Caterham: Neue Heimat, alte Ziele
Die Mannschaft von Tony Fernandes hat ein neues Technikzentrum bezogen und hofft in Spa auf Regen, um den Anschluss an das Mittelfeld zu schaffen
(Motorsport-Total.com) - Heikki Kovalainen und Witali Petrow sind mit Caterham nicht in das Mittelfeld der Formel 1 vorgestoßen und haben in der Saison 2012 noch keine WM-Punkte geholt. Dennoch sind der Finne und der Russe optimistisch, mit dem Umzug des Teams in ein neues Technikzentrum im britischen Leafield die Weichen für eine erfolgreichere Zukunft gestellt zu haben. "Das ganze Team fährt gut gelaunt nach Spa. Der Umzug ist erledigt und verlief ohne Probleme. Das versetzt uns in die Lage, in der zweiten Saisonhälfte zu kämpfen", blickt Petrow auf den anstehenden Grand Prix in Belgien.

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Regen als große Chance? Darauf hofft Caterham-Pilot Witali Petrow Zoom
Der Mann aus Viborg meint: "Wir mögen nicht erreicht haben, was wir uns vorgenommen hatten, aber wir nähern uns dem und mit Leafield haben wir alle Voraussetzungen, die Kluft zu den Autos vor uns zu überwinden." Auch Technikdirektor Mark Smith ist erleichtert: "Ich will jedem danken, der es möglich gemacht hat, den Umzug so reibungslos zu gestalten. Es war eine gewaltige Aufgabe, aber eine, die wir effizient, schnell und mit minimalen Probleme bewältigt haben", resümiert er.
Große Vorfreude auf Fahrerstrecke Spa
Seinen Dank richtet er an Caterhams Führungsetage: "Im Namen des gesamten Teams will ich auch Tony und Kamarudin (Fernandes und Meranun, Anm. d. Red.) für die Investition danken", sagt er und lobt die neue Einrichtung als zukunftsweisend: "Der Umzug nach Leafield versetzt uns in den Mittelpunkt der britischen Motorsportlandschaft und gibt uns eine Einrichtung, mit der wir in den kommenden Jahren wachsen können. Er gibt uns die Plattform, um Langzeitziele anzugehen."
Doch was heißt hier Langzeitziele? Petrow brennt auf die nächste Ausfahrt: "Die Pause war gut, aber ich kann es nicht erwarten, wieder Rennen zu fahren. Spa ist der perfekte Ort, schließlich gehört es zu den großartigen Strecke im Kalender" freut sich der 27-Jährige. "Es ist immer ein wirkliches Vergnügen, nach Belgien zurückzukehren. Den Fahrern bietet die Strecke eine der größten Herausforderungen der Saison. Mit einem Formel-1-Auto mit Vollgas dort zu fahren ist ein ganz besonderes Gefühl."
Spa böte alles, was das Rennfahrerherz verlange, meint Petrow: "Schnelle Kurven wie Blanchimont, wo man den Abtrieb das Auto auf die Strecke drücken fühlt. Höhenunterschiede, zum Beispiel in Eau Rouge, wo man das richtige Setup braucht, um am Eingang, mittendrin und am Ausgang der Kurve wirklich Druck zu machen." Der Russe ist sich der Historie der Strecke bewusst: "Sie ist sehr geschichtsträchtig: Es gibt so viele Geschichten vergangener Rennen und darüber, wie die Stelle früher war, als sie länger war. Es ist unmöglich, sie nicht als besonders zu bezeichnen."
Eau Rouge nicht mehr die Herausforderung von früher
Eine Runde in Spa - da läuft auch Kovalainen das Wasser im Mund zusammen, wenn er die Fans auf die 7,004 Kilometer mitnimmt. "Zu Spa gehört die Eau Rouge, vielleicht die berühmteste Kurve in der Formel 1. Es fühlt sich noch immer gut an, wenn man den Berg runter und die Kompression fühlt, wenn es wieder auf die Gerade geht. Aber ganz ehrlich: Es ist nicht mehr die Herausforderung vergangener Tage. Es geht ohne Probleme mit Vollgas und ist verglichen mit dem, was es war, als die Autos weniger Abtrieb hatten, ziemlich zahm."
