"Charakterbildend": Mercedes in Singapur schwer geschlagen

Nico Rosberg verpasst beim Grand Prix von Singapur einen Podestplatz, während WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton seinen ersten Ausfall seit Belgien 2014 verbucht

(Motorsport-Total.com) - Mercedes will das Singapur-Wochenende so schnell wie möglich vergessen. Nachdem sich Lewis Hamilton und Nico Rosberg schon am Freitag und Samstag extrem schwertaten, das Tempo von Ferrari und Red Bull mitzugehen, war für die Silberpfeile auch im Rennen nicht viel zu holen. Zwölf WM-Punkte für Platz vier von Rosberg sind die einzige Ausbeute. Derweil verbuchte Hamilton seinen ersten Ausfall seit über einem Jahr.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Mehr als Platz vier für Nico Rosberg war für Mercedes in Singapur nicht zu holen Zoom

Von den Startplätzen fünf und sechs hinter beiden Ferrari und beiden Red Bull ins Rennen gegangen, kamen sowohl Hamilton als auch Rosberg früh an Daniil Kwjat vorbei, weil dieser in Runde 13 zum ersten Boxenstopp abbog. Das Mercedes-Duo stoppte in Runde 14 während einer virtuellen Safety-Car-Phase, die durch die Kollision zwischen Felipe Massa (William) und Nico Hülkenberg (Force India) herausgebracht wurde. Kurz darauf kam tatsächlich das Safety-Car heraus, doch Spitzenreiter Sebastian Vettel und dessen Verfolger Daniel Ricciardo und Kimi Räikkönen stoppten ebenfalls bereits während der virtuellen Safety-Car-Phase.

Doch während sich die Piloten von Ferrari und Red Bull beim ersten Boxenstopp neue Supersoft-Reifen abholten, setzten Hamilton und Rosberg auf die härtere Soft-Mischung. Hamilton rechnete sich aufgrund dieses strategischen Kniffs gute Chancen aus, im weiteren Rennverlauf nach vorn zu kommen. Mit Supersofts in der Schlussphase - so die Theorie - hätte er eigener Aussage zufolge den Soft-bereiften Ferrari und Red Bull Paroli bieten können. Doch es kam anders.

Hamilton beklagt ersten Ausfall seit über einem Jahr

Lewis Hamilton

Hamilton stellte seinen Mercedes ab und hat Punkte auf Rosberg und Vettel eingebüßt Zoom

In der 26. von 61 Runden beklagte Hamilton plötzlich Leistungsverlust. Der Brite musste zunächst Rosberg und Kwjat und wenig später weitere Fahrer kampflos passieren lassen. Als mehrere Reset-Versuche das Problem nicht beheben konnte, stellte Hamilton seinen Silberpfeil in Runde 33 schließlich ab und verbuchte damit den ersten Ausfall seit der Kollision mit Teamkollege Rosberg beim Grand Prix von Belgien 2014 in Spa-Francorchamps.

"Ich habe plötzlich Leistung verloren", so Hamilton, der sich ärgert: "Das Fahrgefühl war bis dahin aber fantastisch. Ich war sehr zufrieden und habe mich wohl gefühlt. Auch der Speed war da. Ich hatte heute das Potenzial, das Rennen zu gewinnen. Ich war richtig optimistisch, denn die Jungs vor uns waren auf dem Option-Reifen unterwegs, während wir schon den Prime drauf hatten. Das Tempo konnte ich gut mithalten. Die Balance war gut. Ich wartete nur auf den Moment, um anzugreifen. Doch leider kam dieser Moment nicht. Stattdessen hatte ich Leistungsverlust. Ich dachte noch, dass sich das Problem schnell beheben lassen würde, aber dem war nicht so."

Rosbergs K(r)ampf mit den Soft-Reifen

Indes konnte der im Rennen verbliebene Mercedes-Pilot Rosberg auch von einer zweiten Safety-Car-Phase nicht profitieren. Diese kam in Runde 37 heraus, weil zwischen den Kurven 13 und 14 ein Fan entgegen der Fahrtrichtung auf der Strecke spazierte. "Für mich kam er genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich sage nicht, dass der Kerl auf der Strecke eine perfekte Situation war, aber für mich war es der perfekte Zeitpunkt", sagt Rosberg, der dadurch wieder Anschluss an das Führungstrio Vettel/Ricciardo/Räikkönen fand.

"Nach dem ersten Boxenstopp habe ich mich sehr wohl gefühlt, aber dann hat der harte Reifen sehr stark abgebaut. Das war ganz komisch." Nico Rosberg

Allerdings ging der ursprüngliche Plan von Mercedes, den letzten Stint mit den Supersoft-Reifen zu absolvieren, nicht auf. Weil zum Zeitpunkt, als das Safety-Car zum zweiten Mal herauskam, noch 24 Runden zu fahren waren, musste Rosberg beim letzten Stopp genau wie die Spitze die Soft-Reifen montieren lassen. Die Supersofts hätten die Distanz nicht geschafft. Mit den Softs tat sich Rosberg schwer, wie er bekennt: "Nach dem ersten Boxenstopp habe ich mich sehr wohl gefühlt, aber dann hat der harte Reifen sehr stark abgebaut. Das war ganz komisch."

Doch die Probleme hatten für den WM-Zweiten schon vor dem Start angefangen. Auf dem Weg in die Runde in die Startaufstellung starb ihm mehrmals der Motor ab. "Das war ein großer Schreck. Ich musste mein Prozedere ändern, was ich für den Start schon 150 mal geübt habe. Wenn ich das ganz normal gemacht habe, ist immer wieder der Motor ausgegangen. Es gab da irgendein Problem", rätselt Rosberg und kann aus den zwölf WM-Punkten für Platz vier und der damit verbundenen Verkürzung seines Rückstands auf Hamilton keinen Trost ziehen: "Überwiegend ist die Enttäuschung, dass wir als Team so schlecht dastanden und unser Auto nicht top war." Zum zweiten Mal nach dem Grand Prix von Ungarn fand eine 2015er-Siegerehrung ohne einen Mercedes-Piloten statt.

Lag WM-Spitzenreiter Hamilton vor dem Singapur-Grand-Prix 53 Punkte vor Rosberg und 74 vor Vettel, so hat er nach seinem Ausfall beim gleichzeitigen vierten Platz von Rosberg und dem Sieg von Vettel nun nur noch 41 beziehungsweise 49 Punkte Vorsprung (Formel 1 2015: aktueller WM-Stand).

So fällt auch die Bilanz von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ernüchternd aus. "Das ganze Wochenende war charakterbildend. Wir wussten, dass das irgendwann einmal passiert", sagt Wolff gegenüber 'ORF' und führt an: "Ferrari war an diesem Wochenende nicht zu schlagen. Platz eins und drei ist ein verdientes Resultat. Sie sind jetzt sowohl in der Fahrer- als auch in der Konstrukteurs-WM ein Gegner. Mit denen muss man rechnen. Jetzt müssen wir halt in einer Woche zurückschlagen."

Hamilton, der einen beträchtlichen Teil seines Punktevorsprungs eingebüßt hat, schließt mit den Worten: "Insgesamt lief an diesem Wochenende einiges für uns nicht nach Plan. Ich habe heute viele Punkte verloren. Das setzt meinem Lauf, den ich in der Weltmeisterschaft hatte, natürlich ein Ende. Es ist aber noch ein langer Weg."