Rätsel um mysteriösen Bortolotti-Defekt: Was lief am Nürburgring bei SSR?

Geheimniskrämerei und Verschwörungstheorien um einen Defekt, der Mirko Bortolotti möglicherweise den DTM-Titel kostete: Welche Ungereimtheiten es gibt

(Motorsport-Total.com) - Bis heute sorgt das "technische Problem" bei Mirko Bortolottis SSR-Lamborghini im zweiten Qualifying auf dem Nürburgring für wilde Spekulationen und Widersprüche. Denn das Team hat nie aufgeklärt, warum der Vizemeister am Morgen des 6. August auf der Strecke liegenblieb und auch am Rennen nicht teilgenommen hat.

Titel-Bild zur News: Mirko Bortolotti

Kurz vor 13 Uhr: Das SSR-Team arbeitet an Mirko Bortolottis Lamborghini Zoom

"Wir nehmen diesbezüglich nicht Stellung", sagt SSR-Teamchef Mario Schuhbauer selbst zweieinhalb Wochen nach dem Saisonfinale. Es war nicht die erste Nachfrage von Motorsport-Total.com, denn das Team hatte auch unmittelbar nach dem Ausfall eine Woche lang trotz mehrmaliger Versuche geschwiegen.

Der Verweis, man möge bei Lamborghini nachfragen, ergab zunächst wenig Brauchbares: Nachdem man zuerst keine Angaben machte, hieß es dann, "wir geben keine Details über ein einzelnes technisches Problem bekannt, dass vor Monaten aufgetreten ist".

Drosselklappen-Gehäuse oder doch richtiger Motorschaden?

Erst am Hockenheim-Wochenende nannte ein anderer Lamborghini-Sprecher gegenüber Motorsport-Total.com die "Throttle Bodies" als Ursache für den Ausfall - auf Deutsch das Drosselklappen-Gehäuse. Zur Erinnerung: Die neue Evo-Stufe des Huracan GT3 verfügt über zehn elektronisch betätigte Drosselklappenstutzen mit Titanventilen, während der Vorgänger nur zwei Klappen hatte - eine pro Zylinderreihe.

Dass es bei einem neuen Teil zu einem Problem kommt, klingt nicht ungewöhnlich. Kurios ist aber, dass es laut Kennern des Fahrzeugs weder besonders schwierig sei, einen derartigen Defekt zu erkennen, noch ihn zeitnah zu lösen. Zumal es sich bei Bortolotti um den Titelkandidaten des Teams handelte - und man daher alles tun würde, um einen Rennstart zu ermöglichen.

Handelte es sich also gar nicht um ein Problem beim Drosselklappen-Gehäuse? Bei Lamborghini soll die Rede von einem Motorschaden gewesen sein, wie Motorsport-Total.com aus guter Quelle erfahren hat. Das würde auch zum Teil erklären, warum so ein Geheimnis um das Problem gemacht wird.

Parc-Ferme-Regel: Wieso wartete man mit Reparatur so lange?

Denn Hersteller lesen es aus Marketinggründen ungern, dass ein kaputter Motor - also das Herzstück des Boliden - dafür sorgt, dass ein Pilot nicht am Rennen teilnehmen kann und womöglich gar den Titel dadurch verliert.

Angeblich habe es einen sogenannten Kolbenfresser gegeben, was auch erklären würde, warum Bortolotti im Qualifying nach wenigen Minuten mit blockierenden Rädern von der Strecke rutschte. Zu einem derartigen Problem kommt es, wenn zum Beispiel kein Öl mehr im Motor vorhanden ist. Hat also das Team vergessen, den äußerst zuverlässigen Motor vor dem Qualifying mit dem nötigen Schmierstoff zu versorgen?

All das könnte sein - und wäre eine mögliche Erklärung für die Geheimniskrämerei. Dennoch gibt es noch eine weitere Ungereimtheit: Das Team hat nach dem Defekt nicht bei der Rennleitung angesucht, um die Parc-Ferme-Regeln zu brechen und dadurch früher mit der Reparatur des Boliden beginnen zu können.

