Hamilton gewinnt beim Regenroulette in Monaco

Monaco at its Best: Lewis Hamilton übernimmt im Chaos die WM-Führung, gewinnt vor Kubica und Massa - Adrian Sutil der tragische Held

(Motorsport-Total.com) - Märchen, Mythen, Monte Carlo - dass diese Worte im Fürstentum an der Côte d'Azur auch im sterilen Computerzeitalter der Formel 1 keine Gültigkeit verlieren, das wurde heute mit einem unglaublich packenden, aufregenden und vor allem chaotischen Grand Prix bewiesen. Und am Ende gab es einen verdienten Sieger: Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes)!

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton sicherte sich mit einem Jahr Verspätung den Sieg in Monaco

Der Brite, der damit das nachholte, was ihm 2007 wegen eines vom Team auferlegten Nichtangriffspakts noch versagt geblieben war, leistete sich bei schwierigsten Bedingungen zwar auch einen Fehler, konnte diesen aber mit einer fantastischen Fahrt kompensieren. Zweiter wurde Robert Kubica (BMW Sauber F1 Team) vor Felipe Massa (Ferrari), der heute das Glück nicht auf seiner Seite hatte. Ferrari bleibt somit in Monaco seit 2001 sieglos.#w1#

Rennen voller Dramen

Aber der von 78 auf 76 Runden verkürzte Renntag hatte auch einen tragischen Helden: Adrian Sutil (Force-India-Ferrari) trumpfte im Regen ganz groß auf, ärgerte die komplette Weltelite und fuhr dem sensationellen vierten Platz entgegen, ehe er nach dem letzten Restart in der Hafenschikane völlig schuldlos abgeschossen wurde - ausgerechnet von Weltmeister Kimi Räikkönen (Ferrari), der sich damit aber auch selbst eliminierte und mit dem Verlust der WM-Führung bestraft wurde.

Gestartet wurde überwiegend auf Intermediates, womit von Anfang an klar war, dass es jede Menge Chaos geben könnte. Polesetter Massa kam gut weg und verteidigte seine Führung, aber dahinter ging Hamilton an Räikkönen vorbei. Wie durch ein Wunder schlängelte sich das 19 Auto starke Feld sauber durch die Sainte Devote - erst danach folgte Heikki Kovalainen (McLaren-Mercedes), denn der Finne blieb vor der Aufwärmrunde stehen und musste aus der Box starten.

Vorne setzten sich die Top 3 gleich in der ersten Runde von den von Kubica angeführten Verfolgern ab. Allerdings dauerte es nicht lange, bis die ersten Zwischenfälle passierten: Jenson Button (Honda) fuhr sich den Frontflügel an Nick Heidfeld (BMW Sauber F1 Team) ab, Nico Rosberg (Williams-Toyota) passierte das gleiche Missgeschick mit Fernando Alonso (Renault) und Timo Glock (Toyota) beschädigte seine Front eingangs Start und Ziel.

Einmal schwacher, einmal starker Regen

Nach etwa fünf Runden begann es etwas stärker zu regnen, und Glock war bei seinem Reparaturstopp der Erste, der Full-Wets aufziehen ließ. Bei diesen sehr tückischen Bedingungen wuchs Massa an der Spitze - mit dem Vorteil der freien Sicht - über sich hinaus und fuhr allen anderen auf und davon, begünstigt durch einen Leitplankenkuss von Hamilton ausgangs der Tabakkurve. Hamilton musste das kaputte Hinterrad wechseln lassen, kam aber als Fünfter auf die Strecke zurück.

Dass der Brite nicht weiter zurückfiel, lag daran, dass sich das Feld im Regen zu Beginn unglaublich schnell auseinander zog. Wenig später musste dann auch Alonso ein Rad wechseln lassen, während in der achten Runde die halbe Red-Bull-Flotte eliminiert wurde: David Coulthard (Red-Bull-Ferrari) rutschte in Massenet wegen Aquaplanings nach außen - und wurde von Sébastien Bourdais (Toro-Rosso-Ferrari) gerammt, dem exakt das gleiche Missgeschick passierte!

