DTM-Rekord mit neun Siegern in neun Rennen: Setzt sich Qualität noch durch?
So abwechslungsreich wie 2023 war die DTM noch nie: Aber was sagt der Rekord über die Qualität der Serie aus und wieso gab es in Class-1-Zeiten weniger Sieger?
(Motorsport-Total.com) - Mit seinem Triumph am vergangenen Sonntag auf dem Lausitzring hat SSR-Lamborghini-Pilot Mirko Bortolotti als erster Fahrer der DTM-Saison 2023 den zweiten Saisonsieg gefeiert - und damit der Rekordserie ein Ende gesetzt. Denn noch nie in den 37 Saisons der Traditionsserie hat bei den ersten neun Rennen jeweils ein anderer Fahrer triumphiert (welches Jahr bisher den Rekord hielt? Die Antwort liefert unsere Fotostrecke!).
© Markus Toppmöller
Mirko Bortolotti siegte als erster DTM-Pilot der Saison zum zweiten Mal Zoom
Aber spricht das für die DTM und die Qualität des Fahrerfelds, dass es so viele unterschiedliche Sieger gibt, oder spielt der Faktor Zufall eine zu große Rolle? "Für mich ist das einzige Problem, dass es nicht genügend Mercedes-AMG-Siege gegeben hat", grinst Landgraf-Mercedes-Pilot Maro Engel, der in Zandvoort als bisher einziger Fahrer der Marke mit dem Stern siegte.
"Ich sehe es für alle positiv, dass die DTM so eine konkurrenzfähige und herausfordernde Meisterschaft ist. Das hält einen auf Trab", sagt Engel. Und sieht keine Gefahr, dass sich Qualität in der DTM nicht durchsetzen würde.
Fünf unterschiedliche Marken gewinnen ersten fünf Rennen
"Um an der Spitze zu sein, muss man es auf den Punkt bringen. Und wenn man gewinnt, bedeutet das, dass man an jenem Tag eine außerordentliche Leistung gebracht hat", ist er überzeugt. "Dennoch gibt es eine Gruppe von Fahrern, die regelmäßig viele Punkte holen. Und man weiß, dass es noch andere Fahrer gibt, die in der zweiten Saisonhälfte jederzeit ein Rennen gewinnen können, obwohl sie noch keines gewonnen haben."
Dennoch fällt auf, dass die Ausgeglichenheit in der DTM seit 2021, als man von den Class-1-Boliden auf die seriennäheren GT3-Autos wechselte, größer geworden ist: Vor allem im Vorjahr gab es vor dem Saisonfinale in Hockenheim noch zehn Piloten mit theoretischen Titelchancen. Und in 16 Rennen elf unterschiedliche Sieger.
Dieses Jahr hat bei den ersten fünf Saisonrennen jeweils eine andere Marke gewonnen - und auch Ferrari war nun am Lausitzring durch Jack Aitken endlich and er Reihe.
Balance of Performance: Fluch oder Segen?
Das wäre in der Formel 1 aktuell in Anbetracht der Red-Bull-Dominanz und Max Verstappens Serie mit neun Siegen in Folge undenkbar, auch wenn es 2012 in den ersten sieben Rennen wegen der unberechenbaren Pirelli-Reifen jeweils unterschiedliche Sieger gab.
In der DTM heißt das Zauberwort - neben den Erfolgsgewichten und dem riesigen Starterfeld - Balance of Performance. Denn die Boliden werden Wochenende für Wochenende künstlich aufeinander eingestuft - mit dem Ziel, ein möglichst ausgeglichenes Feld zu schaffen. Was durch die unterschiedlichen Fahrzeugkonzepte und Antriebe nicht anders möglich, aber auch nicht unumstritten ist.
Denn bei einer künstlichen Einstufung wird rasch der Vorwurf laut, man würde politisch eingreifen, auch wenn es dafür keine Grundlage gibt. Der Frust ist bei Fahrern und Teams oft groß, wenn um Hundertstelsekunden gekämpft wird - und dann stimmt die Einstufung nicht ganz, was aufgrund der Leistungsdichte in der DTM gleich mal große Auswirkungen haben kann.
ADAC-Sportchef: "Teams beschweren sich immer über BoP"
"Die Teams beschweren sich immer über die BoP, egal wer sie liefert", sieht ADAC-Motorsportchef Thomas Voss die Situation gelassen, nachdem schon AVL Racetech im Vorjahr immer wieder in der Schusslinie war. "Das ist auch für die SRO, die für die BoP zuständig ist, ein Lernprozess, denn sie haben keine Rennserie mit nur einem Fahrer pro Auto und einem Performance-Boxenstopp."
Die Class-1-Prototypen wurden zwar über für ein festgelegtes technisches Reglement konstruiert, aber dennoch waren die Silhouetten-Boliden am Ende dank der vielen Gleichteile und der beschnittenen Aerodynamik sehr ähnlich. Seriensieger gab es trotzdem - wie zum Beispiel Ende 2018, als Rene Rast sechs Rennen in Folge gewann. Wenn ein Fahrer mit seinem Team mal ein perfektes Set-up gefunden hatte, war er oft schwierig zu schlagen.
Auch Winward-Mercedes-Pilot Lucas Auer, der bereits in Class-1-Zeiten am Start war, führt die unterschiedlichen Sieger in der GT3-Ära nicht auf mangelnde Qualität im Feld zurück. "Es war ja nicht so, dass andere Fahrer Fehler gemacht haben oder so", sagt der Österreicher über die aktuelle Saison. "Es hat immer der Schnellste das Rennen gewonnen, also passt das schon."
Qualifying in der DTM in der GT3-Ära wichtiger geworden
Für HRT-Mercedes-Pilot Luca Stolz führt ein Sieg in der DTM heute vor allem über einen guten Startplatz. "Man muss es im Qualifying wirklich auf den Punkt bringen", sagt er. Nur so könne man auch im Rennen "performen".
Das Qualifying war zwar schon in Class-1-Zeiten wichtig, doch damals gab es noch die Überholhilfen DRS und 2019 und 2020 auch Push-to-pass. Abgesehen davon war auch das Ausbremsen eines Rivalen einfacher, weil man noch nicht wie bei den GT3-Autos auf das ABS angewiesen war. Und es war deutlich schwieriger, die Hankook-Pneus über die Distanz zu bringen als bei den Langstrecken-Reifen von Pirelli.
Die Statistik untermauert die Relevanz des Qualifyings: Nur bei drei von zehn Saisonrennen 2023 - Christian Engelhart in Oschersleben, Thomas Preining am Norisring und Maximilian Paul am Nürburgring - siegte nicht der Pole-Setter.
Dass die DTM eine absolute Achterbahnfahrt ist, weiß auch Porsche-Youngster Laurin Heinrich spätestens seit dem Nürburgring-Wochenende, als er am Samstag 19. und am Sonntag Zweiter wurde. Wie der Bernhard-Pilot dazu steht?
"Ich finde es gut, dass es immer unterschiedliche Sieger gibt, denn wenn immer die gleichen gewinnen würden, dann gewinne ich nicht", grinst Heinrich, der sich bisher noch nicht in die Siegerliste eintragen konnte.
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