• 21.10.2010 14:20

  • von Dieter Rencken

Barrichello: "Ich bin positiv überrascht!"

Rubens Barrichello über seine ersten Eindrücke von Yeongam, seine noch ungeklärten Probleme in Suzuka und die mentalen Anforderungen an die Titelanwärter

(Motorsport-Total.com) - Rubens Barrichello hatte vor der Abreise nach Südkorea schon schlimme Befürchtungen. Doch nun hat der Williams-Pilot die neue Strecke in Yeongam kennengelernt und muss zugeben, dass sie ihm ganz gut gefällt. Nach der Streckenbegehung sprach der Brasilianer mit den Reportern über seine ersten Eindrücke. Weitere Themen: Seine Probleme im Suzuka-Rennen und die mentalen Anforderungen im Titelkampf.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello findet den neuen Kurs in Yeongam gar nicht so schlecht

Frage: "Rubens, wie ist dein erster Eindruck von der Strecke in Südkorea?"
Rubens Barrichello: "Ich finde es eigentlich ermutigend. Wir haben ja im Vorfeld viel darüber geredet, nicht unbedingt schlecht darüber geredet, aber wir haben schon gesagt: 'Die Strecke wird nicht fertig, die Strecke ist dieses, die Strecke ist jenes...'. Damit hatte man schon einen negativen Eindruck, bevor man überhaut hergekommen ist. Und ich war positiv überrascht, als ich die Strecke heute Morgen abgelaufen bin. Okay, es fehlen ein paar Randsteine und ich weiß nicht, ob die Mauern permanent sind, oder ob sie nur da stehen, weil die Strecke noch nicht fertig ist. Aber es gefällt mir. Das Layout ist recht gut."

Frage: "Gibt es Überholmöglichkeiten, es ist die Rede von bis zu zehn? Ist das ein bisschen hoch gegriffen?"
Barrichello: "Es gibt so viele lange Geraden, ich würde sagen, es gibt drei Stellen, oder vier. Es hängt davon ab - wir können es nicht beurteilen, bevor wir nicht gefahren sind und nicht wissen, wie viel Grip die Strecke bietet. Wenn es wenig Grip gibt, dann hast du überall die Chance, weil es recht rutschig wird."

"Aber was mir an der Strecke gefällt - erinnert ihr euch dran, als wir nach Indianapolis gekommen sind? Da sind manche Autos auf 300 km/h gekommen, andere auf 320 km/h. Denn es gab lange Geraden und dann große Kurven. Dadurch konnten die Teams auswählen, welche Flügeleinstellung sie fahren. Ich bin sicher, dass auf dieser Strecke manche Autos zehn Stundenkilometer schneller sein werden als andere - in manchen Bereichen. Das wird eine gute Show."

Rubens Barrichello

Rubens Barrichello bei der Streckenbegehung mit seinem Team Zoom

Frage: "Was sagst du zu den Mauern im letzten Abschnitt?"
Barrichello: "Das ist Ansichtssache. Die Mauern sind hart, und manchmal tun sie weh. Aber auf der anderen Seite können dich die Mauern rechtzeitig aufhalten, aufeine positive Art. Das hängt davon ab, wie ein Crash abläuft. Die Mauern können auch gut sein. In Indianapolis scheinen sie damit kein Problem zu haben. Wir haben auch woanders Mauern, in Valencia, in Montréal .. ich würde nur gern wissen, ob sie permanent sind oder nicht. Denn sie scheinen ja viel Platz zu haben, um Auslaufzonen zu bauen."

Frage: "Darauf soll gebaut werden, eine Stadt, so dass es dann wie ein Stadtkurs ist..."
Barrichello: "Ah okay. Aber ich habe euch ja gesagt, mir gefällt es. Ich habe kein Problem damit."

Frage: "Gibt es irgendwelche Stellen, die dir Sorgen bereiten?"
Barrichello: "Höchstens die fehlenden Randsteine. An den Kurvenausfahrten gibt es teilweise ziemlich viel Matsch und Staub. Und aus manchen Kurven fährt man direkt in die Erde rein. Dadurch könnten wir Dreck mit auf die Strecke bringen."

¿pbvin|512|3190||0|1pb¿Frage: "Hast du Bedenken, dass der Asphalt aufbrechen könnte?"
Barrichello: "Nein. Es wäre ein Problem in Malaysia, wo es 35 Grad hat und schwül ist. Aber hier hat es 20, 25 Grad. Von daher sollte es absolut in Ordnung sein."