Ihren gesamten Charme hat die gefährliche Bergauf-Passage nicht verloren, beruhigt Kovalainen: "Abgesehen davon muss man noch immer die Linie treffen. Wenn das gelingt und nahe genug am Vordermann dran ist, gibt es eine gute Möglichkeit, auf dem Weg nach Les Combes zu überholen", weiß der Finne. "Vor Eau Rouge stehst du für circa 20 Sekunden auf dem Gas. Es geht aus der Haarnadelkurve heraus und den Berg runter."
Kovalainen erklärt: "Ein guter Kurvenausgang in der Haarnadel macht maximale Geschwindigkeit in Eau Rouge und auf der ersten langen Geraden möglich - oder man verliert Zeit und Positionen im ersten Sektor. Dann geht es in die Kurven fünf, sechs und sieben, die im dritten Gang genommen werden und sehr viel Aggressivität zulassen. Dabei werden die Kerbs ausgenutzt und es geht weiter in die Rivage, die im ersten, am besten aber im zweiten Gang genommen wird."
Auch Blanchimont keine Mutprobe mehr
Dabei hat die Rivage ihre Tücken: "Sie ist innen leicht überhöht, die Autos werden also etwas von der Strecke gedrückt. So ist es schwierig, dort eine Attacke zu reiten", bemerkt Kovalainen. "Manchmal blockiert das rechte Vorderrad in dieser Kurve, weil die Autos kaum Grip haben und am Ausgang eine Bodenwelle wartet. Der Schlüssel ist es, soviel Geschwindigkeit wie möglich aus der Rivage und den Berg runter durch Kurve neun mitzunehmen."

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Heimat des Erfolges? Caterham hat ein neues Technikzentrum Zoom
"Dann geht es in Pouhon, eine weitere berühmte Kurve in Spa. Im Cockpit ist es eine Prüfung: Du kommst mit Vollgas rein, gehst etwas vom Gas, um dann gleich wieder auf das Pedal zu steigen. Der Eingang ist ziemlich eng, die Kurve öffnet sich jedoch zum Ausgang hin, sodass man ordentlich Geschwindigkeit transportieren und in die Kurven zwölf, 13 und 14 mitnehmen kann - die sind ziemlich ähnlich zu fünf, sechs und sieben", macht der Caterham-Pilot auf die Feinheiten aufmerksam.
Weiter geht die Fahrt in der Ardennen-Achterbahn: "Danach geht es in Kurve 15, so ziemlich die Talsohle, und zurück in Richtung Start- und Zielgerade. Kurve 17 ist Blanchimont, die dritte berühmte Kurve Spas und eine weitere, die wir heutzutage mit Vollgas nehmen. Wie Eau Rouge ist sie nicht mehr das, was sie vor einigen Jahren war, aber du musst noch immer das richtige Setup haben, um mit Vollgas rein- und rauszufahren sowie das Tempo durch die Schlussschikane zu tragen."
Spa und sein eigenes Mikroklima
Hier ist das Bremsen der Knackpunkt, wie Kovalainen erklärt: "Es geht darum, keine Zeit für die Anfahrt auf die erste Kurve zu verlieren." Die 7,004 Kilometer sind abgespult: "Das ist eine Runde in Spa. Es ist zu recht eines der großen Rennen und obwohl es mindestens das halbe Wochenende regnet, freut sich jeder darauf. Nach einer guten Pause und dem Umzug in unserer neues Zuhause in Leafield ist das ganze Team gespannt und wir können es kaum erwarten, zurück auf die Strecke zu kommen."
Besonders machen die belgische Piste aber nicht nur diese Kurven, sondern auch die Fans, findet Petrow: "Die Atmosphäre ist das ganze Wochenende über unglaublich. Es gibt Tausende Fans an der Strecke von Donnerstag bis Sonntag. Wie in Kanada, Japan und Großbritannien. Es ist eines von den Rennen, die wirklich beliebt sind. Für die Fans muss es wirklich cool sein, die Autos den Berg runter und in Eau Rouge fahren zu sehen", so der Russe.
