Performance-Gewichte in der DTM: gut oder schlecht?

Die DTM versucht die Chancengleichheit zu wahren und vergibt deshalb Performance-Gewichte, aber das hat nicht nur Vor-, sondern eben auch Nachteile

(Motorsport-Total.com) - Wer schnell ist, bekommt viele Punkte - manchmal aber auch ein zusätzliches Handicap. So wie in der DTM seit der Saison 2014. Damals führte die Rennserie die sogenannten Performance-Gewichte ein, mit deren Hilfe die Chancengleichheit im Starterfeld gewahrt werden soll. Ganz nach dem Grundsatz: Eine schnelle Marke muss Gewicht zuladen, eine langsame Marke muss ausladen. Damit am Ende ein Wettbewerb auf Augenhöhe möglich ist.

Titel-Bild zur News: Mattias Ekström

Zur Wahrung der Chancengleichheit greift die DTM auf Performance-Gewichte zurück Zoom

Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn obwohl die Performance-Gewichte in der DTM anhand der Erfolge der jeweiligen Marke vergeben werden, hat doch jedes Fahrzeug einen individuellen Ballast an Bord - je nach Ergebnis, ob der Fahrer in die Top 10 oder nicht unter die schnellsten Zehn gekommen ist. Und schon wird es kompliziert. Oder "undurchschaubar für die Zuschauer", wie es Martin Tomczyk (Schnitzer-BMW) ausdrückt. Er meint: "Es weiß nicht jeder, welches Auto mit wie viel Gewicht fährt."

Wovon ist genau die Rede? Der Sieger eines Rennens und all seine Markenkollegen, die in den Top 10 ins Ziel kommen, müssen fünf Kilogramm mehr montieren. Die Markenkollegen des Siegers, die nicht unter den Top 10 ins Ziel gekommen sind, müssen zusätzlich 2,5 Kilogramm montieren. Für die Fahrzeuge der zweitbesten Marke eines Rennens bleibt das Gewicht unverändert. Die Fahrzeuge der drittbesten Marke eines Rennens, die in den Top 10 ins Ziel gekommen sind, müssen 2,5 Kilogramm weniger montieren. Die Markenkollegen, die nicht in den Top 10 waren, müssen beim nächsten Rennen fünf Kilogramm weniger mitführen.

Anwendung immer nur nach einem Rennwochenende

Sind bei einem Rennen alle drei Marken auf den Plätzen eins, zwei und drei vertreten, bleibt die Gewichtsverteilung unverändert. Die Ergebnisse der beiden Rennen werden gegeneinander aufgerechnet beziehungsweise addiert, finden aber erst beim nächsten Rennwochenende Anwendung.

Der ehemalige DTM-Champion Tomczyk findet dieses Vorgehen zwar grundsätzlich sinnvoll, würde aber auch eine Regelmodifizierung in Erwägung ziehen: "Vielleicht", so Tomczyk, "wäre es zu überlegen, ob man es fahrerspezifisch macht. Aber da scheiden sich die Geister. Und es ist eine Sache der ITR und der drei Hersteller. Wir Fahrer müssen eben entweder mit einem leichteren oder einem schweren Auto umgehen."


Fotostrecke: Spielberg 2015: Die "Schieb-ihn-raus"-Affäre

Eine Wahl hätten die Rennfahrer nicht, meint auch Timo Scheider (Phoenix-Audi). "Wir alle müssen damit leben", erklärt der zweimalige DTM-Titelträger. "Natürlich hat man den Wunsch, es so oder so zu haben, damit man einen Vorteil hat. Aber am Ende darf man nicht vergessen: Wir machen eine Großveranstaltung mit einer Show. Und die muss halt stimmen. Grundsätzlich haben wir etwas geschaffen, das dazu beiträgt, dass wir etwas engeren Motorsport haben und die Hersteller dichter zusammenrutschen."

Scheider: Besser als in der Formel 1

"Um die Chancengleichheit besser darzustellen oder die Erfolge besser durchzumischen, führt man dann eben ein Handicap-Gewicht ein. Persönlich", so Scheider weiter, "würde ich mir nach jedem Rennen eine Änderung wünschen, von Samstag auf Sonntag. Wenn nicht das, dann sollte man die Top 3 mit Performance-Gewichten belegen, um dem Rest des Feldes eine größere Chance zu geben."