Frage: "Obwohl der Asphalt neu ist?"
Barrichello: "Obwohl er neu ist. Ich glaube, dass sie die nötige Erfahrung haben. Mir wurde gesagt, dass drei Schichten Asphalt aufgebracht wurden. Die erste war recht wellig, dann musste es noch einmal gemacht werden. Dann waren einige Kurven in Ordnung, aber sie mussten in anderen Kurven eine dritte Schicht aufbringen. Man kann auch sehen, dass der Asphalt wechselt. Dadurch wird die Strecke ein bisschen uneben, aber ich erwarte mir dadurch keine Probleme."

"Ich denke, dass die Strecke wesentlich interessanter ist, wenn man vor Ort ist, als wenn man sie im Fernsehen oder in Spielen sieht." Rubens Barrichello

Frage: "Und was ist mit der Boxengasseneinfahrt? Das ist eine sehr, sehr schnelle Kurve, und da wird es schwer zu beurteilen, ob jemand in die Box abbiegt und oder weiter auf die Gerade fährt."
Barrichello: "Da müssen wir abwarten. Wenn man die Strecke abläuft und sich die Kurve anschaut, hat man diesen Eindruck. Aber wenn man sich umdreht und zurück schaut, dann sieht es so aus, als ob derjenige, der auf der Rennlinie ist, eher außen fährt. Die, die in die Box abbiegen, müssen wesentlich weiter innen einlenken."

Frage: "Manche sagen, die lange Gerade könnte eine Stelle sein, die Safetycarphasen provoziert..."
Barrichello: "Ja, da kommt direkt das Safetycar, da gibt es gar keine andere Möglichkeit. Wenn da jemand stehen bleibt, muss sofort das Safetycar ausrücken."

Frage: "Wieviele Höhenunterschiede gibt es?"
Barrichello: "Auf der Playstation, auf der ich die Strecke gelernt habe, gibt es keinen. Aber es gibt schon welche. Ich denke, dass die Strecke wesentlich interessanter ist, wenn man vor Ort ist, als wenn man sie im Fernsehen oder in Spielen sieht."

Frage: "Und das Umfeld neben der Strecke? Da ist ja noch nicht alles fertig, die Tribünen und so weiter..."
Barrichello: "Ja, es arbeiten viele Leute daran. Ich glaube, die ganze Formel 1 hilft da mit. Heute Morgen habe ich gesehen, wie Pasquale (Lattuneddu, Bernie Ecclestones rechte Hand; Anm. d. Red.) den Leuten gezeigt hat, wo sie ihre Autos parken können. Jeder hilft, so gut er kann."


Fotos: Großer Preis von Südkorea


Frage: "Du hattest in dieser Saison mehrere Mal ein sehr, sehr gutes Qualifying, aber die Rennpace war dann nicht so, wie man sie nach dem Qualifying erwartet hatte. Gibt es dafür einen Grund?"
Barrichello: "In Suzuka hatten wir ein Problem, das das Team noch analysiert. Wir wissen nicht warum, aber ich habe sechs Prozent an Downforce verloren. Das ist verdammt viel. Das Auto hat sich nicht so gut angefühlt und ich bin habe den Boden sehr oft berührt. Das war ein trauriges Rennen, denn ich hatte ein so starkes Qualifying."

"Ich habe sechs Prozent an Downforce verloren. Das ist verdammt viel." Rubens Barrichello

Frage: "War das direkt ab dem Start so?"
Barrichello: "Ja. Und nach den Boxenstopps wurde es ein bisschen besser. Das Team versteht nicht so ganz, woran das lag. Und ich auch nicht. Wir haben auch einen kurzen siebten Gang gewählt, und ich bin die ganze Zeit am Limit gefahren. Deshalb hat mich Michael überholt, und ich konnte Heidfeld dann nicht überholen. Ich hatte keinen guten Topspeed."

Frage: "Warum habt ihr so entscheiden?"
Barrichello: "In diesem Business muss man jetzt alles noch einmal überdenken. Man wählt den siebten Gang am Freitag aus. Dann sagt einem die Vorhersage, dass der Wind stark in diese oder in jene Richtung weht. In Istanbul hatte ich wegen des erwarteten Windes einen sehr langen siebten Gang, und der Wind kam. Und dieses Mal war das Gegenteil der Fall. Wir haben mit Wind gerechnet, vor allem nach dem Regen. Aber er kam nicht. Der Wind kann 300 Umdrehungen ausmachen, und das ist enorm viel. Man trifft die Entscheidungen am Freitag."

