• 16.01.2007 11:21

BMW: Auf der Rennstrecke für die Straße

Bei BMW legt man großen Wert darauf, dass die in der Formel 1 gewonnenen Erkenntnisse auch tatsächlich in die Serie transferiert werden

(Motorsport-Total.com) - Synergien zwischen Formel-1- und Serienentwicklung herzustellen war für BMW die Grundvoraussetzung für den Wiedereinstieg zum Jahr 2000. Konsequent wurde die Entwicklung des Formel-1-Antriebsstrangs und der Elektronik am Standort München integriert. Dabei spielt das BMW Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) eine Schlüsselrolle. Die Formel-1-Fabrik wurde in weniger als einem Kilometer Entfernung von dieser Denkwerkstatt errichtet und mit ihr vernetzt.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Mario Theissen ist stolz auf den internen Wissenstransfer im Hause BMW

"Das FIZ repräsentiert die Zukunft von BMW", erklärt BMW Motorsport Direktor Mario Theissen, "dort arbeiten die fähigsten Ingenieure in modernsten Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Das FIZ verfügt über enorme Ressourcen, von denen wir unmittelbar profitieren. Umgekehrt stellt das Formel-1-Engagement durch die extremen technischen Anforderungen und das geforderte Entwicklungstempo ein einzigartiges Versuchsfeld für unsere Techniker dar."#w1#

BMW hat für den Antriebsstrang eine lückenlose Prozesskette im eigenen Haus realisiert - von der Konzeption über die Konstruktion, den Guss, die Teilefertigung, Aufbau und Versuchsphase bis hin zum Renneinsatz. Transportwege werden eingespart, Qualitätsrisiken minimiert. Das erworbene Know-how bleibt im Unternehmen, wo es der Serienentwicklung zugute kommt.

Gusstechnologien für Formel 1 und für die Serie

Die Leistungsfähigkeit und Standfestigkeit von Motorblock, Zylinderkopf und Getriebe hängt entscheidend von der Gussqualität ab. Fortschrittliche Gusstechnologien mit höchst genauer Prozessführung ermöglichen leichte Bauteile von hoher Steifigkeit. Um dies für Serienfahrzeuge zu gewährleisten, unterhält BMW eine Gießerei in Landshut. Bereits 2001 wurde ihr eine eigene Formel-1-Gießerei angegliedert. Beide Abteilungen arbeiten unter einer gemeinsamen Führung. Das garantiert den permanenten Austausch.

Mit dem gleichen Sandgussverfahren, mit dem der Formel-1-V8 entsteht, werden Ölwannen für die M-Modelle, die Sauganlage für den Achtzylinder-Dieselmotor sowie die Prototypen künftiger Motorgenerationen gegossen.

Fast zeitgleich mit der Inbetriebnahme der Formel-1-Gießerei wurde nach demselben Modell eine Formel-1-Teilefertigung an jene für Serienkomponenten angeschlossen. Dort fertigt das Formel-1-Team unter anderem die Nockenwellen und die Kurbelwellen für die Formel 1.

Elektronik für den Rennsonntag und für den Alltag

Mit der Rückendeckung der Elektronikexperten des FIZ traute sich BMW schon zum Comeback im Jahr 2000 auch die Entwicklung einer eigenen Formel-1-Motorsteuerung zu. Auf externe Rennsportspezialisten zurückzugreifen, wäre zwar einfacher gewesen, hätte aber das Wissen in München kaum gemehrt.

Ingenieure, die sich sonst mit der Bordelektronik für die M-Modelle befassen, schufen auch das Motormanagement für die Formel-1-Triebwerke. Ihr dabei erworbenes Wissen fließt zurück in die Serie. Längst verfügen Spitzenmodelle von BMW wie der 7er und die M-Serien über Mikroprozessortypen, die BMW in der Formel 1 eingesetzt und erprobt hat. Für den Internetzugang und das Navigationssystem der BMW 7er Reihe wurde Speichertechnologie verwendet, die sich zuvor in der F1 bewährt hatte.

Auch Formel-1-Entwicklungen für die Überwachung der vielfältigen Funktionen des Fahrzeugs gewinnen an Bedeutung für Straßenfahrzeuge. Rechtzeitige Warnungen und automatisierte elektronische Eingriffe sind auch dort sicherheitsrelevant und bieten Schutz vor Schäden.

Die Anforderungen an das Motormanagement eines hoch drehenden Formel-1-Triebwerks, das zudem auch bei niedrigen Drehzahlen problemlos fahrbar sein muss, sind immens. In jeder Millisekunde müssen Zündzeitpunkt und Treibstoffzufuhr perfekt aufeinander abgestimmt sein, um optimale Effizienz zu erreichen - maximale Leistung bei minimalem Kraftstoffverbrauch. Verbrauchsoptimierung bringt sowohl bessere Rundenzeiten als auch größere Flexibilität in der Rennstrategie.

Im BMW M3, M5 und M6 hat sich eine weitere Elektronik- und Getriebeinnovation aus der Formel 1 bewährt: das "Sequenzielle M Getriebe - SMG mit DRIVELOGIC". Das Antriebskonzept SMG bietet Formel-1-Getriebetechnologie für den Alltag. Dabei werden die Gangwechsel elektrisch per Schaltwippe hinter dem Lenkrad ausgelöst. Wie in der Formel 1 ersetzt ein elektrohydraulisches System den mechanischen Kupplungs- und Schaltvorgang, und der SMG-Bediener darf beim Schalten ebenfalls auf dem Gas bleiben.

Materialforschung für die Zukunft

So leicht wie möglich, so widerstandsfähig wie nötig - das ist auch unter dem enger gesteckten Reglement der Anspruch an Formel-1-taugliche Materialien. Die Materialforschung des FIZ liefert wichtige Impulse für die BMW Formel-1-Motoren- und Getriebeentwicklung. Häufig dient die Luft- und Raumfahrttechnik als Ausgangsbasis. Einige viel versprechende Entwicklungen, die aus Kostengründen noch nicht für Großserien in Betracht kommen, haben im Formel-1-Projekt bereits Verwendung gefunden. Diese Einsatzmöglichkeit neuer Technologien hilft den Ingenieuren, sie zur Serienreife weiterzuentwickeln.

Rapid Prototyping - Modelle auf die Schnelle

Eine neue Idee, die Konzeptionsphase, der Konstruktionsvorgang, die Produktion notwendiger Werkzeuge, die Fertigung des neuen Teils, die Erprobungsphase - das ist der kosten- und zeitintensive Vorgang für Neuerungen. Weil in der Formel 1 extrem kurze Reaktionszeiten für Fortschritt und Problembewältigung gefordert sind und die Anzahl der konstruktiven Veränderungen während einer einzigen Saison bislang so hoch war wie die für die gesamte BMW Palette an Serienmotoren, sucht man nach Abkürzungen.

Hier kann die BMW Formel-1-Mannschaft auf die FIZ-Abteilung Rapid Prototyping/Tooling Technology zugreifen. Sobald die benötigten Teile auf einem CAD-System konstruiert wurden, produzieren ebenfalls von Computern gesteuerte Maschinen mittels Laserstrahlen oder dreidimensionaler Drucktechnik maßgetreue Modelle aus Harz, Kunststoffpulver, Acrylat, Wachs oder Metall. Damit können kurzfristig Einbausituationen und Wechselwirkungen simuliert werden, um vor dem endgültigen Herstellungsprozess noch Modifikationen vornehmen zu können.