Coulthard: "Michael wendet die geschmacklosesten Taktiken an"

Der Schotte David Coulthard geht mit Michael Schumacher hart ins Gericht und fragt sich, ob die Entschuldigung ernst gemeint war

(Motorsport-Total.com) - David Coulthard steht dem Manöver von Michael Schumacher gegen Rubens Barrichello in Ungarn sehr kritisch gegenüber. Der Schotte und der Rekordweltmeister sind lange gegeneinander gefahren und waren oft in brenzlige Situationen verwickelt. Deshalb ist Coulthard von der Entschuldigung nicht überzeugt.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

David Coulthard kritisiert das unsportliche Verhalten von Michael Schumacher

"Ich bin mir nicht sicher, ob Michael auf Wunsch von Mercedes die Entschuldigung ausgesprochen hat, ihn die Montagszeitungen überrascht haben, oder ob es wirklich eine Gefühlsänderung im Herzen war", schreibt Coulthard in seinem Blog im 'Telegraph'. "Vielleicht müssen wir unsere Meinung über ihn ändern."#w1#

"Michael lag am Sonntag ganz klar falsch. Wie Rubens gesagt hat, man wählt eine Linie und bleibt dabei. Man lässt sich nicht kontinuierlich in die Richtung des Gegners tragen. Garantiert nicht, wenn er schon neben dir ist und auf der anderen Seite eine Mauer steht. Es besteht kein Zweifel daran, dass Michael großen Mist gebaut hat - Entschuldigung hin oder her."

"Es ist keine Übertreibung, dass eine Kollision bei dieser Geschwindigkeit tödlich enden kann. Wenn sich die Reifen berühren steigen Autos wie ein Flugzeug auf. Man liegt dann in den Händen von Gott", spricht Coulthard Situationen, wie Mark Webbers Unfall in Valencia, und vor kurzem Chris van der Drifts Crash in der Superleague Formula, an. "Der Kopf des Fahrers liegt frei. Wir haben bei Felipe Massa im vergangenen Jahr gesehen, dass es nicht viel braucht, um einen großen Schaden anzurichten."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Ungarn, Sonntag


"Der komplette Mangel an Reue liegt aber schwer im Magen. Diese Arroganz wurde toleriert, sogar entschuldigt, als er gewonnen hat. Es war Teil des Gesamtpakets", erinnert sich Coulthard. "Jetzt wird er regelmäßig von seinem Teamkollegen Nico Rosberg verblasen. Diese charakterlichen Fehltritte kann man nicht mehr reinwaschen. Die Rufe nach einem sofortigen Rücktritt waren bis zur Entschuldigung groß. Ich frage mich, ob sein Gewissen nun irgendeinen Unterschied macht."

"Ich erinnere mich an ein Gespräch mit ihm in Monza 1998. Es war das Rennen nachdem er mir in Spa-Francorchamps ins Heck geknallt war. Der Grand Prix, bei dem er wutentbrannt in meine McLaren-Box gelaufen kam und mich fragte, ob ich ihn umbringen will. Wir haben uns dann auf neutralem Boden in Bernie Ecclestones Catering-Zelt getroffen."

"Michael hat entschieden abgelehnt irgendeine Verantwortung für die Vorfälle in Belgien zu übernehmen. Ich habe ihn gefragt, ob er in seinem Leben schon irgendwann einmal etwas falsch gemacht hatte. Er antwortete mir: 'Ich kann mich an nichts erinnern.' Für mich beschreibt diese Geschichte genau sein fehlerhaftes Genie."

"Er ist ein wunderbarer Fahrer, aber ein Ausgestoßener aus der sportlichen Ruhmeshalle aufgrund seines unsportlichen Verhaltens. Die Geschichte auf dem Hungaroring ist die neueste Episode einer Reihe von taktlosen Vorfällen auf der Strecke. Adelaide 1994, Jerez 1997, Monaco 2006... Nicht nur, dass Michael die geschmacklosesten Taktiken, die man sich nur vorstellen kann, anwendet. Er entschuldigt sich hinterher gar nicht dafür, selbst wenn es klar falsch war - bis Montag."

"Wenn er bleiben will, dann werden solche Geschehnisse wie in Ungarn sein Vermächtnis schwer beschädigen." David Coulthard

"Können wir glauben, dass er sich geändert hat? Oder versucht er sich einfach nur gegen die Flut der Entrüstung zu stemmen?", fragt sich Coulthard. "Ich muss schon sagen, dass er in der letzten Zeit mehr Bescheidenheit an den Tag legt. Er lacht, ist geduldig und ist total offen über seinen Misserfolg. Mit seinen Leistungen auf der Strecke hatte er wahrscheinlich keine andere Wahl."

"Persönlich finde ich nicht, dass man ihn jetzt verjagen sollte. Er ist nicht der schlechteste Fahrer im Feld und wenn er denkt, dass noch eine große Schlagkraft in ihm steckt und es jemanden gibt, der ihn bezahlt, soll er weitermachen. Er kann sich seinen eigenen Kopf darüber zerbrechen, wie lange er noch dabei bleiben will."

"Aber er sollte gewarnt sein. Wenn er bleiben will, dann werden solche Geschehnisse wie in Ungarn sein Vermächtnis schwer beschädigen. Eine Entschuldigung war der Anfang, aber es ist noch ein langer Weg, bis er als wahrer Champion angesehen werden kann."