Rätselraten nach DTM-Test: Warum sind Audi und BMW nicht schneller?

Der BoP-Poker sorgt auch nach dem Lausitzring-Test der DTM für Diskussionen: Wieso Audi und BMW schneller sein müssten und wie man bei den Tests tricksen kann

(Motorsport-Total.com) - Nach dem dreitägigen Testfinale auf dem Lausitzring herrscht in der DTM Verwunderung: Hätten nicht die Red-Bulls-Ferrari-Piloten Liam Lawson und Alex Albon aufgedreht, dann wären am Ende - ähnlich wie in Hockenheim - fünf Mercedes-AMG an der Spitze gelegen. Kelvin van der Linde hatte auf Platz acht als bester Audi-Pilot 0,629 Sekunden Rückstand, Marco Wittmann fehlten als bestem BMW-Piloten auf Platz 16 sogar 1,850 Sekunden auf die Bestzeit von Maximilian Götz.

Titel-Bild zur News: Philip Ellis

Mercedes-AMG hatte auch beim Test auf dem Lausitzring die Nase vorne Zoom

Da aktuell nur eine Test-Balance-of-Performance zum Einsatz kommt, bei der die Boliden möglichst nahe am Performance-Limit gefahren werden sollen, um der AVL nützliche Daten zu liefern, sind die großen Zeitunterschiede kein Anlass zur Sorge.

Dennoch sorgt das Kräfteverhältnis für Verwirrung: Denn der Audi R8 LMS war bei den Tests besser eingestuft gewesen als in der Balance of Performance (BoP) der SRO, die unter anderem im ADAC GT Masters zur Anwendung kommt. Und dort ist das Auto konkurrenzfähig, während es bei den DTM-Tests den Anschein macht, als könne man mit Mercedes und Ferrari nicht mithalten.

Audi hat bei Test-BoP der DTM Gewichtsvorteil

Wie die Daten genau aussehen? Bei der SRO-Einstufung für das Lausitzring-Rennen des ADAC GT Masters 2020 wog der Audi 1.320 Kilogramm - und war damit um nur zehn Kilogramm leichter als der Mercedes-AMG GT3. In der Test-BoP der DTM ist der Audi mit 1.275 Kilogramm hingegen um ganze 45 Kilo leichter als der Mercedes-AMG GT3.

Zudem wurde der Mercedes in der DTM mit zwei 38 Millimeter breiten Luftmengenbegrenzern versehen, während man laut SRO-BoP mit dem kleinsten Restriktor, der nur 34,5 Millimeter Durchmesser hat, auskommen muss. Der Audi fährt in der DTM komplett offen, die SRO-BoP schreibt hingegen zwei 40-Millimeter-Restriktoren vor.

Wie man bei der BoP-Einstufung tricksen kann

Haben die Audi-Teams also geblufft und fuhren absichtlich langsamer, um die BoP für Monza zu beeinflussen? "Man muss schon voll fahren", winkt Rosberg-Teamchef Kimmo Liimatainen ab. "Die Leute von der AVL sind ja nicht blöd und haben Zugriff auf die Daten. Sie sehen ja, wenn jemand trickst."

Das stimmt, doch es gibt laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' nach wie vor Schlupflöcher, um trotz der Vermessung in Hinblick auf Gewicht, Fahrhöhe und Flügelprofil sowie der Sensorendaten der Autos einen falschen Eindruck abzugeben: Zum Beispiel, indem man bei gewissen Komponenten des Autos - zum Beispiel bei den laut GT3-Homologation freigegebenen Bremsklötzen - nicht das optimale Material einsetzt, um die Performance zu verschleiern.

Oder der Fahrer nutzt die Randsteine nicht komplett aus, was man aber über die Onboard-Kameras entlarven kann.

Boliden wurden nur nach BoP-Runs überprüft

Tatsächlich hat die AVL die Boliden in der Lausitz nur noch nach den BoP-Runs am Mittwoch und am Donnerstag überprüft, nachdem man die Piloten in Hockenheim im April auch während des normalen Testbetriebs bei relevanten Rundenzeiten in die Scrutineering-Box zur Vermessung beordert hatte.

Der Hintergrund: Alle Boliden mussten beim BoP-Run mit 30 Kilogramm Sprit und einem von der DTM zur Verfügung gestellten Reifensatz, der ausschließlich in den zwei 20-minütigen Sessions eingesetzt werden durfte, auf die Strecke gehen. Man war also bemüht darum, gleiche Bedingungen für alle herzustellen, um relevante Daten zu erhalten. Und hatte Glück, denn an beiden Tagen gab es beim BoP-Run kurz vor 13:00 Uhr zwar etwas Nieselregen, doch die Strecke blieb trocken.

Auffällig ist, dass der R8 LMS wie schon in Hockenheim bei den Topspeed-Werten voran liegt. Beim BoP-Run am Mittwoch erreichte der Audi 252,25 km/h, der Ferrari 488 GT3 249,23 km/h, der BMW M6 GT3 248,17 km/h und der Mercedes nur 246,46 km/h.

Warum die schnellste Audi-Zeit nicht repräsentativ ist

"Wir sind schnell auf den Geraden, aber verlieren recht viel Zeit, wenn Abtrieb gefragt ist", sagt Abt-Sportdirektor Thomas Biermaier. Tatsächlich sieht es so aus, als hätten die Audi-Teams im kurvigen zweiten Sektor Schwierigkeiten: Kelvin van der Linde, der beim BoP-Run am Donnerstag in 1:43.373 die schnellste Audi-Zeit der Testwoche fuhr, kam im zweiten Sektor in keiner seiner vier schnellen Runden unter 38.970 Sekunden.

