing sicher Charlie Whiting stellen. Aber noch einmal, bei doppelt geschwenkten gelben Flaggen muss der Fahrer so sehr verlangsamen, dass nichts mehr passieren kann, weil sonst ein enormes Sicherheitsrisiko besteht."

Regenreifen-Thema wurde mit Teams besprochen

Frage: "Wie sieht es mit der Forderung nach einem zweiten Regenreifen aus?"
Mosley: "Die Regeln besagen, dass jedes Team nur einen Regenreifen verwenden darf. Diese Regel haben die Teams selbst gefordert. Ein Teamchef hat den Vorschlag gemacht, alle anderen Teamchefs haben zugestimmt. Ein oder zwei Journalisten haben dann behauptet, es seine eine FIA-Regel und zwar keine sehr kluge. Das ist nicht der Fall. Sinn der Sache ist aber die Kostenreduktion und die wird damit auf zwei verschiedene Arten erreicht. Reduziert wird die Anzahl der Felgen, Reifen, Reifenwärmer ? generell die Fracht, die die Teams transportieren müssen. Außerdem sinkt der Testaufwand, der für Regenreifen betrieben werden muss, was für Teams und Reifenhersteller wirtschaftlich Sinn macht. Unausgesprochen wurde angenommen, dass man mit einem waschechten Regenreifen zu den Wochenenden kommen sollte, nicht mit einem Intermediate. In Brasilien gab es jedoch einige Teams, die keinen Regenreifen, sondern einen Intermediate dabei hatten. Jeder, der zu dieser Jahreszeit schon einmal in Brasilien gewesen ist, weiß, dass es dort ordentlich gießt, wenn es schon einmal regnet, also halte ich die Entscheidung zu Gunsten der Intermediates für äußerst unverantwortlich. Einer der Teamchefs hat mir einen Brief geschrieben und mir vorgeworfen, das wäre so, als müsste man auf einem nassen Feld mit Tennisschuhen Fußball spielen. Ich habe ihm zurückgeschrieben, dass die Mannschaften ihre Schuhe aussuchen, nicht die UEFA oder die FIFA. Wir haben nichts zu den Reifen vorgeschrieben ? die haben die Teams alleine ausgesucht. Die Teams und die Reifenhersteller haben sich auf die Intermediates verständigt und ich finde es schon eigenartig, dass jemand, der behauptet, er kümmere sich um Sicherheit, so eine Entscheidung treffen kann, solche Reifen nach Brasilien mitzubringen."

Alonso könnte für Brasilien bestraft werden

Frage: "Jacques Villeneuve wurde vor ein paar Jahren bestraft, weil er in Suzuka gelbe Flaggen ignoriert hat. Alonso hat dasselbe in Brasilien zweimal gemacht. Muss er auch mit Sanktionen rechnen?"
Mosley: "Die Stewards in Brasilien wollten mit Alonso nach dem Rennen über diese Vorfälle sprechen, aber er war leider im Krankenhaus und konnte nicht vernommen werden, weshalb alles andere als eine Geldstrafe nicht angebracht gewesen wäre. Jedoch gibt es einen Bericht des zuständigen FIA-Beobachters, aber ich möchte da nichts vorwegnehmen. Klar ist, dass etwas falsch gelaufen ist und wir uns darum kümmern werden."

Frage: "Ferrari war in Brasilien unglücklich darüber, dass am Sonntagmorgen nachträglich erlaubt wurde, auf ein Setup für Regen umzubauen. Wurde dieses Thema heute auch angeschnitten?"
Mosley: "In Brasilien war es so, dass einige Teams auf Regen spekuliert hatten und danach auch ihr Setup ausgerichtet haben, aber dann haben wir aus Sicherheitsgründen beschlossen, es sollte allen nachträglich erlaubt werden, einige Einstellungen zu verändern. Das ist natürlich nicht fair dem gegenüber, der das Risiko mit der Abstimmung eingegangen ist, weil der Vorteil damit dahin war. Also wurde einstimmig entschieden, dass man aus der Boxengasse starten muss, wenn man das Setup künftig nachträglich verändern möchte."