Felipe Massa

Am Start konnte Felipe Massa seine Führung vor Lewis Hamilton verteidigen Zoom

Logischerweise musste zum ersten Mal das Safety-Car das Feld neutralisieren, wodurch Leute wie Hamilton und Alonso profitierten. Besonders wichtig für den späteren Rennverlauf: Hamilton hatte bei seinem Reparaturstopp nachgetankt und konnte daher später länger als seine direkten Konkurrenten um den Sieg draußen bleiben, was sich als rennentscheidend herausstellen sollte - sein Fehler bescherte ihm also eigentlich den Sieg!

Massa zu Beginn in Führung

Hinter dem Safety-Car führte Massa vor Räikkönen, Kubica, Hamilton und Heidfeld, der sich vom zwölften Startplatz mit seiner ganzen Routine Position um Position nach vorne mogelte. Aber auch Sutil lag zu jenem Zeitpunkt schon an zehnter Stelle, Tendenz nach vorne gehend. Der junge Deutsche machte keine Fehler und ging auch sehr dosiert und abgeklärt mit dem Gaspedal um, wie man bei den Cockpitaufnahmen hören konnte - die menschliche Traktionskontrolle...

Binnen kurzer Zeit schob sich dann plötzlich Kubica in Führung, denn erst fiel Räikkönen wegen einer Durchfahrstrafe zurück - entgegen des Reglements waren drei Minuten vor dem Start seine Reifen noch nicht montiert gewesen - und dann rutschte Leader Massa in der Sainte Devote nach außen. Kubica konnte seine Führung auch bis zu seinem Boxenstopp verteidigen, musste aber sieben Runden vor Massa nachtanken lassen.

In der 14. Runde war die Aufholjagd von "Quick Nick" - heute stimmte der Name wieder - Heidfeld beendet, als ihm Vorjahressieger Alonso mit Full-Wets in der Loews-Kurve von viel zu weit hinten in den Seitenkasten fuhr. Folgenschwerer Fehler: Heidfeld fuhr weiter, rollte dabei über den Frontflügel des Renault, den er damit verschrottete, und erlitt logischerweise ein paar Runden später einen Reifenschaden. Von da an spielte der Deutsche keine Rolle mehr.

Rosberg mit sensationellem Speed

Auch Rosberg hatte da schon zwei Reparaturstopps hinter sich - ein Wunder, dass seinem Team die Nasen nicht ausgegangen sind - und unterstrich, dass er heute unter Umständen sogar gewinnen hätte können, denn der Wahlmonegasse war bei seinem Heim-Grand-Prix über weite Strecken der klar schnellste Mann im Feld, als die Strecke noch nass war. Abgesehen von ein paar netten Überholmanövern konnte er aber nicht mehr groß aufzeigen.

In Runde 27 dann die nächste Ferrari-Panne, als Räikkönen bei Sainte Devote seinen Frontflügel auf den Autofriedhof schickte. Teamkollege Massa tankte indes in der 33. Runde für den Rest des Rennens auf - eine Entscheidung, die ihm den zweiten Platz kostete, wie sich später herausstellen sollte. Der Brasilianer kam nämlich vor Kubica auf die Strecke zurück, kam aber trotzdem hinter dem Polen ins Ziel, der mit seinem Rennbenzin nicht durchfahren konnte.

Nick Heidfeld und Fernando Alonso

Fernando Alonso zu optimistisch: Kollision mit Nick Heidfeld in Loews Zoom

Safety-Car-Phase brachte wieder Spannung

Durch die Stopps der beiden Führenden rutschte Hamilton nach vorne durch - und mit einem immer leichter werdenden Auto legte der McLaren-Mercedes-Pilot den Grundstein für den Sieg. Als er in der 54. Runde doch endlich nachtanken musste, waren Massa und Kubica längst keine Gegner mehr. Weil die Strecke in jener Phase auch noch abzutrocknen begann, musste Massa separat von Intermediates auf Trockenreifen wechseln - und plötzlich hatte Hamilton 40 Sekunden Vorsprung!

Damit war die Entscheidung vermeintlich gefallen, aber eben nur vermeintlich. Rosberg verschrottete nämlich mit einem spektakulären Crash in der Tabakkurve seinen Williams-Toyota und verursachte damit eine Safety-Car-Phase, die das Feld wieder zusammenstauchte. Hamilton nahm den letzten Rennabschnitt also mit Kubica, Massa, Sutil und Räikkönen im Windschatten in Angriff. Fürs Protokoll: Rosberg blieb unverletzt, musste aber zum Check ins Krankenhaus.

