• 11.08.2015 12:03

  • von Roman Wittemeier

Nach Spielberg-Eklat: Und was passiert nun?

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Roman Wittemeier über die Folgen des "Schieb ihn raus"-Funkspruchs: Konsequenzen könnten vor Russland-Rennen feststehen

Titel-Bild zur News: Timo Scheider

Stand zuletzt erheblich in der Kritik: Audi-Werksfahrer Timo Scheider Zoom

Liebe Freunde des gepflegten Zweikampfes,

die DTM wirkt regelrecht wachgerüttelt durch den Eklat im zweiten Rennen von Spielberg. Mein persönlicher Eindruck ist: Genau so etwas brauchte die Szene jetzt! Die DTM ist wieder in aller Munde, es gibt Diskussionsstoff und Kleinholz - auf der anderen Seite aber leider auch Menschen, die mir völlig unverständlich erscheinen.

In den vergangenen Tagen haben unzählige Fans lauthals den Kopf von Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich und drastische Strafen und Konsequenzen für Timo Scheider gefordert. Nun mal langsam! Wie viele dieser Moralapostel gehörten zu jenen, die jahrelang wieder hemdsärmlige Kämpfe, strittige Duelle und harte Action in der DTM herbeigesehnt haben? Und nun mit der moralischen Keule schwingen? Finde ich nicht richtig.

Wir lieben den Motorsport, weil er in uns Emotionen weckt. Und genau diese Emotionen stecken auch in den Racern Scheider und Ullrich. Wenn im Fußball ein quirliger Stürmer vom hilflosen Verteidiger weggemäht wird, gibt es (sollte jedenfalls so sein) spätestens bei der zweiten Sense einen Platzverweis. Der Stürmer wirbelt weiter, der Abwehrmann bekommt den ehrenvollen Beinamen "Eisenfuß" und wird zur Vereinslegende. Wer fordert dort gleich ein Berufsverbot? Niemand - alles normal.

Berufsverbot für den Eisenfuß?

Und so sollten die DTM-Fans möglichst auch mit dem Spielberg-Eklat umgehen. Natürlich hat Timo Scheider ein Foul begangen, aber er hat schließlich seine Strafe schon kassiert. Beim nächsten Spiel steht er wieder im Audi-Dress auf dem Platz und wirbelt über den Kurs. Gut so! Bei Sportchef Ullrich ist die Situation allerdings eine andere. Hier sind die Konsequenzen noch nicht klar. Aber sie werden folgen, da bin ich zu hundert Prozent sicher.

Am Ende der vergangenen Woche haben drei Audi-Mitarbeiter Post vom DMSB bekommen. Werkspilot Timo Scheider, Phoenix-Teamchef Ernst Moser und Volker Nossek als DTM-Organisationsleiter von Audi wurden aufgefordert, sich binnen 14 Tagen zu den Vorfällen zu äußern. Alle drei wären gut beraten, die entsprechende Anfrage ganz schnell zu beantworten, damit das DMSB-Sportgericht einen Verhandlungstermin ansetzen kann.

Wolfgang Ullrich

Wolfgang Ullrich löste mit einem emotionalen Funkspruch einen regelrechten Eklat aus Zoom

Wenn die Audianer ihre 14-Tages-Frist voll ausschöpfen, dann wird die Verhandlung erst nach dem kommenden DTM-Rennwochenende in Moskau stattfinden können, weil zwischen Eingang aller Erklärungen und dem Termin vor dem Sportgericht mindestens eine Woche liegen muss. Nur wenn Scheider, Moser und Nossek sofort offen und ehrlich antworten, ist die Sache schnell vom Tisch. Das wäre nicht nur im Interesse der drei genannten Personen.

Nach Eklat: Audi will schnellstens Ruhe

Auch für die Audi AG ist eine solche Marschroute wichtig. Wenn man es schafft, die Sportsgerichts-Verhandlung in der Woche vor dem Moskau-Wochenende über die Bühne zu bekommen, dann fällt der nächste Aufschrei - die einen werden Strafen zu mild, andere zu hart finden - in den zu Ende gehenden Sommerferien nicht ganz so auf. Zudem wird das Thema im Rahmen des Russland-Wochenendes noch einmal hochgekocht, aber anschließend wird Ruhe herrschen.

Genau das ist im Interesse von Audi. Man will das Thema Spielberg-Eklat keinesfalls mit in die IAA in Frankfurt nehmen, bei der Mitte September die neuen Modelle aus Ingolstadt das große Thema sein sollen - und nicht ein Fehltritt des Audi-Sportchefs. Apropos Wolfgang Ullrich: Die Kommunikation nach dem Funkspruch von Spielberg war unfassbar. Wie romantisch an einer Blüte abgezählt: Ich war es, ich war es nicht, ich war es, ich war es nicht...

Dass es so nicht geht, werden Wolfgang Ullrich und seine Mitstreiter sicherlich selbst wissen. Der Sportchef sitzt trotz des Vorfalls weiterhin fest im Sattel, intern ist der Österreicher aber nicht erst seit dem Österreich-Wochenende nicht ganz unumstritten. Und in Le Mans hatte seine Mannschaft mit der Beschädigung von Motoren-Versiegelungen einen nachhaltigen Bock geschossen. Konsequenz: Das Toptrio Lotterer/Fässler/Treluyer ist im weiteren WEC-Saisonverlauf klar im Nachteil.


Fotostrecke: Spielberg 2015: Die "Schieb-ihn-raus"-Affäre

Wolfgang Ullrich wird in gut zwei Wochen 65 Jahre alt. Von Rente will er allerdings (noch) nichts wissen. Zu sehr brennt das Motorsport-Feuer, wie man am Fauxpas von Spielberg deutlich hören konnte. Der Vertrag des studierten Ingenieurs läuft auch nach Ende dieser Saison weiter. Irgendwann wird jedoch ein anderer den Posten als Sportchef übernehmen. Und genau diesbezüglich hat Audi bestens vorgesorgt: Dieter Gass und Stefano Domenicali stünden sofort parat.

Viele Grüße,

Roman Wittemeier