• 10.05.2006 12:15

  • von Inga Stracke

Aguri Suzuki im großen 'F1Total.com'-Interview

Teamchef Aguri Suzuki über die Entstehung seines Formel-1-Projekts, die Fortschritte mit dem neuen Auto und seine eigenen Comeback-Ambitionen

(Motorsport-Total.com) - Am 21. Oktober 1990 schlug die bisher größte Stunde eines japanischen Rennfahrers im Motorsport, als Aguri Suzuki bei seinem Heim-Grand-Prix in Suzuka auf Lola-Lamborghini hinter Nelson Piquet und Roberto Moreno sensationell Dritter wurde. Fast 16 Jahre sind seither vergangen - und heute ist Suzuki mit seinem eigenen Team in der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Aguri Suzuki

Aguri Suzuki will sich keineswegs mit der Rolle des Underdogs zufrieden geben

Die andere Seite der Boxenmauer ist für den 45-Jährigen nicht neu, schließlich betreibt er nach wie vor auch Teams in verschiedenen Rennserien abseits der Königsklasse des Motorsports. Seine bisherigen Erfolge sind bemerkenswert, weshalb er auch den Durchbruch in der Formel 1 nur für eine Frage der Zeit hält - fernab jeder japanischen Zurückhaltung. Langfristiges Ziel Suzukis ist sogar der Gewinn der Weltmeisterschaft.#w1#

Suzuki spricht nur sehr gebrochen Englisch

'F1Total.com' traf den Japaner am Nürburgring zum Interview, was sich jedoch aufgrund seiner eher klapprigen Englischkenntnisse - Landsmann Yuji Ide lässt grüßen - als recht schwierig gestaltete. Suzuki bemühte sich aber, alle Fragen möglichst offen zu beantworten, und scheute sich im Zweifel nicht davor, die Dienste seiner Pressesprecherin zum Dolmetschen heranzuziehen...

"Ich habe vor ungefähr 35 Jahren mit Go-Karts begonnen." Aguri Suzuki

Frage: "Aguri, kannst du dich bitte zunächst den deutschen Fans kurz vorstellen? Wo kommst du her und was ist dein Hintergrund?"
Aguri Suzuki: "Ich bin in Japan zum Motorsport gekommen. Ich habe vor ungefähr 35 Jahren mit Go-Karts begonnen, bin dann Formel 3, Tourenwagen, Formel 2, Formel 3000 und dann natürlich auch Formel 1 gefahren."

Frage: "In der jüngeren Vergangenheit fanden deine Motorsportaktivitäten überwiegend in den USA statt, gemeinsam mit Adrian Fernandez. Seit wann ist das so?"
Suzuki: "Seit vier Jahren. Ich bin mit dem Team 2003 in die IRL eingestiegen."

Frage: "Läuft dieses Projekt auch jetzt noch weiter?"
Suzuki: "Ja."

Frage: "Reist du hin und her? Wie machst du das, gleich zwei Teams zu leiten?"
Suzuki: "Es sind nicht nur zwei Teams! Ich bin in der Formel 1, in der IRL, in der Japanischen GT-Meisterschaft, in der Formel Nippon - und wir haben auch bei den Go-Karts einige Projekte laufen."

Frage: "Das hast du alles unter Kontrolle?"
Suzuki: "Ja. Ich habe aber natürlich schon ein paar Leute, die mir helfen."

Frage: "Wann entstand in dir die Idee, ein Formel-1-Team zu gründen?"
Suzuki: "Als ich meine Karriere als Formel-1-Fahrer beendete, dachte ich vom ersten Moment an darüber nach, eines Tages mit einem eigenen Team zurückzukehren. Das ist mein Traum! Für einen jungen Fahrer ist es ein Traum, in der Formel 1 zu fahren, und ein etwas älterer Herr wie ich träumt eben von seinem eigenen Team. Das ist mein Traum, das ist meine Zukunft."

Erste Kontaktaufnahme mit Honda im Februar 2005

Frage: "Und wann wurde dieses Vorhaben wirklich konkret?"
Suzuki: "Im Februar 2005 nahm ich erste Gespräche mit Honda auf, die allerdings noch nicht sehr konkret waren. Ich sagte ihnen, dass ich mein eigenes Formel-1-Team gründen möchte, und fragte an, ob mir Honda vielleicht dabei helfen könnte. Tatsächlich los ging es dann aber erst im vergangenen Oktober."

