Winkelhock: "Junger Wilder" mit der nötigen Erfahrung
Im ersten Teil des Exklusivinterviews spricht Markus Winkelhock über Höhen und Tiefen der Saison 2009, nötigen Ehrgeiz und den "jung gebliebenen" Tom Kristensen
(Motorsport-Total.com) - Markus Winkelhock geht 2010 in seine dritte volle Saison in der DTM. Der 29-Jährige wird wieder einen Jahreswagen von Audi fahren. Seine Hoffnungen, in einen Neuwagen aufzusteigen, haben sich nicht erfüllt. Doch darüber ist Winkelhock nicht unglücklich, wie er im Exklusivinterview mit 'Motorsport-Total.com' bekräftigt. Im heutigen ersten Teil blickt er jedoch erst einmal zurück auf 2009, spricht über "junge Wilde" und "alte Hasen", den Biss eines Tom Kristensen und den nötigen Ehrgeiz:

© Race-4-Kids/Urner
Markus Winkelhock: "Ein wenig 'junger Wilder' bleibt man immer"
Frage: "Markus, was waren in der Saison 2009 die schönen Momente, an die du dich gern erinnerst?"
Markus Winkelhock: " Der Auftakt in Hockenheim mit einem vierten Platz und der Nürburgring, wo ich auch Vierter wurde, waren meine Highlights der Saison, an die ich mich besonders gern zurückerinnere."#w1#
Frage: "Und was waren die Momente, in denen es nicht so gut gelaufen ist?"
Winkelhock: "Das war zum Beispiel das Rennen am Norisring, die Geschichte mit dem Kanaldeckel. Es ist im Freien Training passiert und das gesamte Wochenende war zerstört. Ich konnte im Qualifying nicht fahren und das Auto wurde über Nacht wieder komplett aufgebaut. Ich konnte zwar das Rennen fahren, aber vom letzten Startplatz aus war es eigentlich gelaufen. Es war klar, dass nicht mehr viel drin sein wird."
"Zandvoort war auch ein Wochenende, das nicht so toll war. Das Rennen war prinzipiell gut, das Auto hat gut funktioniert. Ich war im Rennen Sechster, hatte aber nach dem Zieleinlauf zu wenig Sprit an Bord und bin auf dem Weg zurück zur Box ausgerollt. Ich wurde dann nachträglich wegen zu wenig Sprit an Bord disqualifiziert. Ein sechster Platz wäre für mich wegen der Punkte wichtig gewesen, deshalb war es ärgerlich."
Winkelhock sieht sich noch ein wenig als 'jungen Wilden'
Frage: "Sprechen wir noch einmal über den Kanaldeckel am Norisring: Der hat dein Auto wie eine Kreissäge aufgeschlitzt, aber dir ist nichts passiert. Hast du danach darüber nachgedacht, wie viel Glück du hattest, dass er das Auto nicht ein paar Zentimeter weiter links getroffen hat?"
Winkelhock: "Ja, da war schon eine Portion Glück mit dabei, aber nicht nur für mich. Es hätte auch nachfolgende Autos treffen können oder den Streckenposten, der rechts an der Leitplanke stand. Es hätte auch Zuschauer treffen können. Da hatte nicht nur ich, sondern auch alle drum herum sehr viel Glück, dass nicht noch mehr passiert ist. Aber so etwas hakt man als Rennfahrer ab. Ich hatte mehrere Situationen in meiner Karriere, wo ich danach gesagt habe: 'Da habe ich Glück gehabt'. Aber im Nachhinein macht man sich nicht großartig Gedanken darüber."
"Mir hat es nur für meine Jungs extrem leid getan. Sie haben an diesem Wochenende wirklich einen extrem guten Job gemacht. Sie haben über Nacht ein komplett neues Auto aufgebaut und konnten nicht eine Minute schlafen. Sie sind eine halbe Stunde, bevor am nächsten Tag das Warmup begann, mit dem Auto fertig geworden. Sie haben es in die Box geschoben und ich bin raus gefahren. Ich konnte das Rennen ohne Probleme durchfahren. Da muss ich nachträglich noch einmal ein Riesenkompliment an die Jungs machen. Das war ein Hammer-Job."
Frage: "Wie würdest du dich bezeichnen - immer noch als 'jungen Wilden' oder schon ein bisschen als 'alten Hasen'?"
Winkelhock: "Ich denke, dass ich derzeit da irgendwo zwischendrin stecke. Ich habe in der DTM schon meine Erfahrungen gesammelt, aber ein bisschen 'junger Wilder' gehört auf jeden Fall dazu. Ich würde auch sagen, dass Tom Kristensen, der jetzt in 'DTM-Rente' gegangen ist, noch irgendwo in seinem Inneren ein 'junger Wilder' war. Ich denke, dass ich von beidem etwas habe. Ich bin irgendwo der 'junge Wilde' und habe trotzdem in den vergangenen zwei, drei Jahren meine Erfahrungen gesammelt, was in der DTM auch sehr wichtig ist."
Große Bewunderung für Tom Kristensen
Frage: "Wenn du sagst, dass Tom noch ein 'junger Wilder' war - was charakterisiert so einen 'jungen Wilden'?"
Winkelhock: "Tom ist für mich ein Junggebliebener - wobei wir hier über jemanden sprechen, der gerade einmal knapp über 40 ist (lacht; Anm. d. Red). Er ist für mich immer ein Kumpeltyp gewesen und einer, der in meinen Augen jung geblieben ist. Er hat nie seinen Ehrgeiz verloren und hatte bis zum Schluss extremen Biss. Es gibt einige Rennfahrer, die am Ende ihrer Karriere nicht mehr den Biss haben, den sie am Anfang hatten. Und Tom war einer, der den Biss bis zum letzten DTM-Rennen hatte."
"Das hat man auch gesehen, wenn irgendetwas war, das gestört hat, wie zum Beispiel in Dijon. (Anm. d. Red.: Kristensen kürzte nach einem Reifenschaden über einen Verbindungsweg ab zu Box, damit er nicht auf der Strecke die anderen behindert und wurde deshalb wegen Verlassens der Strecke disqualifiziert). Wenn einer keinen Biss mehr hat, dann steigt er aus und ärgert sich zwar, aber an der Reaktion, die Tom da gezeigt hat, hat man gesehen, dass noch richtig Emotionen dabei waren. Das macht Tom aus."
Frage: "Und das ist bei dir auch so?"
Winkelhock: "Ja, ich bin auch mit Emotionen dabei. Das gehört in diesem Job einfach dazu. Man muss einen gewissen Ehrgeiz haben. Wenn man den nicht hat, ist man fehl am Platz."
Im morgigen zweiten Teil erläutert Winkelhock, was er bisher in der DTM gelernt hat, was 2010 besser machen will, warum er das Thema Formel 1 endgültig abgehakt hat und wo er sich in zehn Jahren sieht.

