Absturz mit Ansage: McLaren in Melbourne Schlusslicht

McLaren landet im Qualifying von Melbourne abgeschlagen am Ende des Feldes, doch das kam nicht überraschend: Honda geht bei den Antrieben auf Nummer sicher

(Motorsport-Total.com) - Auf 155 Pole-Positions kann McLaren in seiner langen und ruhmreichen Geschichte in der Formel 1 zurückblicken, doch am Sonntag wird das Team beim Grand Prix von Australien in Melbourne mit einer völlig neuen Situation konfrontiert, denn Jenson Button und Kevin Magnussen werden aus der letzten Startreihe ins Rennen gehen. Das gab es seit Gründung des Teams im Jahr 1970 noch nie!

Doch trotz dieses historischen Absturzes hielt sich das Entsetzen bei McLaren nach dem Qualifying in Grenzen - zumindest bei den Fahrern: "Diese Performance war für uns keine Überraschung", sagt Jenson Button. "Wie wussten nach den Wintertests, dass wir nicht schnell genug sind und hier nicht konkurrenzfähig sein würden." Kevin Magnussen, der in Australien den rekonvaleszenten Fernando Alonso ersetzt, ergänzt: "Wir hätten schon ein bisschen Glück gebraucht, um in Q2 zu kommen."

Man möchte den Dänen korrigieren und sagen: Eine Menge Glück, denn der Rückstand auf Position 15 und damit zum Einzug in Q2 betrug über zwei Sekunden. Gegenüber der Pole-Position-Zeit von Lewis Hamilton (Mercedes) waren die McLaren sogar mehr als fünf Sekunden langsamer. "Die Zeiten sprechen für sich", versucht McLaren-Boss Ron Dennis im Gespräch mit 'Sky Sports F1' das Resultat gar nicht erst zu beschönigen, während Rennleiter Eric Boullier ein Stimmungsbild seiner Mannschaft zeichnete: "Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass alle bei McLaren-Honda mit dem Ergebnis des Qualifyings extrem unzufrieden sind."

Honda will Motorschäden vermeiden

Der Quell des McLaren-Übels liegt im Heck des Autos und hört auf den Namen Honda. Der Hybrid-Antrieb der Japaner, der bei den Wintertests regelmäßig für Probleme gesorgt hatte, liefert schlicht zu wenig Leistung. Das belegen die Geschwindigkeitsmessungen auf den Geraden. Dort fehlten den McLaren im Vergleich zum Rest des Feldes im Qualifying zwischen zehn und 20 km/h.

Allerdings kommt auch das für das Team nicht überraschend, denn nach den Defekten bei den Tests geht Honda in Sachen Antrieb auf Nummer sicher, wie Motorenchef Yasuhisa Arai erklärt: "Die höheren Temperaturen kamen den konservativen Motoreinstellungen, die wir an diesem Wochenende verwenden, nicht entgegen. Wir wollen zu Beginn der Saison keine Motorschäden riskieren."


Großer Preis von Australien

McLaren-Honda will den Rückstand nicht mit der Brechstange aufholen und treibt die Antriebe daher noch nicht ans Limit, um Defekte zu vermeiden. "Zu Beginn der Saison Motoren zu verheizen, ist nicht schlau", sagt Dennis. "Den Motor in der Anfangsphase der Saison instand zu halten, ist für die weitere Entwicklung entscheidend. Wir wollen Schritt für Schritt weiterentwickelte Motoren einsetzen", so der McLaren-Boss.

Ron Dennis: "Werden heftig kritisiert werden"

Der Brite verweist auf das Beispiel Red Bull, wo Daniel Ricciardo bereits am Freitag die erste von vier Antriebseinheiten verloren hat. "Renault ist ein Risiko eingegangen, das Ricciardo wahrscheinlich einen Motor gekostet hat. Er hat nun nur noch drei Motoren für die 20 Rennen in dieser Saison. Wir sind da extrem vorsichtig. Wir wollen Probleme, wie sie bei Red Bull eintreten können, vermeiden", so Dennis.

