Kein "Porsche-Cup" mehr in der DTM? BoP in Zandvoort "um 180 Grad gedreht"
Gravierende BoP-Änderung nach dem DTM-Auftakt, Porsche durch Gewicht und Leistung gebremst: Wie die Reaktionen ausfallen und welche Folgen zu erwarten sind
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Vierfachsieg beim Auftakt in Oschersleben ätzte die Konkurrenz bereits über den "Porsche-Cup" in der DTM - und auch beim privaten Test am Dienstag vor über einer Woche in Zandvoort lagen drei 911 GT3 R an der Spitze, während die Konkurrenz mehr als eine halbe Sekunde Rückstand hatte. Doch drei Tage später veröffentlichte der ADAC die Einstufung der Autos für das zweite DTM-Saisonwochenende auf dem Dünenkurs.
© ADAC Motorsport
Der neue Porsche wird in Zandvoort über Gewicht und Leistung eingebremst Zoom
Und die trifft vor allem Porsche hart. Da es beim Samstagsrennen auch noch Erfolgsballast (20, zehn und fünf Kilo für die Top 3) gibt, konnte sich Porsches DTM-Leader Tim Heinemann in einem Kommentar auf 'Instagram' ein Totenkopf-Symbol nicht verkneifen.
Teamkollege Christian Engelhart reagierte darauf mit einem Gewichtheber-Icon und schrieb "El Plan". Soll also Porsche in Zandvoort nach dem bärenstarken Auftakt ordentlich eingebremst werden?
Gravierende Änderungen trotz gleicher Streckenkategorie
Zunächst zu den Fakten: Die von der SRO erstellte Balance of Performance (BoP) für Zandvoort unterscheidet sich grundlegend von der in Oschersleben, obwohl es sich bei beiden Kursen um die zweitlangsamste Streckenkategorie D handelt. Nur der BMW M4 GT3 wurde nicht angetastet.
Auf dem Papier treffen die Änderungen die in Oschersleben siegreichen Fahrzeuge von Porsche und Lamborghini am härtesten. Denn die Porsche-Teams müssen vor Zandvoort nicht nur 20 Kilogramm Gewicht einladen, sondern erhalten auch einen um 1,5 Millimeter kleineren Restriktor, was sich auf die Motorleistung auswirkt.
Engelhart nur durch Gewicht um 0,6 Sekunden langsamer?
Oschersleben-Sieger Engelhart hat daher beim Samstagsrennen ein um 40 Kilogramm schweres Fahrzeug. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' machen zehn zusätzliche Kilogramm auf dem Kurs in Zandvoort 0,15 Sekunden pro Runde aus. Die BoP-Änderung dürfte Porsche also 0,3 Sekunden kosten, bei Engelhart wären es am Samstag im Rennen wegen des Oschersleben-Sieges sogar 0,6 Sekunden.
Der Nachteil durch die geringere Motorleistung wurde diesbezüglich noch gar nicht berücksichtigt. Und dann kommt noch dazu, dass die Konkurrenz von Audi und Mercedes-AMG fünf beziehungsweise 15 Kilogramm ausladen darf. Beim Lamborghini Huracan GT3 Evo2 kommen währenddessen 30 Kilogramm zusätzlich ins Auto, was einem Nachteil von 0,45 Sekunden entsprechen dürfte.
Der Test sei zwar "gut" gelaufen, meint DTM-Leader und Porsche-Pilot Heinemann, aber "lassen wir uns mal überraschen, wie es im freien Training läuft. Es gab ein paar Änderungen, was die Einstufung angeht", schwant ihm bereits Böses. "Deswegen werden die Karten neu gemischt."
Preining: "Zandvoort sicher die Strecke von Lamborghini"
Aus Porsche-Sicht war es aber ohnehin schwierig, beim Test die richtige Einstellungen zu treffen, da der neue 911 GT3 R, Baureihe 992 in den vergangenen Jahren nicht eingestuft wurde. Und dass die Kategorie-D-Einstufung von Oschersleben unangetastet bleibt, galt als unwahrscheinlich. Aber ist Zandvoort überhaupt eine Porsche-Strecke, wie Teamchef Torsten Schubert angedeutet hatte?
"Zandvoort kommt uns sicher nicht so entgegen wie Oschersleben, denn das ist für uns die mit Abstand beste Strecke", sagt Porsche-Werksfahrer Thomas Preining. "Zandvoort kann okay sein, aber es gibt viele Hersteller, denen die Strecke besser entgegenkommt. Die schnellen Kurven und die lange Gerade - das ist sicher nicht unsere größte Stärke."
Nachsatz: "Zandvoort ist sicher die Strecke von Lamborghini, sie haben dort schon Rennen gewonnen."
Lamborghini-Pilot Wishofer: "Wir werden Gewicht spüren"
Eine Anspielung auf das ADAC-GT-Masters-Wochenende 2022, bei dem das damalige Lamborghini-Team von Emil Frey gleich beide Rennen für sich entschied, unter anderem mit dem nunmehrigen Grasser-Rookie Mick Wishofer. Der hält eine Wiederholung in Anbetracht der BoP-Änderungen dieses Jahr in der DTM aber für äußerst unrealistisch.
"Letztes Jahr hat vor allem Emil Frey einen Megajob gemacht, sie hatten jahrelange Erfahrung auf dieser Strecke - und wir hatten auch die richtige BoP", sagt der Österreicher. "Die BoP hat sich jetzt um 180 Grad gedreht. Die Porsche werden wahrscheinlich wieder vorne mitfahren, aber wir werden das Gewicht schon gut spüren. Das wird schwierig."
Spannend wird aber auch, ob die Mercedes-AMG-Teams nach dem Fehlstart in Oschersleben mitmischen können und wie es für die BMW- und Audi-Teams läuft, bei denen man ebenfalls nicht ganz zufrieden war. Und ob das Emil-Frey-Team mit dem neuen Ferrari seine Zandvoort-Stärke erneut ausspielt.
Auch beim 296 GT3 wurde die Einstufung übrigens leicht geändert: Der Ferrari erhält etwas mehr Ladedruck, wodurch der Topspeed-Nachteil etwas gelindert wird, dafür kommen zehn Kilogramm Ballast ins Auto.
DTM-BoP Zandvoort 2023:
Audi: 1.315 kg/2 x 36 mm (Restriktor)
BMW: 1.295 kg/2,05 - 2,73 bar (Ladedruck)
Ferrari: 1.310 kg/1,79 - 2,38 bar (Ladedruck)
Lamborghini: 1.330 kg/1 x 51 mm (Restriktor)
Mercedes: 1.330 kg/2 x 34,5 mm (Restriktor)
Porsche: 1.310 kg/2 x 38 mm (Restriktor)
Audi: -5 kg
Ferrari: +10 kg und 0,02 bar (Ladedruck)
Lamborghini: +30 kg
Mercedes: -15 kg
Porsche: +20 kg und -1,5 mm (Restriktor)
DTM-BoP Oschersleben 2023:
Audi: 1.320 kg/2 x 36 mm (Restriktor)
BMW: 1.295 kg/2,05 - 2,73 bar (Ladedruck)
Ferrari: 1.300 kg/1,79 - 2,36 bar (Ladedruck)
Lamborghini: 1.300 kg/1 x 51 mm (Restriktor)
Mercedes: 1.345 kg/2 x 34,5 mm (Restriktor)
Porsche: 1.290 kg/2 x 39,5 mm (Restriktor)
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