• 27.08.2010 11:10

  • von Fabian Hust

Barrichello: "Auf geht's in die nächsten 100 Rennen!"

Rubens Barrichello feiert in Spa-Francorchamps seinen 300. Grand Prix und präsentiert sich motiviert, ehrgeizig und leidenschaftlich wie eh und je

(Motorsport-Total.com) - Rubens Barrichello wird beim Großen Preis von Belgien einen neuen Rekord aufstellen. Der Brasilianer absolviert seinen 300. Grand Prix. Sein Arbeitgeber Williams organisierte bereits im Vorfeld für seinen Fahrer eine Party, die sich der Großteil des Feldes nicht entgehen ließ. Auch Formel-1-Boss Bernie Ecclestone schaute vorbei. Barrichello trug ein T-Shirt mit einem Tachometer, welcher eine Bandbreite von null bis 300 hat - die Nadel strebt gen 300.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Der Brasilianer Rubens Barrichello wird am Sonntag "300" alt...

"Ich fühle mich großartig", so der 38-Jährige im Gespräch mit Medienvertretern. "Es ist eine großartige Ehre, bei einer solchen Veranstaltung an den Start zu gehen. Sie hat mir so viel Gutes beschert, unter anderem meine erste Pole-Position. Ich bin gerührt, wie konkurrenzfähig ich noch beim 300. Rennen bin."#w1#

"Schon nach einer Woche wollte ich wieder das Auto fahren." Rubens Barrichello

Von Müdigkeit ist beim Rennfahrer aus Sao Paulo keine Spur. In der Sommerpause erholte er sich in seiner Heimat Brasilien: "Schon nach fünf Jahren in der Formel 1 hatte ich immer das Gefühl, dass die Ferien nicht lange genug sind. Ich wollte einfach mehr Zeit haben. Aber jetzt fühlt es sich anders an, ich weiß nicht warum. Schon nach einer Woche wollte ich wieder das Auto fahren. Ich glaube, dass sich meine Frau Sorgen macht, weil sie befürchtet, dass ich das Auto ewig fahren werde..."

Seine Frau habe ihn noch nie gebeten, seine Karriere zu beenden: "Meine Kinder denken definitiv, dass ich auf ewig Rennen fahren werde. Ich habe das Gefühl, dass es eine schwierige Entscheidung sein wird, wenn ich sage, dass ich aufhören werde. Aber ich bin ehrlich zu mir, also wird jener Tag, an dem ich das Gefühl habe, dass es kein großes Vergnügen mehr ist, durch die Kurven zu fahren, jener Tag sein, an dem ich weiß, dass es Zeit ist, aufzuhören."

Rubens Barrichello

Rubens Barrichello mit seinem T-Shirt zum 300. Jubiläum Zoom

Er habe bisher noch nie an Rücktritt gedacht: "Ich habe immer daran gearbeitet, meinen Traum am Leben zu erhalten und weiter zu machen. Die schwierigste Phase meiner Karriere war 1996, als ich keinen Vertrag mehr mit Jordan hatte. Ich bekam einen guten Vertrag mit Stewart. Das war das einzige Mal, als ich darüber sprach, in den IndyCars zu fahren."

"Als ich mit der Formel 1 begann, da hatte ich nie davon geträumt, dass ich 300 Rennen später immer noch dabei sein würde. Ich bin sehr stolz auf das, was ich erreicht habe. Das war eine unglaubliche Reise. Ich genieße meine Arbeit mehr als jemals zuvor. Also auf geht's in die nächsten 100 Rennen!".

Abgesehen vom Rennen 1994 in Imola, als er sich bei einem schweren Unfall den Arm brach, war Barrichello immer mit von der Partie. In 18 Saisons stand er 68 mal auf dem Podium, holte sich elf Siege, fuhr 17 mal die schnellste Rennrunde und verbrachte 868 Runden in Führung. Insgesamt 637 WM-Punkte hat der Rennfahrer auf seinem Konto.

Rubens Barrichello

Rubens Barrichello blickt auf seine Karriere... Zoom

Sein Debüt gab Barrichello im Alter von 20 Jahren im Jahr 1993 im Jordan in Südafrika. Im Qualifying sicherte er sich Position 14, einen Rang vor Gerhard Berger im Ferrari. In seinem dritten Rennen, beim Großen Preis von Europa, fuhr er unter regnerischen Bedingungen auf dem zweiten Rang, als ihm bei noch sechs verbleibenden Runden das Benzin ausging. Ein Jahr später stand er beim Pacific-Grand-Prix als Dritter das erste Mal auf dem Podium.

Die erste Pole-Position folgte im selben Jahr beim Großen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps. Bis 2000 musste sich Barrichello gedulden, bis er beim Großen Preis von Deutschland im Ferrari unter regnerischen Bedingungen seinen ersten Sieg feiern konnte: "Da habe ich das Maximum aus dem Auto geholt."

Einen seiner schwärzesten Momente erlebte er im Jahr 2002, als er beim Großen Preis von Österreich Michael Schumacher den Sieg überlassen musste: "Ich dachte, dass dies meine Position im Team stärken würde. Aber da lag ich falsch. Ich habe nie das zurückbekommen, was ich damals abgegeben habe."

