Brawn hofft auf WM-Vorentscheidung in Monza
Ross Brawn erklärt, warum eine Einstoppstrategie in Monza besser ist, und spricht über die aktuelle Ausgangsposition im Titelkampf
(Motorsport-Total.com) - Die Ausgangsposition für das Brawn-Team könnte vor dem heutigen Rennen in Monza kaum besser sein: WM-Leader Jenson Button und Rubens Barrichello werden in der 25. und 26. Runde an der Box erwartet und haben damit um zwei Runden mehr Benzin an Bord als ihre direkten Red-Bull-Gegner Sebastian Vettel und Mark Webber.

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Jenson Button könnte seinen Vorsprung auf die Red Bulls weiter vergrößern
Noch dazu stehen die Brawns auf dem Grid vor den "roten Bullen", die es heute schwer haben werden, in der Weltmeisterschaft weitere Punkte aufzuholen. Sollte Button seinen Vorsprung von 19 Punkten sogar noch vergrößern, dann wäre dies im Titelkampf wohl eine Vorentscheidung, denn mehr als 19 Punkte kann in dann nur noch vier Rennen unter normalen Umständen kaum noch jemand aufholen. Soweit die graue Theorie.#w1#
Noch lange nichts entschieden
Aber: "Es sind noch viele Punkte zu vergeben", warnt Ross Brawn. Buttons Teamchef hat diese Saison schon erlebt, wie seine Boliden der Konkurrenz in den ersten Rennen um die Ohren gefahren sind, er hat aber auch schon gesehen, dass Red Bull in Silverstone plötzlich eine Klasse für sich war. Kapital schlagen konnte Red Bull aus dieser Überlegenheit jedoch nicht: "Ich bin froh, dass sie es bisher nicht geschafft haben, aber es ist noch lange nicht rum."
"Sie waren in Spa nicht so dominant wie gedacht. Ehrlich gesagt war ich dort auf ein weiteres Silverstone eingestellt. Das war also eine Erleichterung", analysiert Brawn. "Monza ist eher eine Strecke, wo wir im Vorteil sind. Hier geht es um Traktion und Bremsen - und mit wenig Anpressdruck scheint unser Auto vernünftig zu funktionieren. Solange wir die Reifen auf Temperatur bekommen, sind das die Strecken, die uns liegen."
In den Trainings schienen mehrere Teams Probleme damit zu haben, Temperatur in die Reifen zu bekommen, denn immer wieder sah man Piloten Schlangenlinien fahren. Doch ausgerechnet jetzt, wo plötzlich alle zu kalte Reifen haben, hat Brawn dieses Thema augenscheinlich im Griff. Benzinbereinigt war Barrichello gestern genauso schnell wie Polesetter Lewis Hamilton - und die konservative Einstoppstrategie könnte noch Gold wert sein.
"Monza ist eines der Rennen, wo eine Einstoppstrategie schneller ist", erklärt Brawn und betont, dass der Unterschied zum Zeitpunkt des finalen Boxenstopps, worauf es schließlich ankommt, laut Simulationen "mehrere Sekunden" beträgt. Außerdem sei man mit einer Einstoppstrategie auf der sicheren Seite, was Safety-Car-Phasen angeht, während eine Zweistoppstrategie dann keinen Sinn mehr machen würde.
Kleine Strategie-Lehrstunde
"Heutzutage", philosophiert Brawn, der als einer der cleversten Strategen im Fahrerlager gilt, "lässt sich fast alles berechnen. Geht man auf zwei Stopps, dann steht man vorne, geht man auf einen Stopp, dann ist man Fünfter oder Sechster. Aber alle Elemente kann man nicht berechnen. Zum Beispiel das Risiko, etwas weiter hinten im Feld in die erste Kurve einzubiegen. Es gibt also genug Variablen, um es interessant zu machen."
Für heute wünscht er sich übrigens Schönwetter: "Da, wo wir stehen, wären wir glücklich, wenn es trocken bleiben würde. Das Auto funktioniert gut und wir sind in einer guten Position. Also wäre ein Trockenrennen besser. Aber schauen wir mal", sagt er. Die neuen Randsteine stören ihn nicht, schließlich sei es "in der Natur der Sache", auf dem Asphalt zu fahren und nicht auf den Randsteinen. Brawn gibt aber zu, dass ihn die Änderungen in der ersten und zweiten Schikane überrascht haben.
"Wir haben nicht damit gerechnet, dass sie das ändern würden. Es war hier immer ein entscheidendes Kriterium, gut über die Curbs zu kommen, also haben wir entsprechende Simulationen angestellt. Diese sind nun für die Katz. Denn ein Setup, mit dem man in der zweiten Schikane über die Curbs fahren kann, ist für den Rest der Strecke zu weich", erläutert Brawn, der weiterhin voll hinter dem zuletzt kritisierten Button steht.
"Da ist das Interesse größer als die Realität", sagt er über die Theorie, Button könne am Druck des WM-Führenden zerbrechen. "Alles, was wir als Team tun können, ist, es einfach zu halten - und so weiterzuarbeiten, wie wir schon das ganze Jahr arbeiten. Meiner Erfahrung nach lohnt es sich nicht, auf solche Dinge einzugehen. Jenson wird den Druck in den Griff bekommen. Hier hat er bisher einen guten Job gemacht. Mit einem guten Rennergebnis wird das alles vergessen sein."