Mickey-Mouse-Kurse? Nein, danke, denkt sich Petrow. "Es ist einer dieser wenigen Orte im Kalender, an denen die Autos am Limit arbeiten. Deshalb ist es so ein tolles Wochenende für jeden." Allerdings gilt es, einen guten Draht zum Wetterfrosch zu haben. "Eines der wichtigen Themen am ganzen Wochenende ist das Wetter. Es ist jedes Jahr identisch und wir wissen alle, was uns erwartet, aber es scheint fast ein einzigartiges Mikroklima um die Piste zu geben", wundert sich Petrow.
Regen ist eine Chance für Caterham
Das treibt zuweilen skurille Blüten: "Es kann auf der Ziellinie trocken sein in Kurve 14 wie aus Eimern schütten. Du darfst also keine Sekunde lang unkonzentriert sein, die Mechaniker und Ingenieure müssen das ganze Wochenende auf Zack sein, um sich auf die Bedingungen einzustellen. Mir gefällt es im Nassen, weil es ein Härtetest in Sachen Fahrzeugbeherrschung und fahrerischen Fähigkeiten ist. In Spa noch mehr als andernorts", erklärt er die Herausforderung.
In den Ardennen ist es eine Stufe schwieriger, mit den äußeren Bedingungen umzugehen als irgendwo anders in Europa, weiß Petrow, nennt knifflige Umstände aber auch eine willkommene Gelegenheit für eine im Trockenen unterlegene Caterham-Mannschaft: "Die Gischt scheint in der Luft zu hängen und die Sicht kann übel sein, wenn es regnet. Aber es für jeden das Gleiche und gibt uns die Chance, etwas Besonderes zu veranstalten, wenn die Jungs vor uns auch nur den kleinsten Fehler begehen."
Smith ist nach der Sommerpause vollkonzentriert: "Jetzt richtet sich unser Augenmerk auf Spa, Monza und den Rest der Saison. Natürlich konnten wir während der Pause im August nicht am Auto arbeiten, aber davor und danach haben wir uns einem leicht modifizierten Auspuff und einer Reihe aerodynamischer Updates wie den Lufteinlass-Schächten an den Bremsen gewidmet. Wie die meisten Teams werden wir in Spa mit mittlerem Abtrieb fahren, ganz ähnlich zu Kanada."
Neue Teile erst wieder in Singapur
Nach der Abreise aus Belgien wird dann umgebaut: "In Monza fahren wir dann mit ganz wenig Abtrieb", erläutert Smith. "In keinem der Rennen werden wir große Updates haben, aber in Singapur kommen einige neue Teile, die wir im Fernen Osten erstmals verwenden werden. Dann kommen aus der neuen Fabrik bis zum Saisonende ständig weitere Neuentwicklungen an die Strecken. "Während die Modernisierung in Leafield vielleicht das eine oder andere technische oder logistische Problem in unserem Zeitplan hervorruft", bemerkt Smith.
Doch Caterham will für alle Eventualitäten gerüstet sein: "Wir haben bereits Pläne, an solchen Problemen zu arbeiten. Wir sind bereit, bis zur letzten Runde der Saison zu fighten", lanciert er eine Kampfansage, die Kovalainen am liebsten schon an diesem Wochenende in die Tat umsetzen würde. "Spa ist ein legendärer Kurs, einer der großartigsten. Und es ist ein Rennen, auf das sich jeder freut", läuft dem 30-Jährigen das Wasser im Mund zusammen.
Kovalainen will die Tatsache, dass Mutkurven teilweise ihren Reiz verloren haben, relativieren: "Die Strecke hat sich im Laufe der Jahre verändert, sich aber ihre Charakteristiken bewahrt. Sie ist schnell, das Wetter macht sie fast immer zu einer wirklichen Herausforderung und die Fans sind eingefleischte Formel-1-Jünger - deshalb ist die Atmosphäre immer gut", lobt er die Ardennen-Achterbahn.

