• 27.03.2010 14:30

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

"Aktive Radaufhängung": Teams wünschen Klarstellung

Red Bull dementiert, überhaupt eine zu haben, aber Ross Brawn fordert, dass sich die FIA zum Thema der variablen Bodenhöhe äußern sollte

(Motorsport-Total.com) - Aufmerksame Beobachter haben in Bahrain festgestellt, dass Sebastian Vettel und Mark Webber über die eklatanten Bodenwellen im neuen Streckenabschnitt selbst zu Beginn des Rennens hinweggleiten konnten, als hätten sie keinen Tropfen Benzin (und damit zusätzliches Gewicht) im Tank. Das sorgt nun mit zwei Wochen Verspätung für Diskussionen im Fahrerlager.

Titel-Bild zur News: Red-Bull-Radaufhängung

Die Bodenhöhe des RB6 soll angeblich je nach Benzinlast variabel sein

"Der Red Bull und einige andere Autos können im Qualifying tiefer fahren, als man annehmen würde, wenn sie für das Rennen wieder Benzin nachfüllen müssen", wunderte sich McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh nach dem Qualifying in Australien im 'BBC'-Interview und sprach von "Beweisen, dass Systeme zur Kontrolle der Bodenhöhe verwendet werden, die viele Leute als nicht zulässig einstufen würden. Wie man sich vorstellen kann, arbeiten wir nun auch an so einer Lösung. Die ursprünglichen Regeln ließen uns aber annehmen, dass solche Systeme nicht erlaubt sind."#w1#

Horner dementiert Existenz eines Systems

Die Antwort von Red Bull ließ nicht lange auf sich warten: Ebenfalls über die 'BBC' ließ Teamchef Christian Horner ausrichten, er könne "absolut garantieren", dass der RB6 über kein System zur Anpassung der Bodenfreiheit während der Fahrt verfüge. Stattdessen spielte er den Ball zurück und stichelte: "Bei McLaren gehen lustige Dinge vor sich: Lewis will Marks Manager sein, Ron glaubt, dass unser Tank zu klein ist, und jetzt unterstellt uns Martin eine Bodenhöhenregulierung."

Worauf er anspielt, ist klar: Lewis Hamilton meinte diese Woche, Mark Webber werde nächstes Jahr zurücktreten, was der vor seinem Heimrennen umgehend dementierte, und Ron Dennis vermutete nach den Problemen von Sebastian Vettel in Bahrain, dass der einfach nur Benzin gespart haben könnte und gar keine Probleme mit der Zündkerze hatte. Zwischen McLaren und Red Bull scheint ein Kleinkrieg ausgebrochen zu sein. Zur Erinnerung: McLaren hat im Vorjahr mit seinem Veto verhindert, dass Red Bull 2010 Mercedes-Motoren bekommt...

Doch unabhängig davon beschäftigt das Thema Kontrolle der Bodenhöhe das Fahrerlager, schließlich erinnert ein solches System frappant an die (damals elektronisch gesteuerte) aktive Radaufhängung, die von der FIA Ende 1993 verboten wurde. Zwar soll es sich beim Red-Bull-System, das es laut Horner ja gar nicht gibt, um eine "passive" Variante handeln (was auch immer das bedeuten mag), doch ob illegal oder nicht: Die Diskussionen darüber sind nicht mehr aufzuhalten.

Ross Brawn

Ross Brawn findet, dass die FIA das Thema aus der Welt schaffen sollte Zoom

Daher fordert Ross Brawn: "Ich denke, wir sollten das Thema seitens der FIA klarstellen lassen, um Red Bull nicht Unrecht zu tun, denn da gehen einige Anschuldigungen um. Das ist unfair, denn sie haben ein gutes Auto und es gibt keine Hinweise darauf, dass sie irgendetwas Illegales machen", gibt sich der Mercedes-Teamchef diplomatisch - vielleicht aus eigener Erfahrung: Als er 1994 noch für Benetton arbeitete, wurde ihm unterstellt, eine aktive Radaufhängung in der Software des Boliden "versteckt" zu haben. Heute weiß man: nicht ganz zu Unrecht...

Bodenhöhe: Je tiefer, desto besser

Das Thema Bodenhöhe stuft Brawn als wichtig ein: "Man versucht, vorne so tief wie möglich zu sein, um den Frontflügel so tief wie möglich zu positionieren", erklärt er. "Ein oder zwei psi Reifendruck machen da eineinhalb bis zwei Millimeter an Bodenhöhe aus, aber dadurch verändert sich auch das Verhalten der Reifen. Mit dem Reifendruck können wir während der Trainings spielen, nach dem Qualifying, sogar während des Rennens beim Boxenstopp. Das ist eine einfache Methode, um die Bodenhöhe anzupassen."

"Es ist aber notwendig, dass die FIA präzisiert, was erlaubt ist. Die Regel besagt in etwa, dass die Radaufhängungen zwischen Qualifying und Rennen nicht verändert werden dürfen. Alles, was die Radaufhängungen beeinflusst - sei es der Gasdruck oder die Manipulation der Temperatur -, würde sich auswirken. Charlie (Whiting, Technischer Delegierter der FIA; Anm. d. Red.) muss das klarstellen, damit die Kontroverse aus der Welt geschafft werden kann", fordert Brawn und betont, das das Thema Bodenhöhe auf Strecken mit vielen Bodenwellen viel akuter ist als anderswo.

Indes ruderte Whitmarsh ein paar Stunden nach seinen 'BBC'-Aussagen leicht zurück: "Ich habe gesagt, dass da etwas im Gange ist, aber ich weiß nichts Spezifisches", so der McLaren-Teamchef. "Im Fahrerlager wird darüber diskutiert und wir werden uns das auch anschauen. Wenn die Ingenieure vor ein paar Monaten mit dieser Idee zu uns gekommen wären, dann hätten wir gesagt, es ist nicht umsetzbar, aber wenn es Beweise gibt, dass solche Systeme legal sein könnten, dann brauchen wir auch so schnell wie möglich eins!"

Lotus 1987: Aktive Radaufhängung

1987: Das Lotus-Team führte die aktive Radaufhängung in der Formel 1 ein Zoom

Red Bull habe dadurch möglicherweise einen großen Vorsprung, "aber der ist nicht uneinholbar", zeigt sich Whitmarsh kämpferisch und sagt: "Im Qualifyingtrimm sind sie im Moment schneller als die anderen Autos. In der Formel 1 geht es um kleine Prozentsätze, teilweise sogar nur um Bruchstücke eines Prozents, was die Leistung angeht. Wenn ein Auto in der Formel 1 um so viel schneller ist, aber nicht groß anders aussieht, dann ist das auf der Stoppuhr signifikant..."