Pechvogel Tomczyk rätselt über Reifenschäden

Martin Tomczyk und Audi tappen im Dunkeln, warum ihnen die Reifen den Sieg gekostet haben: "Fahre seit zehn Jahren auf den Zentimeter dieselbe Linie"

(Motorsport-Total.com) - Martin Tomczyk hätte heute in Hockenheim der Mann des Tages werden können, aber stattdessen wurde er zum tragischen Helden des Saisonauftakts der DTM. Die wahrscheinlich größte Audi-Hoffnung auf den Sieg scheiterte in Führung liegend an zwei Reifenschäden, die sich derzeit niemand so recht erklären kann.

Titel-Bild zur News: Martin Tomczyk

Dieser Reifenschaden beendete Martin Tomczyks Traum vom Auftaktsieg

"Ich bin wirklich überrascht, dass das ausgerechnet bei Martin passiert ist, denn er war heute Morgen im Longrun der einzige unserer vier Fahrer, der auf der sicheren Seite zu sein schien", wundert sich Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich, dem die Reifenthematik schon im Vorfeld des Rennens bewusst war. "Trotzdem machten wir noch einen Schritt in die konservativere Richtung, aber just bei ihm gingen die Reifen zuerst kaputt. Das müssen wir verstehen."#w1#

Tomczyk hatte das Rennen bis zu seinem ersten Reifenschaden sicher im Griff. In der ersten Kurve hatte er gegen den späteren Sieger Gary Paffett noch knapp den Kürzeren gezogen, wenig später legte er sich den Mercedes-Werksfahrer aber zurecht und übernahm die Spitze. Die Führung konnte er sogar leicht ausbauen. Dann ging es aber ganz plötzlich: "Ich bin noch die schnellste Runde gefahren, aber dann war in der letzten Kurve auf einmal der Reifen platt. Ich war selbst überrascht", berichtet der Audi-Pilot im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

Seit zehn Jahren die gleiche Linie

"Es war sehr komisch, denn ich fahre mittlerweile seit zehn Jahren auf dem Hockenheimring immer auf den Zentimeter dieselbe Linie und hatte noch nie Reifenprobleme. Jetzt hatte ich im Rennen gleich zwei Reifenschäden - und dann auch noch an der schlechtesten Stelle, die es gibt, nämlich in der letzten Kurve, sodass ich die komplette Runde mit den kaputten Reifen fahren musste. Damit war mein Rennen natürlich gelaufen", seufzt Tomczyk.

Die Ursache für die Reifenschäden ist noch unklar, denn gerade der Deutsche gilt eigenen Angaben nach als "Reifenflüsterer". Möglich, dass das Setup die Probleme heraufbeschworen hat, möglich aber auch, dass der Audi A4 aus irgendeinem Grund nicht mit der neuen Gummimischung der Generation 2010 zusammenpasst. Seitens Reifenhersteller Dunlop wurde auch die Möglichkeit angedacht, dass ein zu hartes Überfahren eines Curbs ausschlaggebend gewesen sein könnte.

Aber: "Dann schlage ich seit zehn Jahren an diesem Curb durch", winkt Tomczyk ab. "Von dem her ist es für mich immer noch ein Rätsel, weil ich bei uns derjenige bin, der am reifenschonendsten fährt. Das hat man auch letztes Jahr gesehen. Obwohl die Reifen im Warmup perfekt waren, sind wir mit dem Sturz sogar noch mal auf die sichere Seite gegangen. Dann fährst du acht Runden und hast auf einer Seite einen Reifendefekt, wo du es gar nicht erwartest."

"Die Longruns im Warmup und im Freien Training haben eigentlich nie irgendwelche Anzeichen gegeben, speziell an meinem Auto, dass mit den Reifen irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte. Insofern ist es doppelt ärgerlich, in Führung zehn Punkte zu verschenken", fährt er fort. "Zumindest hat mir die Leistung gezeigt, dass ich ganz vorne dabei bin. Daher schaue ich jetzt auf das nächste Rennen. Ich habe ja vier Wochen Zeit, um das aufzuarbeiten und Informationen daraus zu bekommen."


Fotos: Martin Tomczyk, DTM-Auftakt Hockenheim


Die neuen DTM-Einheitspneus sollten eigentlich nichts mit den Reifenschäden bei Tomczyk und Alexandre Prémat zu tun haben, denn: "Wir haben in diesem Jahr eine neue Laufflächenmischung auf dem Reifen, die eine verbesserte Hochtemperaturstabilität hat. Das heißt, der Reifen ist konstanter, wenn er in den hohen Temperaturbereich läuft", erklärt Dunlop-Sportchef Michael Bellmann im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Aber er sagt auch: "In der DTM ist alles dermaßen ans Limit getrieben, dass kleine Änderungen einen großen Unterschied machen können."

Kein Zusammenhang mit dem Vorjahr

Audi-Sportchef Ullrich sucht jedenfalls "keine Ausreden, das liegt mir auch absolut fern. Wir haben nicht gut genug gearbeitet und damit müssen wir uns auseinandersetzen. 'Ekis' Problem hier im Vorjahr war kein Reifenschaden wie heute oder in Dijon, sondern damals war sein Reifen durch ein scharfes Stück auf der Strecke fünf Zentimeter aufgeschnitten. Das kann kein Reifen überstehen und ist auch nicht der Zweck eines Reifens."

"Dijon und hier sind aber sicherlich miteinander zu verknüpfen, keine Frage", analysiert der Österreicher. "Nach Dijon hat man bei Dunlop versucht, den Reifen belastbarer zu machen - daher haben wir ja einen neuen Reifen. Bei den Tests in Valencia hat das sehr gut funktioniert. Wir waren überrascht, dass wir gerade hier, wo wir in den vergangenen Jahren von der Reifenbelastung her nicht am Limit waren, dieses Problem hatten."

Martin Tomczyk

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"Wir müssen es verstehen, derzeit tun wir das nicht. Das ist traurig, aber das motiviert die Techniker umso mehr, in das Thema hineinzugehen. Zum Glück haben wir ein paar Wochen Zeit. Die werden wir gut nutzen", kündigt Ullrich an. Dass Audi in Valencia keine Probleme hatte, in Hockenheim aber schon, verwundert, denn "Valencia ist mit Hockenheim nicht vergleichbar. Der Asphalt ist nicht aggressiver, aber rauer", weiß Dunlop-Sportchef Bellmann.

Tomczyk fiel bereits durch seinen ersten Reifenschaden an die letzte Position zurück und spielte im weiteren Rennverlauf keine Rolle mehr. Nach drei Boxenstopps und 32 von 39 Runden gab er dann an der Box entnervt auf. Unterm Strich steht der 28-Jährige trotz seiner tadellosen Leistung noch ohne Punkte da, was er natürlich beim nächsten Rennen am 23. Mai in Valencia ändern möchte. Bis dahin haben er und Audi genug Zeit, ihre Probleme auszusortieren.

"Dort ist das Überholen sehr schwierig, insofern zählt das Qualifying sehr viel", weiß der Abt-Audi-Pilot. "Wir hoffen allerdings, dass wir durch die Sachen, die hier vorgefallen sind, viele Informationen bekommen, um möglichst gut präpariert nach Valencia zu kommen." Jetzt steht "erstmal die Aufarbeitung der Probleme, die wir hier hatten", auf dem Programm. "Das wird sicherlich die eine oder andere Woche beanspruchen. Die Reifen werden dabei sicherlich ein wichtiges Thema sein."