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Barrichello: "Du kannst dich leicht verlaufen"
Williams-Pilot Rubens Barrichello über den Saisonauftakt seines Teams, die Erwartungen an Barcelona und die Kritik an Michael Schumacher
(Motorsport-Total.com) - 2009 war Rubens Barrichello mit Brawn noch auf Titeljagd, doch in diesem Jahr muss der brasilianische Rennfahrer deutlich kleinere Brötchen backen. In den ersten vier Rennen brachte es der 37-Jährige gerade einmal auf fünf WM-Punkte und fährt damit freilich seinem eigenen Anspruch weit hinterher. Diese Situation sieht Barrichello aber in erster Linie als Herausforderung denn als Last, wie er in seiner ausführlichen Medienrunde vor dem Großen Preis von Spanien in Barcelona erläutert.

© xpb.cc
Rubens Barrichello möchte mit Williams in diesem Jahr noch kräftig überraschen
Frage: "Rubens, wie bist du nach dem China-Wochenende nach Hause gekommen?"
Rubens Barrichello: "Ich hatte keinerlei Probleme. Mein Flug ging über Dubai und das war gut so. Ich war also ziemlich schnell wieder daheim. Ich habe dann einige Zeit in Brasilien verbracht. Dort ist es bekanntermaßen ziemlich heiß, was dem Training sehr entgegen kommt. Außerdem war es schön, einmal ein paar Tage mehr mit den Kids zu verbringen. Abgesehen davon hing ich jeden Tag am Telefon mit dem Team."#w1#
Frage: "Was habt ihr dabei besprochen?"
Barrichello: "Einiges. 75 Prozent von mir machen immerzu Druck, dass wir neue Teile erhalten. Die restlichen 25 Prozent stellen sicher, dass wir nicht vorschnell agieren. In den vergangenen Rennen hatten wir einige Neuerungen dabei, die wir vor Ort ausprobiert haben."
"Wenn du weißt, dass du ein Teil an der Hand hast, das dir eine Sekunde bringen kann, dann ist das eine feine Sache. Bewegt sich das aber im Tausendstelbereich, musst du Vergleichstests durchführen und kannst dabei leicht in die falsche Richtung laufen. Bist du nämlich nicht sicher, was genau das neue Teil bewirkt, dann verirrst du dich immer weiter."
"Um eine gesunde Entwicklung zu haben, musst du einen ordentlichen Test absolvieren. Dabei geht es darum, die entsprechenden Elemente zu evaluieren und anschließend zu produzieren. 25 Prozent von mir streben daher danach, gewissen Bauteilen noch etwas mehr Entwicklungszeit zu gönnen. Letztendlich können wir so ein ganzes Paket zusammen stellen."
"Die Philosophie von Williams - und die ist prima - sieht vor, dass alles ans Auto kommt, was das Fahrzeug schneller macht. Es darf nur nicht zu gering sein. In Barcelona haben wir zudem die Schwierigkeit, dass sich der Wind von Minute zu Minute drehen kann - und das bringt deine Eindrücke vollkommen durcheinander. In der Formel 1 kannst du dich eben nur allzu leicht verlaufen."
Hat Williams das komplette Potenzial ausgeschöpft?
Frage: "Wir haben die beste Leistung von Williams in diesem Jahr noch nicht gesehen. Teilst du diese Einschätzung?"
Barrichello: "Ich hätte mir eigentlich mehr erwartet. Die Testarbeit war zu vage. Wir hatten wohl eine etwas andere Spritmenge im Auto als die Konkurrenz. Aus einigen Gründen war das Fahrzeug bislang nicht konkurrenzfähig. Vor allem in langsamen Passagen mangelt es uns an Grip. Tendenziell verlieren wir aber auch in schnellen Abschnitten etwas Zeit."
"Es scheint, dass Red Bull viel weniger Luftwiderstand hat als wir. Sie können die Geschwindigkeit einfach mitnehmen. Zudem macht uns die Technik ab und an einen Strich durch die Rechnung. Mit einer bestimmten Getriebeübersetzung arbeitet der Motor ganz hervorragend, mit einer anderen Einstellung kommt er hingegen überhaupt nicht in die Gänge."
"Wir haben also noch nicht alle Puzzleteile zusammen gesetzt, um das volle Potenzial des Autos zu zeigen. Wir hatten zwar schon ein paar gute Qualifyings, doch waren leider nicht dazu in der Lage, das auch im Rennen umzusetzen. Wir haben eben noch ein paar Baustellen."