Regeln werden 2003 nicht mehr verändert

Frage: "Hat eines der Teams um ein Abschaffen des Nachtankverbots gebeten und bedeutet das heutige Treffen also endgültig, dass es 2003 bei den derzeitigen Regeln bleiben wird?"
Mosley: "Es wird zwischen jetzt und dem Ende der Saison keine weiteren Änderungen geben. Von den Teams hat interessanterweise niemand darum gebeten, zum Qualifying mit leerem Tank zurückzukehren. Es gab aber unterschiedliche Ansichten. Sie hatten vor dem Meeting mit uns am Vormittag selbst ein kurzes Treffen und dabei haben sich wohl schon ein paar gegen das Nachtankverbot ausgesprochen, aber es wurde dann anscheinend eine einheitliche Linie gefunden. Unterm Strich haben alle Gefallen an diesem System gefunden und am wichtigsten ist ja, dass der Abstand zwischen den verschiedenen Autos dadurch kleiner geworden ist. Letztes Jahr in Brasilien hatten wir acht Autos innerhalb einer Sekunde, dieses Jahr waren es 16. Sie wollen in der Startaufstellung so weit wie möglich vorne stehen, aber gleichzeitig noch ausreichend Sprit für eine gute Anfangsphase im Rennen haben. Das ist besser, weil man jetzt mit dem Auto das Qualifying bestreiten muss, mit dem man auch im Rennen fahren wird. Man könnte hier Tag und Nacht sitzen und noch immer nicht wissen, welche Strategie denn nun richtig ist. Das hat für den Rest der Saison eine sehr positive Atmosphäre geschaffen."

Frage: "Kommen wir noch einmal zu den Reifen. Kann die FIA eingreifen und eine spezielle Profiltiefe vorschreiben, um die Sicherheit zu gewährleisten?"
Mosley: "Leider Gottes sind uns da die Hände gebunden. Die einzige Sache, die wir machen können ? und selbst dazu brauchen wir die Formel-1-Kommission ?, betrifft die passive Sicherheit des Fahrers im Auto. Wir haben den Teams daher gesagt, dass sie Ausstattung mitbringen sollen, mit der sie bei allen Bedingungen antreten können, schließlich ist das die Formel 1. Wenn das nicht passieren sollte, werden wir mit dem Regelbuch aufkreuzen, denn es ist nicht korrekt, wenn Material mitgebracht wird, von dem man weiß, dass man damit nicht fahren kann. Im Moment sagen die Teams, dass das nicht so ist, und ich muss ihnen beipflichten, dass das Safety-Car laut Charlie Whiting in Brasilien genau so eingesetzt worden ist wie bei jedem anderen Grand Prix mit Regenreifen. Wir haben den Vorschlag eingebracht, sich auf Monsunreifen zu einigen, weil es völlig inakzeptabel wäre, ein Rennen einmal nicht starten zu können, weil zu empfindliche Reifen eingepackt wurden. Als die Entscheidung gefällt wurde, einen einzigen Regenreifen mitbringen zu dürfen, war von einem Regenreifen die Rede, nicht von einem Intermediate. Das haben wir Schwarz auf Weiß. Die Regel sagt aber nichts aus über die Definition eines Intermediates. Das Problem ist uns bewusst und ich denke, die Reifenfirmen werden es aussortieren."

Anti-Gischt-Asphalt wird von der FIA forciert

Frage: "In Monza gibt es seit 1999 einen neuen Asphalt. Was kannst du dazu in diesem Zusammenhang sagen?"
Mosley: "Der soll das Bilden der Wasserschleier verhindern, wenn es regnet. Die große Gefahr bei Regen ist die schlechte Sicht. Jeder, der auf diesem neuartigen Asphalt schon einmal auf einer Autobahn hinter einem Lastwagen gefahren ist, wird den gewaltigen Unterschied merken. Wir wollen das daher forcieren. Gerade auf den Geraden ist das wichtig, denn wenn jemand überholen will, muss er nah ranfahren und gerät damit voll in die Gischt. In den Kurven ist es kein Thema, weil man da seitlich an der Gischt vorbeisieht. Wir ermutigen die Organisatoren zur Verwendung dieses Asphalts, wollen es aber nicht vorschreiben, weil er noch nicht hundertprozentig erprobt ist und wir nicht sicher wissen, ob er die Belastungen aushält. Aber wie gesagt, wir wollen das schon fördern, so gut es geht."

Frage: "Noch einmal zurück zu den Zwischenfällen in Brasilien. Es gibt Untersuchungen der Stewards zu den Vergehen von Schumacher und Alonso. Drohen jetzt nachträglich Konsequenzen?"
Mosley: "Es gibt keinen Bericht der Rennleitung, das einmal vorweg, sondern eines FIA-Beobachters, aber das macht eigentlich keinen Unterschied. Eigentlich wäre es auch keine rückwirkende Sanktion, weil es einen Bericht gibt und der muss untersucht werden und dann gegebenenfalls zu Maßnahmen führen. Dieser Prozess läuft noch. Wir können aber nicht ausschließen, dass es Strafen geben wird."

Strafen eher die Zukunft betreffend denkbar

Frage: "Könnte das Alonsos dritten Platz noch gefährden?"
Mosley: "Ich kann dazu nichts sagen, halte es aber persönlich für nicht wahrscheinlich. Wenn etwas passieren wird, dann wohl eher die Zukunft betreffend."

Frage: "Und Schumacher?"
Mosley: "Da gilt genau dasselbe."