Eric Boullier, Yasuhisa Arai

Vor Rennleiter Boullier und Motorenmann Arai liegt noch viel Arbeit Zoom

Das Kalkül des Teams: In der Anfangsphase der Saison, in der das Gesamtpaket ohnehin noch nicht konkurrenzfähig ist, Antriebe sparen, um später in der Saison verbesserte Versionen einzusetzen und Strafen wegen Überschreitung des Antriebskontingents zu vermeiden. "Es ist frustrierend, wenn man unfreiwillig am Ende der Startaufstellung steht", sagt Dennis mit Blick auf mögliche Strafversetzungen. "Wir stehen nicht freiwillig dort, wollen zu Beginn der Saison aber vor allem Motoren sparen."

Für dieses langfristig sicherlich nicht ungeschickte Planung ist der McLaren-Boss auch bereit, zu Saisonbeginn Prügel von Medien und Fans einzustecken. "Wir werden in der Anfangsphase der Saison sicherlich heftig kritisiert werden, aber wir wissen, wie man gewinnt und haben volles Vertrauen in die Fähigkeiten von Honda, siegfähige Motoren zu bauen", so Dennis. "Wir müssen geduldig sein, hart arbeiten und als Team zusammenhalten."

McLaren hat volles Vertrauen in Honda

Das Vertrauen in Honda wird von den McLaren-Verantwortlichen seit dem Beginn der Zusammenarbeit gebetsmühlenartig betont und bildreich beschrieben. "Wir stehen vor einem Berg, den wir besteigen müssen, aber ich kann versichern: Wir werden ihn besteigen", sagt Rennleiter Boullier.

Daran, dass die Neuauflage der Kooperation zwischen McLaren und Honda, mittelfristig an die Erfolge Ende der 1980er Jahre anknüpfen kann, lässt Dennis aber keinen Zweifel. "Wenn man die Weltmeisterschaft gewinnen will, braucht man einen starken Partner, der die Fähigkeiten hat, den dementsprechenden Motor zu bauen. Das ist bei Honda der Fall, das haben sie oft genug bewiesen. Diese Mal wird es vielleicht etwas länger dauern, als uns lieb ist."

Die Japaner bedanken sich für das Vertrauen mit typisch asiatischer Höflichkeit. "Zunächst einmal danke ich beiden Fahrern für ihre Geduld und Entschlossenheit", sagt Motorenmann Arai. "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen, aber ihre Rückmeldungen sind positiv und bringen das ganze Team voran."

MP4-30 ist ein deutlicher Fortschritt

Bei allem Gram über den schwächlichen Antrieb und das schwache Abschneiden im Qualifying gibt es bei McLaren jedoch auch einen Silberstreif am Horizont, denn mit dem Chassis des MP4-30 ist dem Team nach Aussage der Fahrer ein deutlicher Fortschritt gelungen. Das neue Aerodynamik-Konzept des Ex-Red-Bull-Manns Peter Prodromou funktioniert. "Das Auto ist prinzipiell gut, wir sind nicht so weit weg", sagt Button. "Nun sammeln wir Erfahrungen und lernen mit jeder Runde dazu."

"Das Auto ist prinzipiell gut, wir sind nicht so weit weg." Jenson Button

Angesichts des gewaltigen Rückstands ist die Erwartungshaltung für das Auftaktrennen der Formel-1-Saison 2015 überschaubar. "Es wird ein schwieriges Rennen. Wir sind bisher noch keine Renndistanz gefahren. Mein längster Versuch ging über zwölf Runden", sagt Button. "Es wird ein schwieriger Tag, aber wir werden unser Bestes geben." Magnussen stellt klar: "Von Punkten brauchen wir morgen nicht reden, die sind für uns nicht drin."