• 20.09.2012 19:00

  • von Dieter Rencken

Button: "Ständig auf den WM-Stand schauen, bringt nichts"

Jenson Button spricht über die Titelchancen von McLaren in diesem Jahr, über einen möglichen neuen Teamkollegen und über die Herausforderung Singapur

(Motorsport-Total.com) - Durch seinen Ausfall beim Grand Prix von Italien verlor Jenson Button in der Gesamtwertung etwas den Anschluss an die Top 5. Aus diesem Grund will sich der McLaren-Pilot von nun an vor allem in den Dienst des Teams stellen.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Button freut sich auf das Nachtrennen in Singapur Zoom

In seiner Medienrunde am Donnerstag spricht Button über seine Erwartungen für das Rennwochenende in Singapur, über die speziellen Herausforderungen beim einzigen Nachtrennen der Saison, über seine WM-Chancen, über seinen möglichen neuen Teamkollegen und über den kürzlich verstorbenen ehemaligen Formel-1-Chefarzt Sid Watkins.

Frage: "Jenson, mit welchen Erwartungen gehst du in das Rennwochenende hier in Singapur?"
Jenson Button: "Der Kurs unterscheidet sich natürlich sehr stark von den zuletzt besuchten, aber unser Auto funktioniert hervorragend. In Hockenheim und vor allem in Ungarn, wo ebenfalls mit viel Abtrieb gefahren wurde, sahen wir sehr gut aus. Das lag in erster Linie an unserem Upgrade, das wir in Hockenheim erstmals einsetzten. Seither verstehen wir unser Auto viel besser als das noch zu Beginn der Saison der Fall war. Lediglich die Reifen verstehen wir noch immer nicht vollständig. Hier in Singapur beziehen wir die Randsteine sehr stark in die Linie ein. Was diesen Aspekt betrifft, so funktionierte unser Auto in Monza sehr gut. Ich sehe also keinen Grund, warum wir nicht auch hier absolut wettbewerbsfähig sein sollten. Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass Red Bull hier wieder zu alter Stärke zurückfinden wird."


Fotos: Großer Preis von Singapur, Pre-Events


Frage: "Worin besteht für dich die größte Herausforderung in Singapur?"
Button: "Ein Rennen, das zwei Stunden dauert, ist natürlich immer eine Herausforderung. Damit meine ich weniger die körperliche Belastung als vielmehr die mentale Belastung. Zwei Stunden lang auf einem Stadtkurs zu fahren, ist wirklich anstrengend. Du darfst dir nicht den geringsten Fehler erlauben."

Frage: "Du giltst als einer der fittesten Fahrer im Feld. Fühlst du dich für die Herausforderung Singapur gut vorbereitet?"
Button: "Ja. In Bezug auf die körperliche Beanspruchung sind die Hitze und das Fahren über die Randsteine die größten Faktoren. Die Hitze mag ich und auf den Randsteinen funktionierte unser Auto in Monza sehr gut. Hier haben wir es mit dem zeitlich längsten Rennen im gesamten Jahr zu tun. Ich bin schon seit Sonntag hier und habe ein paar Tage in anderen Teilen von Singapur verbracht. Ich war mit ein paar Einheimischen Radfahren. Das war eine tolle Sache. Ich fühlte mich wie zu Hause."

Frage: "Erwartest du hier viele Überholmanöver im Rennen?"
Button: "Nun, im vergangenen Jahr gab es einige Überholmanöver zu sehen. Das lag zum Teil an der DRS-Zone, die mit Sicherheit geholfen hat. Zum anderen lag es am Reifenverschleiß, der ebenfalls eine Rolle spielte. Es gibt hier durchaus ein paar gute Möglichkeiten, einen Gegner zu überholen. Gerade was die Top-Teams betrifft, erwarte ich in diesem Jahr einen höheren Reifenverschleiß als im vergangenen Jahr, weil durch den Wegfall des angeströmten Diffusors eine Menge Abtrieb und damit Grip verlorengegangen ist."

Frage: "Glaubst du, dass dem Qualifying hier eine größere Bedeutung zukommt als auf anderen Strecken in diesem Jahr?"
Button: "Anhand der Statistik wurden in diesem Jahr in der Tat die meisten Rennen von vorn gewonnen. Das ist schon ungewöhnlich. Ich hatte es eher so in Erinnerung, dass die Sieger in diesem Jahr von weit hinten im Feld kamen. Der Kurs hier in Singapur ist sicherlich nicht der einfachste, was das Überholen betrifft. Die erste Startreihe ist natürlich auch hier wieder unser Ziel. Es ist aber nicht so, dass wir uns hier mehr als anderswo auf das Qualifying konzentrieren würden."

