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Bourdais: Das Formel-1-Abenteuer im Rückspiegel
Ex-Toro-Rosso-Pilot Sébastien Bourdais blickt auf seine Zeit in der Formel 1, die Probleme bei Toro Rosso und sein Verhältnis zu Flavio Briatore zurück
(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-Karriere von Sébastien Bourdais fing spät an und hörte früh wieder auf. Lange Zeit galt der Mann aus Le Mans als eines der größten französischen Motorsporttalente, doch in der Königsklasse wollte ihn zunächst niemand haben. Erst als sich Bourdais mit furiosen Leistungen und Titeln in der amerikaniscen ChampCar-Serie empfahl, bekam der Brillenträger seine erste wirkliche Formel-1-Chance: Im Alter von 29 Jahren ging der Traum spät noch in Erfüllung.

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Sébastien Bourdais durfte sich nur 18 Monate Formel-1-Fahrer nennen
Doch das Engagement bei Toro Rosso dauerte nur 27 Grands Prix lang und glich eher einem Albtraum. "Es hätte so gut laufen können", beschreibt Bourdais im Interview mit '422race.com'. "Im Vorjahr mit dem STR2 lief es gut und die Leute sagten: 'Bourdais muss gut sein, denn wir wissen alle, wie gut Vettel ist'. Dann kam der STR3. Ich kam mit dem Wagen nicht klar und Vettel flog einfach nur davon. Seit wir ein schnelles Auto hatten, konnte ich nicht mithalten und alle sagten: 'Bourdais ist Mist'. Sie haben einfach den Saisonstart vergessen."#w1#
Wenn das Auto nicht zum Fahrer passt
Der Franzose hatte die Probleme am Wagen schnell lokalisiert: "Es war eine Kombination aus Hinterradaufhängung und der aerodynamischen Balance. Das Auto hatte Untersteuern in schnellen Kurven und Übersteuern in langsamen Ecken. Ich konnte so einfach nicht fahren. Ich brauche ein stabil liegendes Auto am Eingang von langsamen und mittelschnellen Kurven und eine gute Balance in den richtig schnellen Abschnitten."
"Immer, wenn wir versucht haben, das Verhalten in langsamen Kurven zu verbessern, wurde das Untersteuern in schnellen Kurven schlimmer - und umgekehrt. Das war frustrierend", blickt Bourdais zurück. "Niemand konnte was machen, weil nicht wir das Auto entwickelten. Es war nicht so, dass sie Vettel bevorzugt haben. Sie haben einfach an den Entwicklungen des STR4 festgehalten, der eigentlich ein Red Bull RB5 ist, und so bekam ich ein Auto, mit dem es am schlimmsten war."
Mit dem neuen Wagen konnte der Franzose nie beeindrucken. Immer häufiger ging Bourdais mit traurigem Gesicht durch das Fahrerlager. "In der Formel 1 ist immer der Fahrer für die Leistung auf der Strecke verantwortlich. Alle haben sich über meinen Speed beschwert, aber ich konnte nichts daran ändern", so der 30-Jährige. "Es ist doch logisch, dass man sich dann überlegt, den Fahrer zu nehmen, der im Folgejahr sowieso fahren soll - vor allem angesichts der geringen Testchancen für Nachwuchspiloten. Ich kann das verstehen."
Es habe aus seiner Sicht ohnehin lange festgestanden, dass man bei Toro Rosso für 2010 mit Youngster Jaime Alguersuari plane. So sei es nachvollziehbar, den Spanier schon in der aktuellen Saison ins kalte Wasser zu werfen. "Was ich dagegen nicht verstehen kann ist, dass man die Presse mit wilden Informationen versorgt. Ich lande in Frankfurt und muss mir von den Presseleuten anhören, dass es wohl mein letztes Rennen sein wird. Das ist nicht die feine Art."
Schlechter Stil beim Team Toro Rosso?
"Bin ich der erste Fahrer, der so von Toro Rosso behandelt wurde? Nein, leider nicht. Eigentlich sollte man meinen, dass Leute aus ihren Fehlern lernen. Aber das ist wohl dort nicht der Fall. In der Formel 1 dreht es sich um viel Geld. Je mehr Geld, desto mehr Druck - und umgekehrt. Aber es gibt trotzdem Dinge im Leben, die man stilvoll machen sollte. Und das hängt nur von den handelnden Personen ab. In manchen Teams klappt das, in anderen nicht", klagt Bourdais.
