Damon Hill: "Senna brauchte den Konflikt"
Ex-Weltmeister Damon Hill erinnert an seine Zeit in einem Team mit Ayrton Senna zurück und zieht einen Vergleich zwischen dem Brasilianer und Michael Schumacher
(Motorsport-Total.com) - Der 1. Mai 1994 wird allen Rennsportfans immer als schwarzer Tag in Erinnerung bleiben. Es war der Tag, an dem der legendäre Ayrton Senna tödlich verunglückte. Damon Hill war damals sein Teamkollege, und 20 Jahre später erinnert sich der Weltmeister von 1996 nun an seine gemeinsame Zeit mit dem Brasilianer zurück.

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Damon Hill für 1994 gemeinsam mit Ayrton Senna bis zu dessen Tod für Williams Zoom
"Für Ayrton war es sehr schwierig", erinnert sich Hill im 'Guardian' an die Saison 1994 zurück, als Senna zu seinem Williams-Team wechselte. "1993 hatte er in Donington etwas produziert, das er als das großartigste Rennen bezeichnete, dass je ein Rennfahrer gefahren war. Bei nassen Bedingungen ließ er alle anderen lächerlich aussehen. Da hatte er seinen Ruf als lebender Gott in einem Rennwagen unterstrichen."
"Und dann tauchte Schumacher auf. In Imola dachte Ayrton darüber nach, wer Michael Schumacher war. Und in gleichem Maße dachte er auch über seine eigene Karriere nach." Trieben diese Zweifel Senna, zu diesem Zeitpunkt bereits dreimaliger Weltmeister mit McLaren, möglicherweise zu einem Fahrfehler, der ihm an diesem Wochenende das Leben kostete?
Senna wollte Hill belehren
"Es gibt eine Menge Gründe, aber man darf nicht vergessen, dass Senna das Team verlassen hatte, dem er einen Großteil seiner Erfolge zu verdanken hatte", erklärt Hill und fügt hinzu: "Er musste sich in einem neuen Team eingewöhnen und hatte Probleme mit dem Setup des Autos. Und dann war da natürlich noch Michael Schumacher, dieser neue Kerl, der Kreise um ihn fuhr. Vielleicht hatte er da mit 34 das Gefühl, dass ihm alles aus den Händen glitt."

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Ayrton Senna gewann den WM-Titel 1990 durch eine Kollision mit Alain Prost Zoom
Laut Hill war sich Senna nie bewusst, welche Gefahren sein Fahrstil mit sich brachte. Er erinnert sich an eine Situation aus der Saison 1993 zurück: "Ich wurde in Ayrtons Motorhome gerufen, denn er war mit etwas, das ich in der ersten Runde des Rennens gemacht hatte, nicht einverstanden. Es war, als würde ich zum Schulleiter bestellt. Ich ging rein und war etwas frech, dabei hätte ich ihm eigentlich die Füße küssen sollen."
"Aber ich dachte mir: 'Das ist einfach zu gut: Senna erklärt mir, wie ich sicher fahren kann!' Ich erkannte die Ironie darin, auch wenn er das nicht konnte. Auf eine schlaue Art warnte er mich davor, dass das Rennfahren gefährlich war. Aber große Sportler wie Senna sind blind, wenn es um sie selbst geht. Sie glauben, dass nur sie das können, was sie tun."
"Schumacher hatte weniger Leidenschaft"
Michael Schumacher sei in dieser Hinsicht ähnlich gewesen, allerdings "war Michael sehr viel ruhiger, wenn es ums Fahren ging. Michael strahlte im Gegensatz zu Ayrton nicht diese Leidenschaft aus. Er ging sehr klinisch vor, aber er strotze vor Selbstvertrauen. Der Unterschied war, dass Ayrton den Konflikt brauchte, um in Schwung zu kommen - mit Alain Prost und sogar mit seinem eigenen Team."
Abseits der Strecke sei Senna jedoch über jeden Zweifel erhaben gewesen. "Er war zu Lebzeiten wirklich eine mythische Figur. Die Japaner und Brasilianer sahen einen Gott in ihm", sagt Hill und erklärt: "Niemand konnte seine Leidenschaft leugnen, und ich glaube wirklich, dass er die Welt zu einem besseren Ort machen wollte. Ayrton war in diesem Sinne ein Held, denn er hatte ein großes und tiefes Mitgefühl, und er bemühte sich immer seine Position bestmöglich zu nutzen, um Leuten zu helfen."
Im Jahr von Sennas Tod wurde Hill Vizeweltmeister und gewann sechs Rennen. Trotzdem fühlte er sich "unwohl, als ich von der 'BBC' zur Sportpersönlichkeit des Jahres gewählt wurde. Als Rennfahrer wollte ich ganz vorne sein, aber ich wurde in diese Situation hineingeworfen. Es war sehr unwahrscheinlich, dass ich Ayrton hätte in Schach halten können."
Verbesserte Sicherheit
Sennas Unfall bescherte der Formel 1 den bis heute letzten Todesfall. Dass beispielsweise Robert Kubicas Horrorunfall in Kanada 2007 vergleichsweise glimpflich endete, ist auch ein Resultat der stark verbesserten Sicherheit in der Königsklasse. Eine Entwicklung, in der Sennas Unfall eine wichtige Rolle spielte.
"Wir mussten uns der Frage stellen: 'Wie können wir diesen Sport rechtfertigen?'", erinnert sich Hill zurück und führt weiter aus: "Die Antwort war, dass wir das nicht konnten, außer wir würden die Sicherheit verbessern. Max Mosley (ehemaliger FIA-Präsident; Anm. d. Red.) und Sid Watkins (ehemaliger Chefarzt der FIA) haben sehr hart dafür gearbeitet, dass die Genialität der Formel-1-Technologie auch für die Sicherheit verwendet wurde."
Einige Fans sind der Meinung, dass die Formel 1 durch das geringere Risiko heutzutage auch an Faszination verloren habe. Hill winkt ab: "Der Sport kann stolz darauf sein, dass das Risiko jetzt mit anderen Augen gesehen wird." Viele Freunde seines Vaters Graham Hill, selbst zweifacher Formel-1-Weltmeister, hätten damals ihr Leben auf der Strecke verloren.
Der Tod fuhr immer mit
"Ich lernte von meinem Vater, wie man mit solchen Tragödien umgeht", erklärt Hill und ergänzt: "Der Tod von Roland (Ratzenberger, am gleichen Wochenende wie Senna verunglückt) und Ayrton traf die Leute so hart, weil sie so etwas noch nie erlebt hatten. Elio de Angelis war der letzte Fahrer, der gestorben war, und das war acht Jahre her."
"Aber für meine Mutter war das ein immer wiederkehrendes Ereignis - so schockierend und fürchterlich es auch war. Darin lag nichts heldenhaftes, so war der Sport nun einmal. Aber in Imola schien das gesamte Wochenende über all das, was schief gehen konnte, zusammenzukommen. Es herrschte eine Menge Angst und Beklemmung", so Hill.
Auch Senna selbst habe sich noch am Tag seines Todes mit diesem Thema beschäftigt. "Ayrton war unglaublich sensibel und stand in einem Konflikt. Ich glaube er wollte wissen, was das Leben bedeutete. Und der Tod ist ein Teil des Lebens. Unsere Leben standen auf dem Spiel, also wollte er wissen, was mit Roland passiert war. Darum war er so außergewöhnlich. Die meisten Fahrer sagen: 'Ich will mich nicht damit beschäftigen.' Aber Ayrton nahm seine Verantwortung sehr ernst."