Im Titelkampf zählen Routine und Coolness

Frage: "Sprechen wir über den Titelkampf, wie sind da die letzten Saisonrennen für die Beteiligten? Du warst zwei Mal selbst daran beteiligt. Wird man nervös, hat man schlaflose Nächte?"
Barrichello: "Ich denke, dass im ganzen Team eine gewisse Anspannung herrscht. Daran besteht kein Zweifel. Das Beste, was ein Fahrer machen kann, ist, genau das zu tun, was er immer macht. Das ist sehr schwierig, man muss sich auf das konzentrieren, was man normalerweise auch macht. Das sind eigentlich lächerliche Kleinigkeiten. Wenn du immer am Donnerstag um zehn Uhr an die Rennstrecke kommst, dann musst du das weiter machen. Derselbe Zeitplan, dieselben Meetings. Denn wenn man nur eine kleine Änderung vornimmt, dann läuft man Gefahr, dass man sich anders fühlt, nicht mehr so gut. Dann beginnt man, sich Fragen zu stellen und dann könnte es Probleme geben."

"Man muss alles ganz normal tun. Wenn man beschließt, einen Tag früher anzureisen, weil man sich sagt: 'Ich kämpfe jetzt um den Titel und ich muss gerüstet sei' - schon das ist etwas, was die Routine stören kann. Das Problem im Titelkampf ist, dass man unruhig wird. Und das ist nicht gut. Aber ich denke, dass das alle Fünf ganz gut im Griff haben. Sie sind recht entspannt."

Mark Webber, Sebastian Vettel

Red Bull räumr Rubens Barrichello derzeit die besten Chancen ein Zoom

Frage: "Sie scheinen alle kühlen Kopf zu bewahren, außer vielleicht Sebastian Vettel? Er wirkt etwas, als ob er die Coolness etwas verliert?"
Barrichello: "Ja, aber wenn du jung bist, dann weißt du nicht, was du zu erwarten hast. Also gibst du einfach alles. Aber ich glaube, er war schon in anderen Serien Meister, von daher sollte es passen."

Frage: "Wie ist es dann für einen jungen Fahrer, wenn er hier auf eine völlig neue Strecke und in eine völlig neue Umgebung kommt?"
Barrichello: "Man muss darin eine neue Chance, nicht ein neues Problem sehen. Man darf nicht denken: ' Oh, das ist alles neu, wir wissen nichts, was machen wir mit dem Setup'. Sondern man muss darin die Chance sehen, sich zu steigern. Ich denke aber nicht, dass es ein Problem wird, weil es eine neue Strecke ist. Denn sie ist für alle neu."

Frage: "Wie beurteilst du den Titelkampf jetzt drei Rennen vor Schluss?"
Barrichello: "Wenn ich Red Bull wäre, dann würde ich die Sache recht cool sehen. Denn sie haben ihre Zuverlässigkeitsprobleme gelöst und sie haben ein sehr schnelles Auto. Die anderen Teams, Ferrari und McLaren, hinken ein bisschen hinterher. Die Strecke könnte ihnen entgegenkommen, oder auch nicht. Was Red Bull angeht, wissen wir, dass sie gut sein werden."

Frage: "Hat McLaren noch eine Chance?"
Barrichello: "Ich denke schon. Auf einer Strecke wie dieser könnten sie gut unterwegs sein - lange Geraden, viel Downforce."

Frage: "Wie geht Mark Webber damit um, dass er die WM anführt?"
Barrichello: "Er macht das gut. Ich glaube, es gab eine Veränderung nach dem, was er in Silverstone gesagt hat. Es hat sich etwas getan, danach wurde für ihn alles besser. Er geht extrem gut damit um."

Frage: "Es scheint so, als ob manche verhindern wollen, dass Mark derjenige ist, der Weltmeister wird, aber dass das 'breite Volk' es ihm gönnen würde... Siehst du das auch so?"
Barrichello: "Es war doch das Gleiche, als Michael und ich in einem Team waren. Da haben die Leute auch gewollt, dass ich gewinne. Beide sind nette Typen, aber nach dem, was so passiert ist, ist Mark zu einer Art Wunsch-Weltmeister geworden."

Frage: "Ist es einfacher, wenn man der Jäger ist?"
Barrichello: "Das kann man immer so und so sehen. Aber wenn du der Jäger bist, ist es definitiv einfacher."

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