Die Bestzeit stellte in dieser Passage Ferrari-Pilot Liam Lawson mit 38.265 auf. Bester Mercedes-AMG-Fahrer war Götz mit 38.299 Sekunden. Interessant ist allerdings, dass selbst van der Lindes Rosberg-Markenkollege Dev Gore, der pro Runde mindestens eine Sekunde auf den südafrikanischen GT3-Spezialisten verliert, bei seinem BoP-Run im zweiten Sektor nur um eine Tausendstelsekunde langsamer war als van der Linde.

Das zeigt, dass die 1:43.373 nicht repräsentativ ist, zumal van der Linde am Donnerstag-Vormittag für jene Passage nur 38.622 Sekunden brauchte - und damit die beste Audi-Sektorzeit aufstellte. Damit wäre eine 1:43.025 möglich gewesen - und van der Linde hätte auf die Götz-Testbestzeit nur noch 0,281 Sekunden Rückstand gehabt. Das hätte in der Gesamtwertung aller drei Tage Platz drei ergeben. Nur Götz und Lawson wären schneller gewesen.


Balance of Performance: So soll es gelingen!

Die DTM will bei der BoP neue Maßstäbe setzen. Mit welchem Ansatz das gelingen soll, wird in diesem Video erklärt. Weitere DTM-Videos

Biermaier: Rückstand macht zwei, drei Zehntel aus

"Die Leute von der AVL sehen sich doch nicht nur die Zeiten vom BoP-Run an", relativiert Biermaier. "Wenn Kelvin zwei Stunden davor im Mittelsektor zwei Zehntel schneller war, dann nehmen sie doch diese Sektorzeit her. Und dann macht der Unterschied nicht sechs, sondern zwei, drei Zehntel aus."

Zumal Rosberg-Pilot Nico Müller am Vortag beim BoP-Run mit 1:43.815 nur 0,218 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit von Winward-Mercedes-Pilot Lucas Auer hatte. "Diese Zeit war doch nicht schlecht", ergänzt Biermaier. "Das ist momentan glaube ich der reale Unterschied. Wir haben bei 'Rocky' am Mittwoch hingegen mit dem Reifendruck verwachst, so ehrlich muss man sein", liefert er die Erklärung für Mike Rockenfellers mäßige Rundenzeit (1:45.753) beim BoP-Run nach.

"BMW sollte mehr Potenzial haben"

Doch auch im Mercedes-Lager war man bei den BoP-Runs nicht immer flott: So fuhr Götz am Mittwoch nur 1:44.008 - und war damit um fast eine halbe Sekunde langsamer als Auer. Gar nicht auf Touren kamen hingegen Wittmann im Walkenhorst-BMW und Timo Glock, der erstmals im mit dem Space-Drive-System ausgestatteten M6 GT3 des Rowe-Teams saß.

Wittmanns Rückstand von 0,997 im BoP-Run am Mittwoch - und insgesamt 1,850 Sekunden auf die Götz-Bestzeit, die dieser allerdings am Donnerstag fuhr, als die BMW-Teams gar nicht mehr vor Ort waren - ist in Anbetracht der Balance of Performance zu groß.

"Die Einstufung ist zwar für den M6 GT3 nicht gerade förderlich, das Auto sollte aber dennoch mehr Potenzial haben", so ein Insider. An Änderungen an den Turboeinstellungen, wie sie in Hockenheim auf Anweisung der AVL vorgenommen werden musste, lag das übrigens nicht. Denn diesmal blieb der Ladedruck bei den Turboautos von BMW und Ferrari an allen Tagen gleich.

Das Gesamtergebnis der drei Testtage (inkl. BoP-Runs):
1. Maximilian Götz (HRT-Mercedes) 1:42.744 (Do) (251 Rd.)
2. Liam Lawson (AF-Corse-Ferrari) 1:42.840 (Do) (164)
3. Alex Albon (AF-Corse-Ferrari) 1:42.904 (Do) (222)
4. Philip Ellis (Winward-Mercedes) 1:43.108 (Do) (169)
5. Arjun Maini (GetSpeed-Mercedes) 1:43.118 (Do) (230)
6. Lucas Auer (Winward-Mercedes) 1:43.180 (Do) (183)
7. Vincent Abril (HRT-Mercedes) 1:43.353 (Do) (218)
8. Kelvin van der Linde (Abt-Audi) 1:43.373 (Do) (113)
9. Daniel Juncadella (GruppeM-Mercedes) 1:43.428 (Do) (182)
10. Nico Müller (Rosberg-Audi) 1:43.815 (Mi) (156)
11. Mike Rockenfeller (Abt-Audi) 1:43.952 (Mi) (134)
12. Gary Paffett (Mücke-Mercedes) 1:44.022 (Mi) (162)
13. Dev Gore (Rosberg-Audi) 1:44.346 (Do) (246)
14. Sophia Flörsch (Abt-Audi) 1:44.420 (Do) (228)
15. Nick Cassidy (AF-Corse-Ferrari) 1:44.523 (Di) (82)
16. Marco Wittmann (Walkenhorst-BMW) 1:44.594 (Mi) (153)
17. Timo Glock (Rowe-BMW) 1:44.946 (Mi) (146)