• 26.02.2010 00:15

  • von Dieter Rencken

Webber-Interview: "Wir wollen noch mehr"

Mark Webber über seine Testbestzeit, Sebastian Vettel, die Konkurrenz und die neuen Teams, von denen er manche noch nicht für Formel-1-reif hält

(Motorsport-Total.com) - Es war eine deutliche Bestzeit: Red-Bull-Pilot Mark Webber war zum gestrigen Testauftakt in Barcelona um fast eine Sekunde schneller als die Konkurrenz. Am Abend sprach der Australier über den heutigen Testtag, die Gründe für seine Zuversicht, das Verhältnis zu Teamkollege Sebastian Vettel, die möglicherweise härtesten Gegner, die Fahrergewerkschaft GPDA und Jean Todt sowie die Probleme der neuen Teams.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mark Webber möchte dieses Jahr richtig um den WM-Titel kämpfen

Frage: "Mark, schnell unterwegs heute..."
Mark Webber: "Ja, es lief heute recht gut. Wir hatten neue Aerodynamikteile am Auto, die wir auch mit nach Bahrain nehmen werden. Es war also gut, dass es in die richtige Richtung ging. Wir ziehen unser Programm weiter durch, aber man weiß natürlich nie, was die anderen so machen."#w1#

Frage: "Werdet ihr diese Woche noch mehr Updates haben?"
Webber: "Nein, das war es jetzt eigentlich weitgehend."

Sensationeller Auftakt in Barcelona

Frage: "Du warst fast eine Sekunde schneller als alle anderen. Woran hat das gelegen?"
Webber: "Wir hatten neue Teile am Auto, die uns sehr geholfen haben. Und natürlich war das Auto von Benzin her nicht gerade das schwerste. Aber wir konnten die Informationen sammeln, die wir brauchen, und wir lernen weiter. Wir haben jedoch noch Probleme. Es ist nicht so, dass wir sagen, dass das Auto perfekt ist und wir jetzt in den Urlaub gehen. Wir haben noch Arbeit vor uns."

Frage: "Hattest du wirklich kaum Benzin an Bord?"
Webber: "Wir haben es zurück an die Box geschafft. Die Tankmenge lag zwischen null und 50 bis 60 Kilo, das könnt ihr euch aussuchen."

Frage: "Du hattest heute ein Problem mit dem Getriebe. Macht dir die Zuverlässigkeit Sorgen?"
Webber: "Okay, wir hatten heute ein Problem. Aber abgesehen davon lief es glatt, wir waren also nah dran an einem schönen, reibungslosen Testtag. Das müsste natürlich immer so sein. Aber wenn das Testen so beschränkt ist, stehen alle unter Druck und können Probleme bekommen. Außerdem muss man die Teile ans Kilometerlimit fahren, wenn man etwas über das Auto lernen will. Und das ist an den Rennwochenenden natürlich nicht der Fall."

"Ich habe schon erstklassige Winter erlebt und bin dann in den ersten drei Rennen ausgeschieden" Mark Webber

Frage: "Der RB6 scheint weniger zuverlässig zu sein als der RB5 zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Machst du dir Sorgen wegen der Zuverlässigkeit?"
Webber: "Ich habe schon erstklassige Winter erlebt, was das angeht, und bin dann in den ersten drei Rennen ausgeschieden. Wichtig ist, die Tests gut zu analysieren und zu diagnostizieren, was los ist. Manchmal gehen Teile wegen der Lebensdauer kaputt, wie das heute bei uns der Fall war. Solche Teile würde man im Rennen niemals einsetzen. Heute wäre also an einem Renntag alles glatt gelaufen und wir würden sagen, dass es ein außergewöhnlicher Tag war."

"Natürlich wäre es super, ein Auto zu haben, das so zuverlässig ist wie ein PKW, aber du musst ja auch an die Grenzen gehen und dann bleibt das Ding halt manchmal stehen. Wir müssen so viele Rennen wie möglich beenden, denn viele Ausfälle können wir uns nicht leisten. Manche passieren vielleicht durch Fahrfehler, aber die Dinge, die wir mechanisch beeinflussen können, die wollen wir kugelsicher machen. Im Vorjahr hatten wir dieselben Jungs, daher bin ich zuversichtlich, dass wir die Probleme der vergangenen Wochen in den Griff bekommen werden. Ausfälle sind nicht schön, aber das wissen wir selbst auch - das muss man uns nicht erklären."