"Ich zog in der Fabrik im Oktober ein und führte erst dann die ersten Bewerbungsgespräche mit dem Personal." Aguri Suzuki

Frage: "Das ist aber ein sehr knapp gesteckter Zeitrahmen..."
Suzuki: "Ich zog in der Fabrik im Oktober ein und führte erst dann die ersten Bewerbungsgespräche mit dem Personal."

Frage: "Wie sehr wurdest du bei deinem Vorhaben von Honda unterstützt - sei es mit Personal oder Geld?"
Suzuki: "Sie haben mir mit allem geholfen."

Frage: "Es gibt also eine sehr enge Verbindung zu Honda. Wie eng ist der Kontakt zum Honda-Team in der Formel 1?"
Suzuki: "Es gibt da schon eine enge Verbindung. Das Honda-Team ist zwar das Honda-Team, aber Honda in Japan hat eine Motorsportabteilung, die uns sehr stark unterstützt. Außerdem arbeite ich nicht nur in der Formel 1 mit Honda zusammen, sondern auch in der IRL, in der Japanischen GT-Meisterschaft und in der Formel Nippon."

Frage: "Gibt es zwischen deinem IRL- und dem Formel-1-Team wegen der Rennerfahrung, die hier ja noch nicht so vorhanden ist, auch einen Austausch an Ingenieuren?"
Suzuki: "Nein. Ich verwende aber in allen Serien, in denen ich mit einem meiner Teams antrete, einen Honda-Motor."

Sato ist bei Super Aguri die Nummer eins

Frage: "Welche Rolle spielte Takuma Sato in der Gründung deines Formel-1-Teams? Wie lange kennst du ihn schon?"
Suzuki: "Natürlich spielte das eine Rolle. Er ist in Japan ein Superstar. Ich ging im Oktober auf ihn zu und fragte ihn, ob er für mich fahren möchte. Damit war er einverstanden."

Yuji Ide und Aguri Suzuki

Aguri Suzuki (rechts) im Gespräch mit seinem Sorgenkind Yuji Ide Zoom

Frage: "Euer Auto ist vier Jahre alt und daher nicht mit der Konkurrenz vergleichbar. Was steckt noch in diesem Chassis? Wie weit könnt ihr euch damit verbessern?"
Suzuki: "Es ist sehr schwierig, dieses Auto noch zu verbessern, denn es ist ein 2002er Arrows. Wir bauen aber gerade ein neues Auto, welches wir so früh wie möglich - noch dieses Jahr - einsetzen möchten."

Frage: "Wann genau möchtet ihr das neue Auto erstmals einsetzen? Nach der Sommerpause vielleicht?"
Suzuki: "Ja, sogar noch vor der Sommerpause. Wenn es nach mir ginge, dann sogar am liebsten im nächsten Rennen (lacht)! Wir versprechen uns viel davon."

Frage: "Du als ehemaliger Rennfahrer weißt sicher, wie es Yuji Ide ergangen sein muss, denn selbst Michael Schumacher sagt, dass es sehr schwierig sei, mit diesem Auto einen positiven Eindruck zu hinterlassen..."
Suzuki: "Ja, das stimmt schon. Ich hoffe aber wie gesagt, dass das neue Auto viel konkurrenzfähiger sein wird."

Frage: "Arbeitet ihr überhaupt noch am alten Auto oder lenkt ihr schon alle Ressourcen auf das neue Auto?"
Suzuki: "Wir konzentrieren uns nur noch auf das neue Auto. Es gibt schon noch kleinere Modifikationen für dieses Auto, aber das sind wirklich nur Kleinigkeiten. Das neue Auto ist uns wichtiger."

Derzeitiges Chassis ist so gut wie ausgereizt

Frage: "Könnt ihr vom neuen Auto noch etwas lernen, was für das neue etwas bringen könnte?"
Suzuki: "Nein. Wir bringen zu jedem Rennen ein paar neue Teile, aber damit findet man höchstens zwei oder drei Zehntel und keine zwei Sekunden. Mehr steckt in diesem Auto nicht mehr drin."