"Es ist ein heikles Thema, bei dem wir wahrscheinlich tagelang über Sinn und Unsinn diskutieren können", sagt er. "Aber das, was in der Formel 1 bis zum vergangenen Rennen passiert ist, dass zwei Mercedes vorne weg fahren, macht als Zuschauer und als Fan auch keinen Spaß. Das Ziel der DTM ist, guten und engen Motorsport zu bieten. Und das ist sicher ein Tool, das das Feld enger zusammenhält beziehungsweise das Kräfteverhältnis unter den Herstellern verschiebt oder vielleicht sogar die Performance ein bisschen verfälscht."


"Schieb ihn raus": Scheiders Schubser mit Ansage

Im zweiten Rennen auf dem Red-Bull-Ring macht sich Audi Pilot Timo Scheider gegen die Mercedes-Konkurrenz Robert Wickens und Pascal Wehrlein Platz Weitere DTM-Videos

Ekström: Der Sport ist deswegen nicht kaputt

DTM-Leader Mattias Ekström (Abt-Audi) kann der Regel auch etwas Positives abgewinnen: "Bislang hat Audi in diesem Jahr dominiert. Durch die Zusatzgewichte wird es zumindest ein Kampf zwischen den Herstellern. In der Rallye-WM startet Sebastien Ogier als Meisterschaftsführender auch immer zuerst. In der DTM bekommst du als Führender eben auch einen kleinen Nachteil. Das heißt nicht, dass der Sport kaputt ist. Es gleicht einfach mehr aus."

"Ich glaube, selbst mit diesem System gewinnt am Ende des Jahres immer der Richtige. Aber es wird nicht nur ein Spiel auf ein Tor. Natürlich ist es traurig, wenn man nicht jedes Rennen gewinnen kann. Einzelrennen machen dann nicht immer Spaß", sagt Ekström. Aber auch ihn stört etwas: "Wie kann es sein, dass jemand, der drei Rennen gewinnt und einmal nicht in die Top 10 fährt, leichter ist als jemand, der weit hinten ist in der Meisterschaft? Das sieht seltsam aus. Vielleicht haben die, die diese Regeln gemacht haben, einfach Pech gehabt."

Performance-Gewicht der DTM

So sieht das Performance-Gewicht aus: Es ist ein 2,5 kg schwerer Wolfram-Block Zoom

Und genau da setzt die Kritik von Jamie Green (Rosberg-Audi) an, der zu der ganzen Diskussion nur eine "kurze Antwort" beisteuert: "Ich brauche das Performance-Gewicht nicht. Es ist zu kompliziert." Zustimmung bei Mücke-Mercedes-Rookie Maximilian Götz: "Performance-Gewicht ist immer schlecht, weil diejenigen, die einen guten Job machen, bestraft werden."

Rookie Götz profitiert von Performance-Gewichten

"Mir als Rookie", sagt er, "tut es ganz gut, wenn die Schnellsten ein bisschen langsamer werden. Im Endeffekt reden wir da von ein bis zwei Zehntel." Und er schlägt vor: "Wenn jemand bestraft werden sollte, dann die einzelnen Fahrer, die auf dem Podium stehen, und nicht der Hersteller. So nimmt man auch den Jungs, die nicht so das Glück hatten beim letzten Mal, beim darauffolgenden Wochenende wieder die Chance."

Dass taktiert wird, um beim nächsten Rennen leichter zu sein, kommt übrigens selten bis nie vor: "Ich glaube, die Punkte, die du mitnehmen kannst, musst du nehmen", erklärt Bruno Spengler (MTEK-BMW). "Die DTM ist eine schwierige Serie. Du kannst es dir nicht leisten, einen vorbeizulassen, um dann beim nächsten Rennen weniger Gewicht an Bord zu haben. Denn beim nächsten Rennen hast du vielleicht nicht die Chance, maximal zu punkten."

"Die DTM ist eine schwierige Serie. Du kannst es dir nicht leisten, einen vorbeizulassen." Bruno Spengler

Die Frage ist ohnehin, ob die DTM die Performance-Gewichte bei der Dichte im Feld überhaupt nötig hat. Norbert Haug findet nicht: "Die Ergebnisse der beiden letzten Qualifyings und Rennen in Zandvoort haben gezeigt, dass die DTM 2015 ohne die als Absicherung gegen die Dominanz eines Herstellers gedachten sogenannten Performance-Gewichte fahren könnte", so der ehemalige Mercedes-Sportchef gegenüber 'sportschau.de'.