Frage: "Ist das dann jetzt das finale Paket?"
Webber: "Es ist nah dran."

Frage: "Gibt es spezielle Bereiche, in denen ihr euch noch besonders steigern müsst?"
Webber: "Wir arbeiten immer an der Reifensituation. Wir verbessern das Auto immer noch weiter. Okay, heute haben wir viel Performance gebraucht, um auf diese Rundenzeit zu kommen, aber wir versuchen immer noch, vor Bahrain noch besser zu werden."

Alle Vorzeichen sind gut

Frage: "Werdet ihr für Bahrain noch neue Teile bekommen?"
Webber: "Ein paar, aber das größte Upgrade haben wir hier dabei. Doch es sind ja noch zwei Wochen bis dahin."

Frage: "Wie würdest du das Auto beurteilen im Vergleich zu den anderen, die du bisher gefahren bist?"
Webber: "Es ist ja noch kein einziges Rennen gefahren. Wir müssen es erst einmal zu den Rennen bringen. Aber ich habe hier für einen Zuschauer ein Foto vom RB5 unterschrieben - und ich habe an den RB5 gute Erinnerungen. Ich hoffe natürlich, dass ich an den RB6 noch bessere Erinnerungen haben werde! Der RB5 war ein schönes Auto und der RB6 ist noch besser. Die Autos fühlen sich im Moment nicht gerade toll an, weil sie schwer und die Reifen anders sind. Durch das Reglement hat sich das Feeling für die Autos sehr verändert. Man fühlt sich also eigentlich gar nicht so zufrieden, aber dann schaut man sich die Rundenzeiten an und denkt sich: Okay!"

Frage: "Wie geht es deinem Bein?"
Webber: "Sehr gut. Es ist noch nicht auf 100 Prozent, aber nahe dran. Ich bin überrascht, denn in den vergangenen Monaten habe ich riesige Fortschritte gemacht. Ich konnte langsam wieder mit dem Laufen beginnen - zwar noch nicht auf der Straße, aber auf weichem Untergrund."

"Die Favoriten ändern sich jeden Tag." Mark Webber

Frage: "Du und Sebastian Vettel seid für viele in diesem Jahr die Favoriten..."
Webber: "Nach dem heutigen Tag? Das ändert sich ja jeden Tag. In der einen Woche ist es Michael Schumacher, in der nächsten Woche ist es Fernando Alonso und dann sind wir es..."

Frage: "Trotzdem gehört ihr beide zu den Favoriten. Wird das an deinem Verhältnis zu Sebastian etwas ändern?"
Webber: "Wir hatten im vergangenen Jahr schon eine gesunde Rivalität und haben immer noch ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Wir haben einen super Teamgeist - ich glaube kaum, dass irgendjemand im Fahrerlager einen besseren Teamgeist hat. Wir sind beide heiß und natürlich sind wir bereit, zu fighten, so wie jeder Ingenieur und jeder auf der jeweiligen Seite der Box. Denn wir wollen alle das beste Ergebnis holen. Aber wir wissen beide auch, dass wir für Red Bull fahren."

"Im vergangen Jahr gab es Zeiten, in denen es ein Fahrer so und einer anders gemacht hat, und das Team hat hinter beiden gestanden. Es war für uns beide vollkommen fair. Das gibt uns Vertrauen und hilft uns, uns gegenseitig zu pushen. Ich habe zu Sebastian immer noch das gleiche gute Verhältnis wie zu den Zeiten, in denen wir noch nicht Teamkollegen waren. Auch das ist ein gutes Zeichen."

Stallkrieg nicht ausgeschlossen

"Man soll niemals nie sagen. Wenn wir anfangen würden, alle fünf Minuten ineinander zu krachen, dann würden sich die Dinge ändern. Aber wir hatten schon in der vergangenen Saison genügend Möglichkeiten dazu und es ist nicht passiert. Das liegt auch an Dietrich Mateschitz und an allen anderen im Team. Auch die Renault-Jungs sind super. Wir fühlen uns immer noch als kleines Team, sind aber eigentlich ein großes Team und waren im vergangenen Jahr erfolgreich. Das ist eine großartige Mischung. Und es gab über den Winter keine Veränderungen. Das ist gut für uns."

