Anderson: Formel 1 soll sich auf wahre Probleme konzentrieren
Bahrain hat bewiesen, dass das neue Reglement funktioniert: Jetzt - meint Gary Anderson - kann man sich auf die Dinge konzentrieren, die man wirklich lösen muss
(Motorsport-Total.com) - Jeder, der nach dem Grand Prix von Bahrain denkt, dass die Formel 1 langweilig ist, hat offensichtlich Scheuklappen auf. Ich verfolge diesen Sport schon lange, und ich kann mich an kein Rennen erinnern, in dem es im gesamten Feld so viel echte Action gab. Das waren nicht nur künstliche DRS-Überholmanöver, sondern echte Überholmanöver, weil Fahrer unter Druck Fehler machten. Es wurde Rad an Rad gekämpft, teilweise über mehrere Kurven hinweg. Das war die Formel 1 in ihrer besten Form!
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Thriller in Manama: Bahrain hat bewiesen, dass die neue Formel 1 spannend ist Zoom
Sogar die Kulisse trug dazu bei, denn Bahrain hat diesmal zum zehnjährigen Jubiläum im Formel-1-Kalender ein Nachtrennen ausgetragen. Kompliment also an die Streckenbetreiber und an Bernie Ecclestone für diese Idee, denn es sah fantastisch aus. Bitte mehr davon, denn derartige Rennen sorgten für ein zusätzliches Spektakel.
Rosberg benachteiligt?
Okay, Mercedes hat alles dominiert, startete mit beiden Autos aus der ersten Reihe, war rund eine Sekunde schneller als alle anderen, Nico Rosberg fuhr die Schnellste Runde, und am Ende gab es einen Doppelsieg zugunsten von Lewis Hamilton. Obwohl es für beide einfach gewesen wäre, Gas rauszunehmen und die Punkte zu kassieren, flogen die Fetzen - das war Racing pur.
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Ex-Jordan-Technikchef Gary Anderson im Interview mit Reglement-Kritiker Horner Zoom
Wenn ich irgendetwas auszusetzen hatte, dann war es das Timing von Rosbergs erstem Boxenstopp. Das Duo war mitten im Zweikampf, als Hamilton hereingeholt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wusste man am Mercedes-Kommandostand, dass der Fahrer, der früher stoppt, durch die frischen Gummis schneller ist, trotzdem musste Rosberg noch zwei weitere Runden warten.
Als die erste Boxenstoppphase vorüber war, lag er plötzlich mehr als fünf Sekunden zurück, anstatt im Getriebe seines Teamkollegen zu hängen und um die Führung zu kämpfen. Wäre ich Rosberg, würde mich das etwas frustrieren.
Rote Taxis in Bahrain
Was wirklich herausgestochen hat, war die enorme Professionalität der Teams und Fahrer an der Spitze. Es gab harte Kämpfe zwischen den Teamkollegen, die die Teams zugelassen haben, aber der Respekt aller hat eine Formel 1 gezeigt, wie sie sein sollte.
Vor dem Hintergrund der teaminternen Zweikämpfe sind die Aussagen von Ferrari-Boss Luca di Montezemolo interessant. Er hat sich lautstark zur Lage der Formel 1 und ihren Problemen zu Wort gemeldet. Diese sei wie Taxifahren, hat er gesagt.
Wie die meisten Formel-1-Fans liebe ich Ferrari, und ich möchte sie an der Spitze sehen, aber ich muss leider sagen, dass es an diesem Sonntag nur zwei Taxis gab. Und sie waren beide rot. Ferrari hat viel Arbeit vor sich, um konkurrenzfähig zu sein, und es ist höchste Zeit, dass sie sich an die Arbeit machen anstatt zu jammern, sonst wechselt Fernando Alonso bald zu einem anderen Team.
Sound: Nur nicht pfuschen!