"Ich möchte schon mit Ide weitermachen." Aguri Suzuki

Frage: "Die FIA hat euch nahe gelegt, Yuji Ide auszutauschen. Verstehst du das oder bist du darüber enttäuscht?"
Suzuki: "Schwer zu sagen. Er ist mein Partner - und ich möchte schon mit Ide weitermachen. Er konnte vor Bahrain nicht wirklich testen - nur ein oder zwei Tage - und er hat keine Erfahrung in der Formel 1. Auch die Strecken kennt er nicht. Das ist das Problem. Ich bin sicher, dass er ein sehr begabter Fahrer ist, aber ohne Tests bist du heutzutage in der Formel 1 aufgeschmissen."

Frage: "Du bist mit der Entscheidung der FIA also nicht hundertprozentig einverstanden?"
Suzuki: "Schwer zu sagen..."

Frage: "Lass es mich anders formulieren: Finden Gespräche statt, um ihn eventuell noch mal zurückzuholen?"
Suzuki: "Ja. Ich hoffe, dass das klappen wird. Ich habe keine Ahnung, wann das der Fall sein könnte, aber ich möchte ihm von meiner Seite aus jedenfalls eine zweite Chance geben."

FIA-Veto gegen Ide kam für Suzuki unerwartet

Frage: "Werdet ihr ihm mehr Testkilometer geben?"
Suzuki: "In Zukunft schon, aber diese Entscheidung der FIA kam sehr unerwartet für uns, erst ein paar Tage vor dem Grand Prix. Vor Barcelona werde ich noch ein paar Meetings besuchen, um eine Lösung für dieses Problem zu finden."

"Wir wollen erst einmal abwarten, wie sich die FIA bezüglich Ide äußern wird." Aguri Suzuki

Frage: "Angenommen, Ide wird so bald nicht zugelassen: Wollt ihr dann Franck Montagny behalten oder doch lieber einen anderen Japaner verpflichten, vielleicht aus der GP2?"
Suzuki: "Da haben wir uns noch nicht entschieden. Wir wollen erst einmal abwarten, wie sich die FIA bezüglich Ide äußern wird."

Frage: "Ist es in Zukunft auch Aufgabe deines Teams, japanische Nachwuchsfahrer für Honda zu entdecken und in die Formel 1 zu bringen?"
Suzuki: "Wenn es einen guten japanischen Fahrer geben sollte, dann wäre ich glücklich darüber, ihm in der Formel 1 eine Chance zu geben, aber im Moment machen wir uns darüber keine Gedanken. Vielleicht holen wir irgendwann einmal jemanden aus dem Go-Kart oder aus der IRL in die Formel 1, aber in solchen Fällen ist es wichtig, den Jungs erst einmal ausreichende Testmöglichkeiten zu eröffnen."

Frage: "Als Niki Lauda Jaguar-Teamchef war, stieg er einmal selbst ins Auto, um seine Fahrer besser verstehen zu können. Kannst du dir so etwas auch vorstellen?"
Suzuki: "Wenn ich Zeit habe, vielleicht. Ich könnte mir das schon vorstellen, aber momentan habe ich dafür keine Zeit. Ich bin wirklich rund um die Uhr beschäftigt. Wenn wir unser neues Auto bekommen, werde ich vielleicht das alte Auto einmal testen, denn wenn ich jetzt einen Unfall baue, dann wäre es mangels verfügbarer Chassis' blöd."

Frage: "Was ist das langfristige Ziel von Super Aguri in der Formel 1?"
Suzuki: "Wir wollen Weltmeister werden! Das sagt jeder, der in der Formel 1 ist. Andererseits ist es momentan noch ein ordentlicher Fußmarsch, wenn ich aus der letzten Reihe so zur Pole Position nach vorne schaue..."

Super Aguri ab 2008 ein ernstzunehmendes Team?

Frage: "Und wie sieht es mit einem mittelfristigen Ziel für die nächsten zwei Jahre aus?"
Suzuki: "Schwer zu sagen. Wir müssen erst einmal das neue Auto abwarten. Mein Ziel für dieses Jahr ist, am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen. Nächstes Jahr sollten wir dann als Team insgesamt schon etwas kompetenter sein - und 2008 ist dann wieder eine andere Geschichte. Ich möchte mein Team Schritt für Schritt nach vorne führen."