"Ich dachte, dass dies meine Position im Team stärken würde. Aber da lag ich falsch." Rubens Barrichello

Barrichello, der an beinahe einem Drittel aller Läufe zur Formel-1-Weltmeisterschaft teilgenommen hat, sieht vor allem seinen unbändigen Optimismus als Schlüssel zu seiner langen Karriere. Er begegnet Problemen mit einem Lächeln und versucht, aus diesen zu lernen: "Ich habe in jedem Jahr Fortschritte gemacht, bin als Mensch und als Fahrer besser geworden. Ich war zu mir immer ehrlich. Wenn man einen Fehler macht, dann gibt man ihn zu. Ich denke, dass die Teams dies zu schätzen wissen."

Formel-1-Boss Bernie Ecclestone ist ebenfalls ein großer Fan von Rubens Barrichello. In seiner Liste der größten Formel-1-Stars tauchte Barrichello im Jahr 2003 nach Michael Schumacher und Kimi Räikkönen auf dem dritten Platz auf: "Rubens ist ein guter Fahrer, und er ist schon so lange dabei. Die Fans lieben ihn, weil er für Ausdauer steht."

Trotz seiner gewaltigen Leidenschaft für den Motorsport zeigt sich Barrichello überrascht, dass er nach wie vor so hungrig auf die Formel 1 ist: "Darüber bin ich überrascht. Ich kann euch gar nicht sagen, warum das so ist. Ich war nach Brasilien zurückgekehrt und schon seit Montag bin ich eine Stunde pro Tag früher aufgestanden, um mich auf die Zeitzone in Europa vorzubereiten."

"Die Leute mögen vielleicht sagen, dass ich verrückt bin..." Rubens Barrichello

Barrichello hat in seiner Karriere viel erreicht, doch es war ihm nie gelungen, die Weltmeisterschaft zu gewinnen: "Ich bereue aber nichts. Ja, ich habe es nicht geschafft. Aber ich denke, dass ich so viel gelernt und die ganze Zeit über besser geworden bin. Der Grund, warum ich nach wie vor in der Formel 1 arbeite ist jener, dass ich immer noch das Ziel habe, Formel-1-Weltmeister zu werden. Die Leute mögen vielleicht sagen, dass ich verrückt bin..."

Auch seine Zeit bei Ferrari, als er neben Michael Schumacher die Nummer zwei spielen musste, bereut er nicht: "Ich hatte eine großartige Zeit. Natürlich kämpfte ich die ganze Zeit über, um dieselbe Behandlung zu bekommen, und an dem Tag, als ich spürte, dass ich sie wohl nicht mehr bekommen würde, war jener Tag, an dem ich etwas anderes suchte und das Team verließ."

Rubens Barrichello

Viele Kollegen schauten vorbei, um ihrem Kollegen zu gratulieren Zoom

"Aber selbst in diesen Jahren hatte ich ein Auto, das besser war als alle anderen Autos. Ich hatte immer noch die Möglichkeit, Rennen zu gewinnen, selbst wenn Michael neben mir fuhr. Auch bei meinen anderen Teams hatte ich viel Spaß und Vergnügen, aber die Autos waren nicht gut genug, um Rennen zu gewinnen. Meine Jahre bei Ferrari waren also eine großartige Zeit."

Während seiner Zeit bei den Italienern sei er nie am Morgen aufgewacht und habe gedacht, dass er Weltmeister sein könnte, wenn er einen anderen Vertrag gehabt hätte: "Ich lebte in meiner eigenen Welt, konzentrierte mich auf die Gegenwart. Klar wäre es für mich ein Leichtes gewesen zu sagen, dass ich schon zweimal Weltmeister hätte sein können. Aber das hätte nichts geändert, und es hätte mich nicht besser gemacht. Ich kämpfe immer noch dafür, noch gibt es eine Chance."

Körperlich fühlt sich Barrichello heute sogar besser als mit 18 Jahren: "Damals hatte ich jede Menge Rückenschmerzen. Ich denke, dass sich mein Körper an das Auto gewöhnt hat. Ich habe das Gefühl, dass ich auch mit 41 auf demselben Niveau fahren kann, aber genau weiß man das natürlich nie. Wenn du drei Wochen Pause machst, dann spürt dein Körper das. Ich kann mir also vorstellen, dass es sich noch übler anfühlt, wenn man eine längere Pause einlegt."

"Das letzte Mal, als ich um vier Uhr aufwachte und in die Sporthalle ging, sagte meine Frau zu mir 'Du bist sowas von verrückt'." Rubens Barrichello

Er brauche momentan auch definitiv keine Pause: "Mental fühle ich mich wohl besser als jemals zuvor", so Barrichello im Interview mit der Nachrichtenagentur 'Reuters'. "Ich bin so konkurrenzfähig, dass ich mir nicht vorstellen kann, keinen Rennwagen zu fahren. Das letzte Mal, als ich um vier Uhr aufwachte und in die Sporthalle ging, sagte meine Frau zu mir 'Du bist sowas von verrückt'."

Und ein bisschen sentimental scheint Barrichello auch zu sein. Er verbrachte die vergangenen paar Wochen damit, Videokassetten seiner Rennen auf DVD zu übertragen und einige davon aus der Formel Ford und der Formel 3 auch anzuschauen.

"Ich kehrte um 5:30 Uhr nachhause zurück, meine Kinder und meine Frau schliefen. Ich musste einfach etwas machen... Es hat Spaß gemacht, diese Rennen anzuschauen. Ich kann mich an sie alle gut erinnern." Wann er sein letztes Formel-1-Rennen auf DVD brennen wird, das kann und will Barrichello heute noch nicht sagen...