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Luca di Montezemolos Aussagen sorgten für Verwunderung Zoom
Es ist nicht so, dass die Formel 1 keine Probleme hätte, aber im großen Zusammenhang geht es da mehr um die i-Tüpfelchen. Man muss nicht gleich das Rad neu erfinden. Der erste Punkt, dem man sich annehmen sollte und der medial hohe Wellen geschlagen hat, ist der Lärm. Wir alle wollen, dass diese Autos beinahe das Trommelfell zum Platzen bringen, aber ich fürchte, das wird nicht mehr passieren.
Daher habe ich eine Bitte an die FIA und die unterschiedlichen Arbeitsgruppen: Greift bitte nicht auf eine künstliche Pfuschlösung zurück. Wenn die Sache nicht ordentlich gelöst werden kann, dann sollte man es einfach so belassen, wir werden uns schon daran gewöhnen. Stattdessen sollte man sich auf die Dinge konzentrieren, die für so fantastische Rennen wie in Bahrain sorgen.
Strafensystem nicht verhältnismäßig
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Pastor Maldonado schickte Esteban Gutierrez in eine Rolle Zoom
Punkt zwei auf meiner Liste ist das Strafensystem, das wirklich überarbeitet werden muss. Kann mir irgendwer erklären, was daran fair sein soll, dass Daniel Ricciardo um zehn Startplätze zurückversetzt wird, wenn er doch nur auf sein Team hört und nach einem missglückten Boxenstopp in Malaysia losfährt?
Und dann haben wir da einen Pastor Maldonado, der wieder ein bisschen rückfällig wird. Er verlässt die Boxen und schießt Esteban Gutierrez ab, der in die erste Kurve einlenkte. Gutierrez' Sauber hat sich dann überschlagen - es handelte sich um einen ziemlich ernsten Unfall, der dem finanzschwachen Sauber-Team teuer kommt. Und für all das wird er beim nächsten Rennen nur um fünf Startplätze zurückversetzt.
Okay, ihm wurden auch eine Zehn-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe und drei Strafpunkte aufgebrummt, aber sind wir doch mal ehrlich: Diese zwei Strafen stehen nicht im Verhältnis zum Tatbestand.
Handlungsbedarf beim Safety-Car
Der dritte Punkt betrifft den Einsatz des Safety-Cars, der nach dem Maldonado-Gutierrez-Unfall viel zu langsam von Statten gegangen ist. Lange, bevor es auf die Strecke geschickt wurde, stand das Auto mit Beschädigungen bei allen vier Rädern da, und die anderen Fahrer wunderten sich, was passiert war und wie es weitergeht. Es war klar, dass das Safety-Car benötigt werden würde.
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Safety-Car: Muss die FIA in Zukunft schneller reagieren? Zoom
Und was es noch schlimmer macht: Das Safety-Car war zu lange auf der Strecke. Die Herangehensweise, die Überrundeten durchzulassen, damit sie wieder in der gleichen Runde sind, beraubt uns dessen, was wir wirklich sehen wollen: echten Rennsport. Davon hätte es noch mehr gegeben, wenn es früher weitergegangen wäre.
Daher mein Vorschlag: Anstatt die Runde aufzuholen, müssen sich alle Überrundeten hinter die Top 10 zurückfallen lassen. Das ginge schneller, und es würde den Punkteanwärtern erlauben, ihren Kampf gleich nach dem Neustart auszutragen.
Die Basis stimmt
Taten sagen mehr als Worte, aber man sollte bei jeglichen Änderungen an der Formel 1 nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten. An alle Beteiligten: Bitte seht euch die Problem genau an und behandelt sie direkt. Ändert nicht irgendwas, damit etwas geändert wird, denn dadurch könnten Probleme entstehen, die noch schwieriger zu lösen sind.
Rennen wie Bahrain werden nicht jedes Wochenende passieren. Aber wenn es solche Rennen öfter gibt, dann würde das viele Leute, mich eingeschlossen, sehr glücklich machen.