Nach dem Restart ließ Hamilton nichts mehr anbrennen - außerdem wurde die Distanz um zwei Runden verkürzt, weil die maximale Renndauer von zwei Stunden näher rückte. Auf der Ziellinie hatte der neue WM-Leader 3,0 Sekunden Vorsprung auf Kubica und 4,8 auf Massa. Die weiteren Punkteränge gingen etwas glücklich an Mark Webber (Red-Bull-Renault), Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari), Rubens Barrichello (Honda), Kazuki Nakajima (Williams-Toyota) und Kovalainen.

Bravo, Adrian!

Riesenpech hatte aber Sutil, der seinen vierten Platz beim Restart gegen Räikkönen verteidigen konnte und sich gerade auf ein beinhartes Duell mit dem Finnen einstellte, als der "Iceman" am Hafen ins Schlenkern kam, geradeaus dahinrutschte und dem Force-India-Ferrari von hinten einen Schubs gab. Räikkönen konnte nach einem Boxenstopp weiterfahren, hatte aber keine Chance mehr auf einen WM-Punkt und wurde Neunter. Später entschuldigte er sich bei Sutil.

Sutil schien zunächst weiterfahren zu können, musste dann aber auch die Box ansteuern und aufgeben. Der Deutsche konnte sein Pech nicht fassen, wollte zunächst gar nicht aussteigen und ließ seiner Enttäuschung auf einer Werkzeugkiste freien Lauf. Aber er war unbestritten der Mann des Rennens, nahm sogar den Werks-Ferraris phasenweise bis zu drei Sekunden pro Runde ab, als es noch nass war, und brachte damit alle Kritiker zum Verstummen.

Insgesamt sahen 14 von 20 gestarteten Autos die Zielflagge. Neben Sutil und Rosberg erwischte es auch noch Piquet Jr., der in der noch kritischen Phase - Renault wechselte als erstes Team auf Trockenreifen - in Sainte Devote crashte, Giancarlo Fisichella (Force-India-Ferrari) in seinem 200. Grand Prix sowie die beiden Red-Bull-Fahrer Coulthard und Bourdais. Heidfeld wurde nach verkorkstem Rennen entnervt Letzter - mit vier Runden Rückstand.

Nico Rosberg

Nico Rosberg entstieg nach seinem Crash fast unverletzt aus diesem Wrack Zoom

Ein Rennen voller Zwischenfälle

Es war das Rennen der Kollisionen, Berührungen und kaputten Frontflügel - alle paar Minuten kam wieder ein Fahrer an die Box, der eine neue Nase abholen musste. Das Geheimnis war also, geduldig zu bleiben. Das ging etwa für Glock nicht ganz auf, denn der Deutsche war zwar von der Pace her schnell unterwegs, rutschte aber einmal vor Mirabeau auf der nassen Spur in die Mauer und leistete sich noch weitere Patzer - Rang zwölf, immerhin vor Jarno Trulli (Toyota).

Nach der Zieldurchfahrt spielten sich dann bewegende Szenen ab, denn Hamilton freute sich über den Sieg beim wichtigsten Autorennen der Welt natürlich wie ein kleines Kind - und bekam den Siegerpokal von Fürst Albert von Monaco überreicht. Kubica und Massa wirkten nicht ganz so glücklich, Ron Dennis dafür schon: Seine Silberpfeile scheinen an der Côte d'Azur eine uneinnehmbare Bastion zu sein.

In der Fahrer-WM übernahm Hamilton (38 Punkte) wie bereits abgesprochen die Führung vor Räikkönen (35) und Massa (34). Kubica (32) liegt ebenfalls noch in Schlagdistanz, Heidfeld (20) muss hingegen schon ein wenig abreißen lassen. Bei den Konstrukteuren hat Ferrari (69) die Führung erfolgreich vor McLaren-Mercedes (53) und dem BMW Sauber F1 Team (52) verteidigt. Auf Platz vier liegt Williams (15).