Frage: "Was ist der Mentalitätsunterschied zwischen jetzt und der Zeit vor deinen ersten Siegen?"
Webber: "Ich bin immer noch hungrig, aber es ist ein Riesenunterschied für die Motivation, ob du um Siege kämpfst oder nicht. Außerdem bin ich sehr glücklich, in diesem Team zu fahren. Ich liebe es, für diese Jungs zu fahren - da fällt es leicht, motiviert zu bleiben. Der Unterschied zwischen diesem Jahr und vergangenem Jahr? Ja, wir hatten im Vorjahr ein gutes Jahr mit Podestplätzen und einigen Siegen, aber jetzt wollen wir noch mehr. Das ist der Druck, dem wir uns selbst aussetzen. Wir müssen uns steigern, das ist die Mentalität."

Frage: "Wie wird sich Fernando Alonso bei Ferrari schlagen?"
Webber: "Er wird zu alt! Er wird langsamer (lacht; Anm. d. Red.). Nein, das rote Auto steht ihm gut. Er ist ein perfekter Ferrari-Pilot. Er ist genau das, was sie brauchen. Er ist ein leidenschaftlicher, ehrgeiziger, aber fairer Rennfahrer. Es ist gut für den Sport, dass Fernando in einem roten Auto sitzt. Ich verstehe absolut, dass die Leute das so aufregend finden. Ich wünsche ihm das Beste - aber nicht zu viel, denn wir wollen ihn schlagen."


Fotos: Mark Webber, Testfahrten in Barcelona, Donnerstag


Frage: "Wird Felipe Massa gegen ihn eine Chance haben?"
Webber: "Massa ist schnell. Wir haben erlebt, wie er Michael Schumacher oft das Leben schwer gemacht hat. Und Fernando weiß, dass es ein gutes Duell wird, das das Team voranbringen wird. Aber wir wissen auch, dass Fernando ebenfalls ein Topfahrer ist. Deshalb hat Ferrari eine gute Fahrerpaarung."

Frage: "Michael Schumacher fährt mit 41 Jahren noch Formel-1-Rennen. Kannst du dir das für dich auch vorstellen?"
Webber: "Schwer zu sagen. Er hatte den Luxus, ein bisschen Pause zu machen. Es ist sicher schwierig, vom Kartsport bis 41 durchzumachen, was aber auch schon Leute gemacht haben. Jack Brabham war auch ein alter Hase, als er aufgehört hat. Michael hat jetzt zwei Karrieren. Die erste war etwas ganz Besonderes, viele WM-Titel, tolle Erfolge. Jetzt steht er aber vor der zweiten Karriere. Ich bin gespannt, wie es ihm dabei ergehen wird."

Frage: "Du kennst ihn sehr gut. Was sind seine größten Stärken und Schwächen?"
Webber: "Ich bin nicht hier, um die Reifen anderer Leute aufzupumpen! Ich bin ja kein Boxer, der vor dem Kampf sagt, sein Gegner kann das gut und das weniger. Michael hat natürlich einen Haufen Erfahrung. Er ist ein unglaublicher Regenfahrer. Er kann ein Team anführen, aber er ist auch nicht mehr 22. Wir werden sehen, ob sich das auswirkt oder nicht. Unterschätzen darf man ihn jedenfalls nicht. Ich persönlich ziehe meinen Hut vor ihm, denn es braucht schon Eier, um noch einmal zurückzukommen! Davor habe ich großen Respekt."

Respekt vor Ferrari und McLaren

Frage: "Welches Team wird euer härtester Gegner?"
Webber: "Da spielen so viele Dinge eine Rolle. Ferrari ist als Team sehr stark, genau wie McLaren. Die sollte man immer auf der Rechnung haben. Bei Mercedes hat sich ziemlich viel geändert, für sie fängt das Spiel also neu an. Sie haben zwei neue Fahrer und brauchen deshalb vielleicht ein bisschen Zeit. Es ist schwer, sich auf einen Gegner festzulegen. Aber ich denke, dass wir bei jedem Rennen tolle Fights haben werden und manchmal können sich die Teams, gegen die man kämpft, ändern. Doch ich denke, dass Ferrari und McLaren - so wie sie aufgestellt sind - sehr starke Teams sind."

