• 28.07.2005 16:25

  • von Fabian Hust

Basso: "Hier muss man einen Kompromiss eingehen"

Barrichellos Fahrzeugingenieur über seine Arbeit bei Ferrari und mit Rubens Barrichello sowie die Anforderungen des Hungarorings

(Motorsport-Total.com) - Der Hungaroring ist ungewöhnlich, denn auch wenn er fahrerisch eine Herausforderung ist, kann es frustrierend sein, auf ihm zu fahren, weil er nur sehr wenige Überholmöglichkeiten bietet. Aus diesem Grund muss das Setup eines Formel-1-Renners ein Kompromiss zwischen idealer Leistung und der Notwendigkeit, Plätze auf der Strecke gutzumachen, sein. Bei der Suche nach diesem Setup steht bei Ferrari Rubens Barrichello Fahrzeugingenieur Rodi Basso zur Seite, der im Folgenden erklärt, auf das es ankommt.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello arbeitet mit Rodi Basso am Setup seines Autos

Basso ist gelernter Flugzeugingenieur und hat in den Staaten in der Nähe von Washington bei der NASA gearbeitet: "Ich war es gewohnt, abzuheben, nun bleibe ich mit den Füßen auf dem Boden", schmunzelt der Mann aus Neapel über seinen Job.#w1#

"Ich bin seit fünf Jahren bei Ferrari, habe als Fahrzeugingenieur im Testteam begonnen. Hier habe ich mein Training begonnen und gelernt, wie man an der Rennstrecke arbeitet und all diese Dinge, wie die verschiedenen Rollen funktionieren und wie man ein Formel-1-Auto bei einer Testsession betreibt. Tatsächlich gibt es bei der Arbeit mit der NASA und Ferrari ähnliches, in Bezug auf das Studieren der Daten, mit Satelliten und in Bezug auf die Dynamik der Vehikel."

Nach zwei Jahren im Testteam ist Basso in das Rennteam gewechselt, wo er mit Barrichello die Zusammenarbeit beim Italien-Grand-Prix 2002 begann: "Meine Aufgabe ist es, das Auto an das Maximum seiner Leistung zu bringen und gleichzeitig die Zuverlässigkeit sicher zu stellen. Der Hauptteil des Jobs ist zweigeteilt: einer schaut nach dem Setup des Autos und die Aerodynamik, um die Renningenieure mit Schlüsseldaten zu versorgen, um ihm dabei zu helfen, was zu tun ist, um die Leistung des Autos zu verbessern. Man muss sich aus diesem Grund mit dem Renningenieur und dem Fahrer gut verstehen."

"Dann gibt es noch eine engere Beziehung mit dem Fahrer, da die Leistung mit der Strategie in Verbindung steht, wie das Auto in jeder Kurve funktioniert und wie wir die verschiedenen elektronischen Strategien anwenden können. Es ist wichtig, ein gutes Setup für die ganze Strecke zu finden und wir haben verschiedene Strategien, die es uns erlauben, die Strecke Kurve für Kurve zu analysieren, um Probleme zu eliminieren und Lösungen zu finden. Das wird hauptsächlich durch die Arbeit am Differential, die Traktionskontrolle und die Motorbremse erledigt."

Abgesehen von der Aufgabe, das Paket zu verbessern, beinhaltet die Rolle des Fahrzeugingenieurs auch die Hilfe für den Fahrer, das Maximum aus dem Paket herauszuholen: "Mit Rubens schauen wir uns die Fahrbarkeit des Pakets an, indem wir die Telemetrie-Daten studieren, erneut Kurve für Kurve", so Basso. "Wir studieren auch Video-Analysen der Runde mit dem Performance-Ingenieur, um die beste Linie durch eine Kurve zu finden. Wir können diese Daten dann mit jenen des anderen Fahrers im Team vergleichen. In unserem Fall ist das Michael, der ein großartiger Referenzpunkt ist."

"Es macht Spaß, in dieser Beziehung mit Rubens zu arbeiten, da er großartig in der Analyse von allem ist. Er ist besonders gut im Verständnis der Telemetrie und zudem kann er nach jeder Session Kurve für Kurve so detailliert beschreiben, dass ich das Gefühl habe, als wäre ich im Auto. Er kann die verschiedenen Teile jeder Kurve aufsplitten, sodass wir sehen können, wo die Probleme liegen. Ab da versuchen wir die Probleme zu lösen, indem wir am aerodynamischen und mechanischen Setup arbeiten, um die Fahrbarkeit des Autos zu verbessern."

Für das Ingenieursteam ist der Hungaroring eine Herausforderung, besonders wegen der wenig vorhandenen Haftung: "Es ist aus diesem Grund essentiell, einen guten Kompromiss in Bezug auf die Haftung der Reifen zu finden, normalerweise würde man am liebsten eine weiche Reifenmischung verwenden."

"Eine der Eigenheiten der Strecke ist jedoch, dass es eine Menge Richtungswechsel gibt. Aus diesem Grund braucht man ein Auto, das eine gute Stabilität beim Beschleunigen hat und mit den langsamen Kurven zurechtkommt, zur gleichen Zeit muss es in den Kurven stabil liegen. Kurven sechs, acht und neun sind zum Beispiel ziemlich schnell und verlangen schnelle Richtungswechsel. Man möchte also kein träges Auto haben."

"Man muss den richtigen Kompromiss zwischen einem Auto finden, das in Bezug auf das Setup weich genug ist, um gute Haftung zu finden aber gleichzeitig auch in der Lage ist, schnelle Richtungswechsel zu ermöglichen. Im dritten Sektor der Strecke sind der mechanische Grip und der Abtrieb zum Beispiel die Schlüsselelemente, wohingegen der dritte Sektor ein Auto erfordert, dass in den schnellen Kurven stabiler und schneller ist."

Wie bei allen Grands Prix in diesem Jahr musste das Team sich daran anpassen, dass nur ein Satz Reifen für das gesamte Rennen erlaubt ist: "Dies bedeutet, dass man in Bezug auf die Reifen eine weniger aggressive Herangehensweise haben darf. Man versucht, die Bremsen so abzustimmen, dass sie nicht blockieren, was einen negativen Effekt auf die Reifen hätte, besonders in Bezug auf das Leben der Hinterreifen."

"In Ungarn ist es besonders wichtig, mit den hohen Asphalttemperaturen umzugehen, die den Reifen das Leben schwer machen und zusätzlich ist jeder Bremspunkt uneben, man muss also auf der Bremse sehr stabil sein, damit man aus den langsamen Kurven auch wieder gut heraus kommt", so Basso weiter.

Der Techniker erwartet ein hartes Rennen auf jener Strecke, wo man drei der letzten vier Rennen gewinnen konnte: "Wegen des schwierigen Überholens will man in der Startaufstellung so weit wie möglich vorne kommen, wir müssen aus diesem Grund zugeben, dass dies ein schwieriges Rennen für uns werden könnte, so wie wir dies in diesem Jahr gesehen haben. Es war in dieser Saison der Trend, dass manchmal bei der perfekten Rennstrategie ein Kompromiss für eine bessere Startposition eingegangen wird, und das wird wohl hier der Fall sein."