• 13.07.2001 11:56

  • von Marcus Kollmann

Brawn: Wir arbeiten bereits am Auto für 2002

Ross Brawn über Rennstrategien, Silverstone, die Situation in der WM, BMW-Williams und die Weiterentwicklung des F2001

(Motorsport-Total.com) - Für Ross Brawn bedeutet der Große Preis von Großbritannien jedes Jahr etwas Besonderes, denn so bietet sich dem gebürtigen Engländer die Gelegenheit, immer an diesem Rennwochenende alte Freunde zu treffen, verbringt er doch die meiste Zeit in Maranello. So verwundert es auch nicht, dass der 46-Jährige das Rennen in Silverstone trotz britischer Wurzeln schon lange nicht mehr als Heim-Grand-Prix ansieht.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn (Technischer Direktor)

Brawn empfindet die Situation mit drei siegfähigen Teams als zuweilen schwierig

"Für mich sind die auf italienischem Boden zu absolvierenden Rennen die Heim-Grand-Prix. Aber Ferrari hat auch hier in England viele Fans, wenngleich die britischen Teams und Fahrer enorme Unterstützung bekommen", erklärt Brawn, der das typisch britische Wetter gelassen nimmt und mit einem Regenschirm auf einen plötzlichen Wolkenbruch vorbereitet wäre.

Die Situation in der Weltmeisterschaft zwischen McLaren und Ferrari ist für den "Meisterstrategen" geklärt, jedoch gibt es einige Fragen in punkto Leistungsfähigkeit und Beurteilung des Williams-Teams, welches in dieser Saison den Roten schon oftmals ziemlich zusetzte.

"Das Gesamtpaket von Williams zu bewerten fällt wirklich schwer, denn wir wissen nicht welchen Einfluss die Reifen haben, welche unbestritten eine große Rolle spielen. Der FW23 ist ganz sicher sehr konkurrenzfähig und in einigen Rennen war es für uns nur der Vorteil Michael im Team zu haben, welcher am Ende den Unterschied ausgemacht hat", unterstreicht Brawn die Gefährlichkeit von Frank Williams Rennstall.

Den Hauptunterschied, weshalb Ferrari in der Konstrukteurswertung 108 Punkte hat und BMW-Williams derer nur 43, schreibt der bis 2004 an die Scuderia gebundene Technische Direktor der besseren Vorbereitung zu: "Wir waren zu Saisonbeginn einfach besser vorbereitet, während es so schien, als wären sie es nicht. Wir hatten in der letzten Saison jedoch auch die letzten vier Rennen gewonnen, sodass wir von Anfang an eine sehr gute Zuverlässigkeit als Grundlage für das neue Auto hatten. Der F2001 war auch von der ersten Runde an schnell, wenngleich es ein paar Probleme mit dem Motor gab, welche wir jedoch schnell in den Griff bekommen haben. Sie hatten dagegen die schwierige Aufgabe aufzuholen. Momentan fällt es mir wirklich schwer, zu beurteilen, ob sie in einem speziellen Bereich besser sind als wir. Was jedoch fest steht ist, dass sie höhere Endgeschwindigkeiten erreichen, jedoch weiß ich nicht, ob dies nun am Motor oder der Aerodynamik liegt. Ich mag es nicht bestimmte Bereiche zu selektieren und miteinander zu vergleichen, denn ich betrachte lieber das Gesamtergebnis. Dieses zeigt, dass wir immer noch die Oberhand haben", spricht Brawn auf die Konkurrenzfähigkeit des FW23 an.

Der in der Boxengasse als taktisches Genie bekannte und teils auch gefürchtete Engländer findet, dass die Wahl der richtigen Strategie mit drei Teams, welche potenziell in der Lage sind den Sieg zu holen, schwieriger als in den letzten Jahren ist, wo der Kampf meist nur zwischen McLaren und Ferrari stattfand: "Dieser Tage ist die Situation etwas komplizierter, denn wir können nicht mehr nur abwägen was McLaren macht, sondern wir müssen auch auf BMW-Williams achten. Mit unterschiedlichen Reifen kann man ganz andere Strategien anwenden. Ein gutes Beispiel war dafür das Rennen auf dem Nürburgring. Wir wussten bis zu dem Punkt, an dem Michael und Ralf gleichzeitig an die Box fuhren nicht, wie ihre Strategie war. McLaren hat nur einen Stopp gemacht. Imn gleichen Rennen könnten wir uns aber auch hinter einem Williams und vor einem McLaren wieder gefunden haben. Es ist einfach schwierig jeden Schritt unserer Konkurrenz vorherzusehen. Wenn natürlich eine Ein-Stopp-Strategie die einzige Variante ist, hat man wenig Spielraum. Wenn es jedoch mehrere Möglichkeiten gibt wird es schon schwieriger, denn man kann dann kreativer sein und entweder etwas früher oder später stoppen."

Der von außen an Ferrari herangetragene Vorwurf, man würde den F2001 langsamer weiterentwickeln als im Vorjahr den F1-2000, was direkt mit dem großen Vorsprung der Scuderia in dieser Saison zusammenhängt, streitet Brawn ab: "Wir arbeiten natürlich schon jetzt am Auto für 2002, jedoch bringen wir noch immer viel Arbeit für das 651-Projekt, den F2001, auf. Wir haben drei Wochen Arbeit im Windkanal geplant, wo wir das Aerodynamikpaket für die letzten Rennen der Saison noch einmal überarbeiten wollen. Was den Motor anbelangt werden wir hier in Silverstone, in der Qualifikation, den schon in Magny-Cours eingesetzten Motor benutzen. Im Rennen werden wir keine unnötigen Risiken eingehen, was aber nicht bedeutet, dass wir nicht bei der Entwicklung einen Gang runtergeschaltet haben", schließt Brawn und macht damit deutlich, was ohnehin für die Formel 1 gilt: Stillstand bedeutet Rückschritt, und den kann sich niemand leisten, auch nicht Ferrari.