Alonso nicht automatisch der WM-Favorit

Frage: "In der Fahrerweltmeisterschaft sieht es für dich nach dem Ausfall in Monza sehr schwierig aus. Wirst du dich jetzt darauf konzentrieren, dem Team zu helfen, die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft zu gewinnen?"
Button: "Ja, dieser Titel würde den Jungs in der Fabrik eine Menge bedeuten. Ich fahre erst im dritten Jahr für McLaren, aber die Jungs im Team warten schon eine ganze Weile auf einen Konstrukteurstitel. Wenn wir dieses Ziel in diesem Jahr gemeinsam erreichen könnten, wäre das eine großartige Sache. Der Großteil der Teammitglieder ist schon sehr lange dabei. Bei McLaren läuft es in der Regel so, dass man auf einer weniger gut bezahlten Stelle anfängt und sich dann im Laufe der Jahre nach oben dient. Dass McLaren Leute von außen ins Team holt, ist eher selten der Fall. Das macht die Stimmung im Team zu einer ganz besonderen. Ich bin mir sicher, dass der Konstrukteurstitel allen im Team eine Menge bedeuten würde."

Frage: "Wer ist für dich der WM-Favorit? Schaust du überhaupt auf solche Dinge oder konzentrierst du dich ausschließlich auf deinen Job bei McLaren?"
Button: "Natürlich konzentrieren wir uns in erster Linie darauf, überall so gut wie möglich abzuschneiden. Die zurückliegenden drei Rennen konnte McLaren allesamt gewinnen. Diesen Trend wollen wir fortsetzen. Es bringt nichts, ständig auf den WM-Stand zu schauen. Fernando mag zwar einen recht großen Vorsprung in der Tabelle haben, doch wenn sein Auto bei den anstehenden Rennen nicht gut genug ist, dann ist er nicht der WM-Favorit."

Frage: "Du setzt hier den siebten Motor im Verlauf der Saison ein. Der WM-Führende Fernando Alonso hat seinen sechsten Motor im Heck. Machst du dir Sorgen bezüglich der Haltbarkeit der Motoren?"
Button: "Das macht für mich keinen Unterschied. Wir haben unseren Plan für das gesamte Jahr und setzen bei bestimmten Rennen bestimmte Triebwerke ein. Solange es keinen Motorschaden gibt, ist alles im Lot. Bisher läuft für uns alles nach Plan."

Keine Ahnung, wer 2013 für McLaren fährt

Frage: "Glaubst du, dass Lewis Hamilton auch im kommenden Jahr noch dein Teamkollege sein wird?"
Button: "Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Du liest etwas in den Zeitungen und am nächsten Tag liest du etwas komplett anderes. Das gilt nicht nur für Lewis, sondern auch für andere Fahrer."

Frage: "Sergio Perez ist der neueste Name, der für die Saison 2013 bei McLaren gehandelt wird. Kannst du etwas über seine Chancen auf ein McLaren-Cockpit sagen?"
Button: "Ich liebe es, die Zeitungen und die Internetseiten nach diesen Meldungen zu durchstöbern. Ich weiß nicht, ob alles davon wahr ist, aber solche Meldungen zu lesen, macht immer wieder Spaß. Was Perez betrifft, so weiß ich nicht, wo er im kommenden Jahr fahren wird. Montezemolo meinte, für Ferrari sei er noch nicht bereit. Ich weiß nur, wo ich im kommenden Jahr fahren werde."

Frage: "Kümmert es dich, wer dein Teamkollege ist?"
Button: "Natürlich. Du willst nach Möglichkeit immer einen starken Teamkollegen haben. Das war letztlich der Grund, warum ich zu McLaren gewechselt habe. Wenn du an einem guten Tag vor deinem Teamkollegen liegst, der selbst schon Weltmeister war, dann ist das eine große Genugtuung. Andererseits ist es natürlich frustrierend wenn du von ihm geschlagen wirst. Dann respektierst du aber, dass er einen besseren Job erledigt hat. Einen konkurrenzfähigen Teamkollegen zu haben, ist für mich das Wichtigste überhaupt."

Frage: "Du warst gegen Ende der Saison 2009 ebenfalls in Vertragsgespräche verwickelt. War das damals eine Ablenkung für dich?"
Button: "Während ich im Auto saß, nicht. Das lag zum Großteil daran, dass die Gespräche erst nach Saisonende stattfanden. Unterm Strich ist so etwas meiner Meinung nach aber für keinen von uns eine große Ablenkung. Sobald wir im Auto sitzen, blenden wir alles andere komplett aus."

Frage: "Welchen Einfluss hatte der kürzlich verstorbene Sid Watkins deiner Meinung nach auf die Formel 1?"
Button: "Sein Einfluss und sein Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit waren natürlich enorm. Zudem war er eine sehr große Persönlichkeit. Jeder Sport braucht Persönlichkeiten. Sid gehörte ganz klar dazu. Ich erinnere mich an meinen Unfall in Monaco 2003. Ich saß bewusstlos im Auto. Als ich wieder zu mir kam, war Sid die erste Person, die ich wahrnahm. Ich sah sein Lächeln und fühlte mich sofort wohler. Er hat dem Sport viel gegeben, speziell uns Fahrern. Er wird schmerzlich vermisst."