Chilton und Bianchi: Sensation in Winkelhock-Manier

Max Chilton und Jules Bianchi haben bei der Qualifikation in Spa für die ganz große Überraschung gesorgt und beide Autos in Q2 gebracht - Fortsetzung folgt?

(Motorsport-Total.com) - Es sind genau diese Momente, auf die du als Fahrer in einem Hinterbänkler-Team wartest. Man erinnere sich nur an Markus Winkelhock, der 2007 bei seinem einzigen Formel-1-Rennen am Nürburgring plötzlich führte, weil sein Spyker-Team die goldrichtige Entscheidung traf, ihn mit Regenreifen loszuschicken. Ein ähnlich goldenes Händchen hatten heute die Jungs bei Marussia. Zwar war heute in Belgien nur der Tag des Qualifyings, doch beide Fahrer in Q2 zu bringen, ist für das Team etwas Einmaliges bisher.

Titel-Bild zur News: Max Chilton

In der Marussia-Box gab es heute viele strahlende Gesichter zu sehen Zoom

"Wir sind das Risiko eingegangen, auf den Slicks zu bleiben", erzählt Jules Bianchi die Strategie des Teams. Das sollte sich am Ende als der richtige Schlüssel für Q2 erweisen. "Es war die richtige Entscheidung, darüber bin ich sehr glücklich", so der Franzose, der damit zum ersten Mal in seiner Formel-1-Karriere den ersten Qualifying-Abschnitt überstanden hatte. Auf dem verregneten Kurs von Spa-Francorchamps setzte so langsam die Trocknungsphase ein, als man beim Team aus Banbury die zündende Idee hatte.

"Sieben Minuten vor dem Ende haben wir entschieden auf Slicks zu gehen", schildert Bianchi. "Dann war es ein wenig zu nass, also hat mir das Team gesagt, ich solle wieder in die Box kommen, aber auch, dass es vielleicht besser sei, noch draußen zu bleiben." Bianchi entschied sich für draußen bleiben. "Es war die richtige Entscheidung. Es war riskant, weil der erste Sektor komplett nass war, genau wie die Kurven fünf, sechs und sieben. Es war sehr gefährlich."

Genug Zeit für den Trockner

Genau diese Einschätzung wäre seinem Teamkollegen Max Chilton beinahe zum Verhängnis geworden. "Als ich mit Slicks auf der Outlap war, habe ich gesagt: 'Jungs, es ist zu nass. Lasst uns reinkommen'", erinnert sich der Brite. "Jeder war bereit, und als ich kurz vor der Boxeneinfahrt war, habe ich mich umentschieden." Dabei sei ihm dieser Gedanke spontan gekommen. Bei seinem Renningenieur hat er auf der trockenen Gegengeraden nachgefragt, wie viel Zeit noch auf der Uhr sei.


Fotos: Marussia, Großer Preis von Belgien, Samstag


"Wenn es 1,5 Minuten gewesen wäre, wäre ich reingekommen und hätte eine Runde auf Intermediates gedreht. Aber da es noch vier Minuten waren, war es genug Zeit, um noch eine Runde zu fahren und dann zu pushen", so Chilton. "In Spa sollte es genug Zeit zum Abtrocknen sein. Ich habe in der ersten Runde aufgepasst, dass ich dann freie Bahn habe, und es hat funktioniert." Dabei muss der Rookie noch ein Lob an sein Team aussprechen: "Das Team meinte, es sei unsere Entscheidung, zurück auf Regenreifen zu gehen. Es ist schön, die Unterstützung vom Team zu haben, die Entscheidung selbst treffen zu können"

Und wenn man bei einem verregneten Qualifying nicht auf einen britischen Fahrer hört, auf wen dann? "Britische Fahrer sind an das Wetter gewöhnt", zwinkert Chilton. Caterham konnte hingegen nicht auf die Aussagen eines britischen Fahrers vertrauen. "In diesen Bedingungen sind die Entscheidungen der Schlüssel. Und ich denke, ein Caterham hat sich falsch entschieden." Doch nachdem Marussia diesen Erfolg feiern konnte, musste in Q2 wieder business as usual erfolgen.

Beten für den Regengott

Wie erwartet setzte das Team dann auch wieder die beiden langsamsten Zeiten. Dabei wäre noch etwas drin gewesen, glaubt Bianchi: "Meine Runde in Q2 war gut, aber ich habe nur eine Runde gedreht", beschreibt er das Problem. "Mein Teamkollege ist zwei Runden gefahren und hat sich im zweiten Umlauf massiv verbessert - van der Garde ebenso. Es wäre besser gewesen, zwei Runden zu fahren."

Jules Bianchi

Die Eau Rouge mit Slicks bei feuchten Bedingungen zu durchfahren, ist knifflig Zoom

Doch am Ende war man natürlich trotzdem äußert erfreut über das Erfolgserlebnis. "Wir sind glücklich mit dem, was das Team erreicht hat", sagt Bianchi und findet Zustimmung beim Teamkollegen. "Ich bin unglaublich glücklich für das Team. Es ist schon lange her, seit sie das letzte Mal in Q2 waren - und damals war es nur ein Auto", so Chilton. "Es ist ein guter Anstoß für das Team und auch für mich, dass ich meine Pace unter schwierigen Bedingungen zeigen konnte."

Natürlich hofft man in Banbury, dass sich das Wetter auch morgen von seiner schlechten Seite zeigt. Nur dann hat man Chancen auf ein ähnlich gutes Resultat. "Wir wissen, dass es schwierig wird, weil die Autos hinter uns normalerweise schneller sind", weiß Bianchi. "Es wäre gut, schwierige Bedingungen zu haben - selbst, wenn es auch gefährlicher für uns ist. Es macht das Rennen für alle schwieriger." Vielleicht kann ja auch ein ähnlicher Husarenritt im Stile Winkelhocks geschafft werden - dann hoffentlich mit besserem Ausgang.