• 20.04.2014 13:37

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Boullier: "Wir sind einfach nicht bei der Musik"

McLaren-Renndirektor Eric Boullier spricht über die sportliche Talfahrt seiner Mannschaft in China und erklärt, wie er eine Trendwende einzuleiten gedenkt

(Motorsport-Total.com) - Beim Saisonauftakt noch auf dem Podest, beim zweiten Rennen in den Punkten, seit dem dritten Grand Prix ohne Zähler und beim vierten Rennen überrundet: Von einem positiven Trend kann bei McLaren derzeit keine Rede sein. Zum zweiten Mal in Folge blieb das britische Traditionsteam bei der Punkteverteilung der Formel 1 außen vor. Und das bereitet Renndirektor Eric Boullier Kopfzerbrechen.

Titel-Bild zur News: Eric Boullier

Eric Boullier und McLaren setzen große Hoffnungen in die nächsten Neuteile Zoom

Denn vor wenigen Wochen schien noch alles auf ein sehr erfolgreiches McLaren-Jahr hinzudeuten. Davon ist inzwischen aber nicht mehr viel zu spüren. "Wir sind einfach nicht bei der Musik, weil es uns an Abtrieb fehlt. So einfach ist das", sagt Boullier in Schanghai. "Und wenn du von weit hinten losfährst und kaum einen Stich machen kannst, dann kommt am Ende auch nichts dabei heraus."

So wie beim Großen Preis von China, als Jenson Button und Kevin Magnussen auf den Rängen elf und 13 abgewinkt wurden. Ein repräsentatives Ergebnis, wie Boullier etwas zerknirscht zugeben muss: "Das ist, wo wir an diesem Sonntag stehen." Doch der Franzose verspricht Besserung, und das schon in Kürze: "Es werden bald einige Updates kommen. Und die stimmen mich zuversichtlich."

Boullier setzt auf das Team in Woking

Nach dem Motto: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. "Denn mit einigen unserer Probleme beschäftigen wir uns schon seit geraumer Zeit", so Boullier weiter. "Nebenbei versuchen wir auch, ein paar interne Veränderungen im Unternehmen umzusetzen. Das ist ein Prozess, der seine Zeit braucht. Doch wir sehen nun: Es funktioniert." Bei der Konkurrenz scheint es derzeit insgesamt aber besser zu funktionieren.

Das ist auch McLaren-Renndirektor Boullier nicht entgangen: "Teams, bei denen der Antriebsstrang allmählich funktioniert, holen rasch auf. Red Bull ist auf dem Vormarsch, bei Ferrari scheint es hoch und runter zu gehen." Und dabei handelt es sich laut Boullier um eine Tendenz, die sich in dieser Saison immer wieder zeigen wird. Größere Leistungsschwankungen sind demnach nicht ausgeschlossen.


Fotos: McLaren, Großer Preis von China


Dabei hat sich die Formel 1 die neuen Regeln rasch zu Eigen gemacht. "Und das ist in der Tat bemerkenswert", meint Boullier. Er erklärt: "Beim Großen Preis von Malaysia hatten alle mit einer regelrechten Ausfallorgie gerechnet. Es waren aber fast alle Autos im Ziel. Alles ist neu an diesen Fahrzeugen. Doch schon nach nur ein paar Rennen sind wir so zuverlässig wie im vergangenen Jahr."

Der Windkanal gibt Anlass zur Hoffnung

Und böse Zungen würden behaupten: McLaren steht nach China auch nicht sehr viel besser da als 2013, als dem Team in der gesamten Saison überhaupt kein Podestplatz gelang. Den Anschluss an das Mittelfeld, die Verfolger und die Spitze will das Traditionsteam aber "lieber früher als später" wieder herstellen, sagt Boullier. "Uns erreichen da ermutigende Daten aus dem Windkanal."

"Im Werk gibt es ebenfalls positive Anzeichen. Nun müssen wir die entsprechenden neuen Teile noch produzieren und an die Strecke bringen. Einen Teil davon werden wir schon in Barcelona sehen. Doch es wird insgesamt wohl etwas länger dauern", meint Boullier, der die aktuelle Form des MP4-29 als "schlecht und sogar noch schlimmer" beschreibt. "Was wir brauchen, ist ein Auto mit gut ausbalanciertem Abtrieb."


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in China

Über Nacht wird sich der Rennwagen nicht in ein eben solches Fahrzeug verwandeln lassen. "Deshalb dürfen wir da nicht in Panik verfallen", sagt Boullier. "Wir kommen da hin. McLaren hat schließlich so viele Rennen gewonnen wie Ferrari. Und es liegt ja nicht an ein, zwei personellen Abgängen, dass ein Auto auf einmal nicht mehr funktioniert. Wir müssen uns einfach auf uns selbst konzentrieren."

Mal schauen, was die Konkurrenz macht...

Auch, aber nicht nur, wie der McLaren-Renndirektor betont: "Wenn man bei der Konkurrenz etwas aufschnappt, dann kann man selbstverständlich auch darüber nachdenken. Es ist wie in jedem Geschäft: Du musst deine Gegner im Auge behalten." Das gilt natürlich auch für den Personalmarkt, auf dem McLaren zuletzt Erfolge vermelden konnte: Peter Promodrou kommt 2015 von Red Bull.

"Er ist ein wertvoller Neuzugang. Und wir werden zulegen, wenn er bei uns mitmacht. Bis dahin müssen wir aber noch ohne ihn auskommen", erklärt Boullier und merkt an: "Das kann auch gut sein für uns. Denn so müssen wir auf uns selbst schauen und vielleicht unsere internen Prozesse überdenken. Da gilt es auch, uns selbst zu hinterfragen und zu klären, warum es bei uns nicht läuft, aber bei anderen schon."

Was derzeit nicht läuft: der MP4-29. Was Boullier sehr schmerzt. Denn: "Eigentlich haben wir ein breites Einsatzfenster für unser Auto. Das hängt aber sehr vom Wetter ab. Ist es zu heiß, sind wir nicht gut genug. Ist es zu kalt, sind wir ebenfalls nicht gut genug. Weil es uns an Abtrieb fehlt", so der Franzose. "Deshalb können wir die Reifen nicht so ausnutzen, wie das Mercedes oder Red Bull gelingt."