Er habe sich womöglich in der kurzen Formel-1-Zeit seinen Ruf zerstört. "Der letzte Eindruck zählt. Das ist traurig. Die Leute vergessen schnell, dass es nur 20 Formel-1-Fahrer gibt und dass diese 20 zu den besten 30 Autofahrern der Welt gehören. Man kommt nicht durch Glück allein in die Formel 1. Es mag manchmal Ausnahmen geben, Paydriver und solche Leute. Aber wenn man Titel in anderen Serien gewinnt, dann hat das nichts mit Glück zu tun, sondern mit Talent."
Den Schritt in den Grand-Prix-Sport bereue er allerdings keinesfalls. "In mir wäre sonst immer die Frage geblieben, ob ich es hätte versuchen sollen, oder nicht. Ich musste es versuchen. Ich hatte auf diese Gelegenheit lange Zeit gewartet", sagt der Franzose, der nur auf sechs WM-Punkte aus 27 Rennen kam. "Ich hätte gern nochmal die Gelegenheit zu zeigen, dass ich es besser kann. Ich kann eben nicht mit jedem Auto fahren, sondern ein Auto sollte nach meinen Vorlieben sein. Das geht vielen Fahrern so, andere fahren mit dem Wagen, den man ihnen hinstellt. Die Charaktere sind eben unterschiedlich."
Trotz aller Probleme mit den Autos von Toro Rosso wäre Bourdais um ein Haar ganz schnell wieder in den Formel-1-Zirkus zurückgekehrt. Als man bei Ferrari nach der Verletzung von Felipe Massa einen Ersatzpiloten suchte, stand auch der Franzose auf der Liste. "Es wäre für Ferrari nicht einfach gewesen, das zu rechtfertigen. Ich war ein Fahrer, der gerade bei Toro Rosso rausgeflogen ist. So einfach ist das. Mein Manager hat Gespräche mit Stefano Domenicali geführt, es gab ein paar E-Mails, aber dann haben sie sich für einen anderen Weg entschieden. Ich respektiere das."
Hass auf Briatore, Mitleid mit Fisichella

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In der Superleague hat Sébastien Bourdais sein neues Glück gefunden Zoom
"Alle sind jetzt von den Ergebnissen schockiert. Ich denke, Giancarlo war eine gute Wahl. Aber es zeigt eben, dass der Ferrari dieses Jahrgangs sehr schwierig zu fahren ist. Er ist auch einer jener Piloten, die ein Auto in einer gewissen Art brauchen. Und das ist das Hauptproblem in diesen Tagen: Es schert sich niemand darum. Die Leute vergessen zu oft, dass es immer eine Interaktion von Auto und Fahrer bleibt. Wenn das Auto nicht zum Fahrer passt, dann läuft es nicht. Das hat nichts damit zu tun, wie gut der Kerl im Auto ist."
Ein Lächeln konnte sich Bourdais dabei nicht verkneifen, denn Briatore war sein Erzfeind, nachdem Bourdais ihm in frühen Jahren einen Korb gegeben hatte. "Frankreich und Renault hatten sich damals zum Ziel gesetzt, einen französischen Fahrer zu promoten, doch man einigte sich letztlich nicht auf die Zusammenarbeit. Damals hat die französische Regierung viel Geld von Playstation und dem Renault-Konzern gesammelt, um das Programm zu starten. Im Gegenzug musste ich einen Managementvertrag mit David Sears unterschreiben."
"Flavio war davon sichtlich angepisst und ab diesem Zeitpunkt hatte er ein großes Problem mit meiner Karriere", blickt Bourdais zurück. "Er ist nun weg, er hat mich lang genug zerstört. Das hat nichts mit Rache oder Schadenfreude zu tun, aber er hat mich lange genug genervt. Ich bin ihm aus dem Weg gegangen, damit er mir aus dem Weg geht. Das hat aber nie so ganz funktioniert."