Frage: "Cosworth verrichtet einiges an Arbeit, um dem Motor eine bessere Fahrbarkeit zu verleihen. Das basiert auf dem Feedback, das du ihnen hast zukommen lassen. Rechnest du aus diesem Grund damit, dank dieser Verbesserungen an diesem Wochenende etwas schneller unterwegs zu sein?"
Barrichello: "Ich denke, man darf durchaus erwarten, dass Cosworth in der Europasaison eine bessere Leistung zeigen wird. Sie haben offensichtlich bereits einiges bewerkstelligt, aber noch ist es möglicherweise etwas zu früh."
"Im Hintergrund laufen jedenfalls viele Dinge, die vielleicht in Istanbul etwas bringen könnten. Für dieses Rennen mache ich mir große Hoffnungen. Was den Grand Prix in Barcelona anbelangt: Auf dieser Strecke haben wir getestet. Wir wissen mehr oder weniger, was uns hier erwartet. Bei den Tests waren wir hier recht konkurrenzfähig. Schauen wir also einmal."¿pbvin|512|2694|inside|0|1pb¿
Barrichello fühlt sich noch immer als Neuling
Frage: "Nico Hülkenberg meint, der Rennwagen sei während der Saison niemals wieder so gut gewesen, wie beim Abschlusstest in Barcelona. Teilst du diesen Eindruck?"
Barrichello: "In gewisser Weise. Es könnte aber auch so gewesen sein, dass wir mit 30 Kilogramm Sprit unterwegs waren, als die anderen 50 Kilogramm Benzin an Bord hatten."
"In Bezug auf das reine Fahrgefühl hat sich das Auto jedenfalls nicht verschlechtert. Wenn überhaupt, dann hat sich das Auto verbessert. Wir müssen uns halt mit anderen Teams vergleichen, doch von diesen wissen wir halt nicht, mit wie viel Sprit sie unterwegs sind."
Frage: "Du hast nun vier Rennen für Williams bestritten. Fühlst du dich zu einhundert Prozent wohl im Team?"
Barrichello: "Ja. Es wird ja immer besser. Man darf ja nicht vergessen, dass der Donnerstag der erste richtige Tag in meiner neuen Umgebung ist. Erstmals überhaupt war ich in diesem Motorhome, zum ersten Mal habe ich mein Zimmer gesehen und die Trucker habe ich nun auch endlich kennen gelernt. Das alles ist neu für mich."
"Ich habe viele neue Gesichter gesehen und muss mich noch immer etwas zurecht finden. Ich habe allerdings eine großartige Beziehung zu meinem Ingenieur. Manchmal will ich aufgrund des Jetlags nicht allzu viel Zeit verlieren und rufe ihn daher schon morgens um fünf Uhr an. Dann ist es neun Uhr in Großbritannien. Ich fühle mich einfach schon sehr zuhause, auch wenn hin und wieder einiges noch recht neu ist."
Der Glaube an den Sieg ist immer da
Frage: "Bist du zufrieden mit deinem bisherigen Abschneiden?"
Barrichello: "Sicherlich nicht. Fünf Punkte sind nicht gut genug für das, was das Team zu leisten imstande ist. Man muss ja nur einmal die Geschichte dieses Rennstalls bedenken. Das Team und ich versuchen alles, um besser zu werden."
"Wenn ich sage, dass wir nicht zufrieden sind, dann meine ich damit das Team und mich, nicht nur mich alleine. Ich sehe aber immer die positive Seite. Du musst bereit sein, wenn das Auto bereit ist für dich. Wenn das Fahrzeug nicht bereit ist, musst du eben weiter arbeiten und die Schwierigkeiten genießen. Es ist doch zu einfach, an der Spitze zu stehen und zu lächeln."
"Ich möchte fröhliche Menschen sehen, selbst wenn sie Probleme haben. Jeder hat in seinem Leben gewisse Schwierigkeiten. Es ist nicht so, dass ich diese mehr schätzen würde als das Siegen, aber ich bin zufrieden mit dem, was ich habe. Da musst du einfach durch."
Frage: "Bei Ferrari und bei Brawn hattest du zu Saisonbeginn jeweils richtig gute Autos, bei Honda und Williams war die Ausgangslage dagegen etwas schlechter. Wie gehst du damit um?"