"Gab keine Anfrage, das Auto früher rauszubekommen"

Das Qualifying begann um 9:05 Uhr. Da Bortolotti gleich am Anfang in der Mercedes-Arena liegenblieb, wurde die 20-minütige Session nach 2:50 Minuten für einige Minuten unterbrochen - und erst gegen 9:30 Uhr beendet. Die Autos durften danach bis 10:55 Uhr wegen der Parc-Ferme-Regelung nicht angerührt werden.

SSR hat aber keine Bemühungen unternommen, mit der Reparatur vorzeitig zu beginnen. "Es gab keine Anfrage des Teams, das Auto früher rauszubekommen", bestätigt ein Sprecher des Deutschen Motorsport-Bundes (DMSB) auf Nachfrage von Motorsport-Total.com. Dadurch hätte man zwar gegen die Regelung verstoßen und wäre disqualifiziert worden, allerdings ohne Konsequenzen. Denn Bortolotti hätte ohne Rundenzeit ohnehin vom Ende des Feldes aus ins Rennen gehen müssen.

Wie lange man für einen Motorwechsel beim Lamborghini Huracan GT3 Evo2 braucht? "Zweieinhalb bis drei Stunden", antwortet ein Kenner des Boliden. Man darf davon ausgehen, dass das abgeschleppte Auto nach dem Defekt bis spätestens 10 Uhr wieder in der SSR-Box war und funktionstüchtige Motoren bereitstanden. Dann hätte man noch dreieinhalb Stunden Zeit gehabt, um bis zum Start um 13:30 Uhr den Motor zu wechseln.

Verschwörungstheorie: Wurde Skandal vertuscht?

So gab SSR aber zunächst bekannt, man starte aus der Boxengasse, dann wurde das Auto komplett abgemeldet, wodurch das Auto nach dem Rennen nicht überprüft wurde. Aber warum hat es SSR nicht geschafft, das ominöse Problem rechtzeitig zu beheben? "Es gibt nur zwei Möglichkeiten", sagt ein Fahrerlager-Insider hinter vorgehaltener Hand. "Ein Mangel an Erfahrung oder Know-how, oder man wollte nicht starten und wäre eventuell disqualifiziert worden."

Wollte das SSR-Team also etwas vertuschen, was nach dem Rennen bei der technischen Abnahme aufgeflogen wäre, und startete deshalb nicht? Eine abenteuerliche Verschwörungstheorie, für die es keinen konkreten Beweis gibt und die möglicherweise nie aufgeklärt wird.

Mirko Bortolotti

Um 13:20 Uhr - also zehn Minuten vor dem Start - war wenig Hektik bei SSR sichtbar Zoom

Bortolotti über Ausfall: "Verstehe ich bis jetzt nicht"

Auch Bortolotti selbst zeigte sich im Nachhinein übrigens verwundert über die damaligen Ereignisse. "Der Nürburgring-Sonntag war sehr kurios, sehr negativ, sehr komisch. Verstehe ich bis jetzt nicht, aber gehört dazu", sagt Bortolotti bei ran.de auf die Frage, ob es bei ihm in dieser Saison einen kuriosen Moment gegeben habe.

Er spreche damit "den technischen Defekt" an, "wo wir dann einfach nicht starten konnten. Wo wir versucht haben, bis kurz vor dem Rennen alles zu checken, die ganze Box war auf meinem Auto. Das sind so Tage, die gehören dazu, das ist für mich auch ein bisschen kurios gewesen."

Der in Wien lebende Italiener, dem am Ende auf Meister Thomas Preining 33 Punkte fehlten, hätte theoretisch an jenem Sonntag 28 Punkte holen können. So wäre er mit einer ganz anderen Ausgangslage ins Titelfinale gegangen. Und wäre heute möglicherweise sogar DTM-Champion.

Neueste Kommentare

DTM Live

DTM-Livestream

Nächstes Event

Oschersleben

26.-28. April

1. Qualifying Sa. 09:55 Uhr
1. Rennen Sa. 13:30 Uhr
2. Qualifying So. 9:55 Uhr
2. Rennen LIVE So. 13:30 Uhr

Folgen Sie uns!

DTM-Newsletter

Abonnieren Sie jetzt den kostenlosen täglichen und/oder wöchentlichen DTM-Newsletter von Motorsport-Total.com!

Folge uns auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!