Frage: "Pedro de la Rosa hat gesagt, dass er vielleicht als GPDA-Präsident zurücktritt, weil er jetzt wieder Einsatzpilot ist. Wie wird sich die GPDA in diesem Jahr entwickeln?"
Webber: "Fernando und ich haben uns in Jerez ein bisschen unterhalten, Pedro hat per E-Mail ein bisschen Kontakt gehalten. Vielleicht sprechen wir in dieser Woche darüber, wie wir weitermachen werden. Um ehrlich zu sein, sehe ich keine Probleme. Die GPDA ist im Moment sehr stark und wir werden immer gute Direktoren und einen guten Vorsitzenden haben. Wir haben die Dinge gut auf den Weg gebracht, bei denen wir das Nachsehen gehabt hätten, wenn wir zurückgesteckt hätten. Wir haben also als Gruppe gut zusammengearbeitet."

Frage: "Und wird sich auch das Verhältnis zum neuen FIA-Präsidenten gut entwickeln?"
Webber: "Wir hoffen es! Angesichts dessen, wo wir waren, kann es nur in die richtige Richtung gehen. Wir wollen mit Jean Todt verhandeln und nicht mit anderen. Und wir haben den Eindruck, dass das so sein wird. Die ersten Treffen, die ich mit ihm im vergangenen Jahr in Singapur hatte, waren sehr positiv. Jean hat seinen Finger in vielen Bereichen am Puls der Zeit und die GPDA freut sich darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wenn wir nicht viel zu tun haben, ist das ein gutes Zeichen. Wenn alles gut läuft, müssen wir uns um nicht viel kümmern."

"Ich glaube fest daran, dass Qualität wichtiger ist als Quantität." Mark Webber

Frage: "Was denkst du über die neuen Teams? Sie liegen noch zurück, denkst du, dass sie wirklich frischen Wind in den Wettbewerb bringen?"
Webber: "Nun, im Wettbewerb geht es darum, gegeneinander zu racen. Es sieht so aus, als ob sie es wegen der beschränkten Testmöglichkeiten schwer haben. Und ich glaube fest daran, dass Qualität wichtiger ist als Quantität. Wir würden nie drei oder vier GP2-Autos in unsere Startaufstellung lassen. Wir wollen, dass es so ist wie in Spa im vergangenen Jahr, wo alle Teams eng beieinander waren und wir ein tolles Rennen hatten. So wollen wir die Formel 1 haben."

"Wir müssen die Qualität beibehalten. Ich bin voll dafür, dass neue Leute kommen, denn die Leute, die schon dabei sind, werden nicht für immer bleiben. Die neuen Teams können nicht laufen, bevor sie nicht das Gehen gelernt haben. Aber das ist eine große Herausforderung, denn wie soll man es lernen, wenn man nicht testen kann? Es ist klar, dass manche von ihnen noch nicht dafür bereit sind, in einem Grand Prix anzutreten. Es wird eine große Prüfung für sie."

Frage: "Ist das nicht schade für die Formel 1, die sich als Königsklasse bezeichnet?"
Webber: "Ich finde die Situation völlig verrückt, aber es ist nun einmal so gelaufen. Das ist, wie wenn man denkt, dass man ein guter Tennisspieler ist und das Geld hat, um nach Wimbledon zu gehen und gegen Pete Sampras oder Roger Federer zu spielen. Wir brauchen ein gewisses Level. Warum wurde irgendwann die 107-Prozent-Regel eingeführt? Es gibt keinerlei Beschränkungen, man kann zehn Sekunden hinter der Pace liegen und darf teilnehmen. Ich stehe aber voll hinter den kleinen Teams - sie haben es einfach so schwer."

"Wie können sie bald schneller werden? Red Bull hat auch Jahre gebraucht, wie soll man also das Problem lösen? Kundenautos waren die offensichtliche Lösung, die das viel einfacher gemacht hätte. Damit hatten es die kleinen Teams viel leichter gehabt. Bei null anzufangen, ist schwierig."