Frage: "Es gibt noch so viele Dinge zu erledigen. Wirst du für eine weitere Amtszeit antreten?"
Mosley: "Dafür ist es jetzt noch zu früh. Ich glaube, wenn man so eine Position im Sport ausfüllt, wobei der Sport nur ein Teil der FIA ist, dann besteht die große Gefahr darin, zu lange im Amt zu bleiben. In verschiedenen Sportverbänden gibt es ein oder zwei Beispiele für solche Fälle. Diese Gefahr ist mir bewusst und ich werde wohl nur noch einmal antreten, wenn ich merke, dass eine Mehrheit das will ? und zwar nicht nur aus Höflichkeit. Aber darüber zu reden ist verfrüht, denn es stehen ja noch zweieinhalb Jahre aus. Ich schließe nichts aus, habe es aber immer so gesehen, dass man diesen Job solange machen kann, solange man noch Vater der Fahrer sein könnte, aber wenn man ihr Großvater sein könnte, sollte man aufhören. Dieser Zeitpunkt ist nicht mehr so fern."

Traktionskontrolle: Teams bleiben stur

Frage: "Mit welcher Begründung haben sich die Teams heute gegen das Verbot der Traktionskontrolle ausgesprochen?"
Mosley: "Zum Ersten brachten sie das Argument der Überwachung und der gegenseitigen Verdächtigungen, zum Zweiten sagten sie, jetzt haben sie diese Teile gekauft und auf einmal wollen wir sie ihnen wieder wegnehmen. Außerdem geht es um die Motoren, denn aus denen ohne Elektronik das Maximum herauszuholen, ist sehr schwierig. In Wahrheit ist der wichtigste Grund aber wahrscheinlich, dass die Top-Teams darin einen Vorteil für sich sehen, den sie nicht aufgeben wollen, was ich auch voll und ganz verstehe. Die Kehrseite der Medaille ist aber die, dass das Publikum weiß, es muss nur noch ein Knopf gedrückt werden und es wird derjenige den Start gewinnen, der die bessere Software hat. Der sticht dann auch in Monaco als Erster in die Sainte Devote. Das ist nicht das, was von den besten Fahrern der Welt erwartet wird. Ich habe dazu gesagt, es geht rein darum, was das Publikum will, denn die bezahlen schließlich, um die Rennen zu sehen. Das Publikum ist sicher gegen die Startautomatik und gegen die Traktionskontrolle und als wir das Datum für das Verbot von Silverstone auf 2004 verlegt haben, bekamen wir eine Unmenge an eMails, in denen wir beschuldigt wurden, den Kampf aufgegeben zu haben. Die Beobachter von außen überzeugen uns am meisten."

Mosley malt Szenario von zwei konkurrierenden Serien

Frage: "Warum bist du eigentlich auf einmal so pessimistisch hinsichtlich der GPWC?"
Mosley: "Ich glaube, dass es mit der GPWC vorangehen wird, weil alle Teams zu deren Meeting gekommen sind und unterschrieben haben und weil auch alle fünf Chefs der Automobilfirmen anwesend waren. Sie meinen es scheinbar ernst mit ihrer Konkurrenzserie und zweitens weiß ich, dass sie Bernie, wobei ich damit auch die Banken und alle anderen Beteiligten meine, ein Angebot gemacht haben, welches abgelehnt wurde, und Bernie hat umgekehrt ihnen ein Angebot gemacht, das auch abgelehnt wurde. Diese Verhandlungen dauern nun schon viele Monate, was darauf schließen lässt, dass es keine Einigung geben wird. Andererseits haben wir ja auch noch viel Zeit."

Frage: "Angenommen, es kommt zur GPWC-Meisterschaft und die Formel 1 bleibt bestehen, was wird dann passieren?"
Mosley: "Es würde sich als Trugschluss herausstellen, dass mit zwei Serien mehr Geld gemacht werden kann als mit einer. Es hängt aber auch davon ab, wer an welcher Meisterschaft teilnehmen würde. Es ist ja keinesfalls sicher, dass alle Teams, die das Memorandum der GPWC unterschrieben haben, automatisch auch in der GPWC-Meisterschaft antreten würden. Es ist auch nicht sicher, dass es all diese Teams 2008 noch geben wird und genauso steht nicht fest, dass alle GPWC-Hersteller 2008 noch Grand-Prix-Sport betreiben. Es gibt keine Garantien. Derjenige, der die kommerziellen Rechte an der Formel 1 hält, will natürlich die besten Voraussetzungen für die Formel 1 haben, und mit der GPWC verhält es sich nicht anders. Es wäre wie vor 30 Jahren, als die Sportwagenszene eigentlich glanzvoller und besser entwickelt war als die Formel 1, aber dann hat es sich genau gegenteilig entwickelt. Dieser Verlauf würde wohl davon abhängen, wer am meisten investieren würde."