Takuma Sato

Takuma Sato wird von den japanischen Fans wie ein Heiliger verehrt Zoom

Frage: "Bist du von Honda abhängig oder könntest du bei einem entsprechenden Angebot jederzeit zu einem anderen Motorenhersteller wechseln?"
Suzuki: "Wir arbeiten momentan mit Honda zusammen und sind ihnen gegenüber vertraglich verpflichtet. Ob sie das umgekehrt auch so sehen, musst du Honda fragen (lacht)! Wir wollen aber weiter mit ihnen zusammenarbeiten."

Frage: "Wie wurdest du von den anderen Teamchefs aufgenommen - eher freundlich oder eher wie jemand, der ihnen ein Stück von ihrem Kuchen wegnehmen will?"
Suzuki: "Das müsste man die anderen Teamchefs fragen. Ich kenne sie alle aus meiner Fahrerzeit."

Frage: "Macht es das vielleicht einfacher für dich?"
Suzuki: "Ja, ich denke schon. Wir mussten ja einen Antrag für eine verspätete Aufnahme in die Formel 1 stellen, weil wir die Frist nicht einhalten konnten, und die Annahme dieses Antrags war nur dank der einstimmigen Zustimmung aller anderen Teamchefs möglich. Wir wurden da gut unterstützt. Es ist für mich fast wie eine Heimkehr."

Frage: "Es gibt hinter den Kulissen all diese Diskussionen über die Automobilhersteller und ihre eigene Rennserie, auch wenn da endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Machen die Forderungen der Hersteller deiner Meinung nach Sinn oder siehst du sie eher als Bedrohung für den Grand-Prix-Sport?"
Suzuki: "Ich akzeptiere die Situation einfach so, wie sie ist - und natürlich verfolge ich das ganz genau. Ich sehe das alles aber ziemlich wertfrei."

Frage: "Du hast eine Spaltung in zwei Rennserien mit ChampCar und IRL ja in den USA selbst miterlebt..."
Suzuki: "Ja. Das ist schade, denn jetzt geht es beiden Serien schlecht. Auch in der Formel 1 würde eine Spaltung womöglich dazu führen, dass sich am Ende kein Mensch mehr dafür interessiert. Allerdings hoffe ich, dass die beiden Serien in den USA wieder zusammengeführt werden."

Super Aguri kann unabhängig von Honda entscheiden

Frage: "Honda ist Mitglied der Herstellervereinigung. Musst du ihre Entscheidungen mittragen und unterstützen?"
Suzuki: "Nein. Wir treffen da unsere eigenen Entscheidungen."

"Meine Projekte in den anderen Serien habe ich schon im Griff, aber die Formel 1 ist 100 Mal schwieriger!" Aguri Suzuki

Frage: "Hast du die ersten Rennen genossen oder war es eher harte Arbeit? Dass es schwierig werden könnte, war dir ja dank deiner Erfahrung sicher klar..."
Suzuki: "Es war schon ziemlich stressig. Meine Projekte in den anderen Serien habe ich schon im Griff, aber die Formel 1 ist 100 Mal schwieriger! Es ist die Königsklasse des Motorsports - und da spielen Faktoren wie Geld und Politik auch eine große Rolle."

Frage: "Ist das IRL-Team einfacher zu führen?"
Suzuki: "Ja, eindeutig. Es gibt dort nicht diese ganzen politischen Querelen und auch das Budget macht nur einen Bruchteil dessen aus, was die Formel 1 kostet."

Frage: "Wie schwierig war es, in so kurzer Zeit ein gutes Team für die Formel 1 zusammenzubekommen?"
Suzuki: "Am Anfang stellte ich eine Gruppe von sieben Leuten zusammen, die nach dem Schneeballprinzip weitere Leute suchten und fanden."

Frage: "Gibt es irgendetwas, was die Leute über dich oder dein Team wissen sollten? Welche Botschaft möchtest du transportieren?"
Suzuki: "Schwer zu sagen. Wir sind ein sehr kleines Team und unsere Leistungen sind keineswegs überragend, aber ich bin sicher, dass wir wachsen werden. Ich will jedenfalls nicht an diesem Ende des Fahrerlagers stehen bleiben! Vielleicht haben wir nächstes Jahr schon eine Garage weiter vorne..."