Barrichello: "Beide Varianten bringen gewisse Herausforderungen mit sich. Wenn du an einem Tag aufwachst und denkst, dass du nicht gewinnen kannst, dann kannst du genauso gut zuhause bleiben - auch wenn du einen Honda fährst."
"Ich denke, das eine Podium von Silverstone ist der beste Beweis dafür. Du musst einfach daran glauben, dass alles möglich ist. Als ich 2000 in Hockenheim mein erstes Rennen gewann, hatte ich zuvor den 18. Platz in der Startaufstellung belegt."
"Mein Wochenende war also schon gelaufen. Ich hätte genauso gut ein neues beginnen können. Manchmal klappt es aber doch. Es hat also beides seinen Reiz. Das gefällt mir. Du hast halt mehr Freude daran, wenn du gewinnst."
Ist die Kritik an "Schumi" gerechtfertigt?
Frage: "Mercedes hat das Auto umgebaut, sodass es Michael Schumacher nun etwas besser entgegen kommen sollte. Wird das Nico vor Probleme stellen?"
Barrichello: "Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie sich das Auto verhält und wie Nico mit dem Auto zurecht kommt. Ich kann da nur eine sehr vage Analyse abgeben."
"Vorab kann man das ohnehin nicht beurteilen. Warten wir also einmal ab. Ich denke jedenfalls nicht, dass ein Team wie Mercedes das Fahrzeug so modifizieren würde, dass es einem Fahrer besser liegt, dem anderen aber weniger. Damit wäre keinem geholfen."
Frage: "Bist du überrascht davon, wie viel Kritik Schumacher einstecken muss?"
Barrichello: "Naja, er ist nun eben ein siebenmaliger Weltmeister und entsprechend hoch sind die Erwartungen. Wer ihn aber schon damals gemocht hat, geht nun sicherlich weniger kritisch mit ihm um."
"Wer ihn früher nicht gemocht hat, ist jetzt der Erste, der einen Stein wirft. So ist das im Leben. Ich habe aber schon immer gesagt, dass es sehr viel Mut braucht, um zurückzukehren. Er hat aber schon sieben Titel gewonnen. Was hat er denn noch zu beweisen? Ich denke jedenfalls, dass es eine neue Situation für ihn ist."
"In der Vergangenheit war er niemals glücklich, wenn er hinten lag. Er ist ganz sicher ein fantastischer Fahrer, doch jetzt muss er sich anpassen. Ich glaube nicht, dass er im Augenblick sehr viel Spaß hat, aber da muss man ihn schon selbst fragen. Ich sehe ja nur sein Gesicht, wir sprechen nämlich nicht miteinander."
Button und Barrichello als unterschätzte Fahrer
Frage: "Wie beurteilst du das bisherige Abschneiden von Jenson Button bei McLaren? Jeder dachte, er würde gegen Lewis Hamilton überhaupt kein Land sehen..."
Barrichello: "Meiner Meinung nach wird Jenson schlichtweg unterschätzt. Er ist ein großartiger Fahrer. Wir hatten ein tolles Duell bei Honda, während dessen wir sehr gewachsen sind."
"Ich gehe sogar davon aus, dass er durch den Druck, den ich im vergangenen Jahr auf ihn ausgeübt habe, noch besser geworden ist. Er ist ein richtig guter Racer. Darin ist er viel besser als auf die eine schnelle Runde in der Qualifikation. Ich rechne also fest damit, dass er in diesem Jahr noch einige prima Rennen zeigen wird."
Frage: "Warum wird ein Fahrer wie Button unterschätzt?"
Barrichello: "Das kommt oft vor. So sind die Leute eben. Massa wird unterschätzt, ich werde unterschätzt. So etwas entsteht eben in der Formel 1 und man tut sich schwer damit zu verstehen, warum das passiert. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass in der Formel 1 nur die bösen Jungs gewinnen. Meistens haben die Leute aber keinen Grund dafür, dich zu unterschätzen."
"Das Leben ist aber ein Kreis, bei dem man sich nur allzu schnell verirren kann. Abgesehen davon sollte man akzeptieren, dass Probleme nur deswegen Bestand haben, dass du dich verbessern kannst. Wenn du erst einmal unten bist, kommst du nur schwer wieder auf die Beine. Wenn du aber akzeptiert, dass du durch das Problem wachsen kannst, dann hast du langfristig mehr davon."

