Der große DTM-Saisonrückblick - Teil 3
'Motorsport-Total.com' blickt für Sie zurück auf die Saison 2007 - Im dritten Teil: Der Endspurt vom Nürburging bis zum Showdown in Hockenheim
(Motorsport-Total.com) - Bis zur Sommerpause hatte die DTM in der Saison 2007 schon einiges erlebt. Die Saison begann mit dem Horrorcrash von Tom Kristensen beim Auftakt in Hockenheim. Danach gab es das Chaosrennen am Lausitzring, nach dem die Punkte halbiert und die Rennleitung neu besetzt wurde. Rein sportlich gesehen ging es auch turbulent zu: In sieben Rennen hatten wir sechs verschiedene Sieger erlebt, an der Tabellenspitze gab es einen ständigen Wechsel - Mattias Ekström lag zu Beginn vorn, dann Ekström gemeinsam mit Martin Tomczyk und Paul di Resta, danach übernahm Zweijahreswagen-Pilot di Resta die alleinige Tabellenführung. Es folgten ihm Tomczyk und am Norisring Bernd Schneider in der Rolle des Spitzenreiters nach. Danach konnte sich wieder Ekström an die Spitze setzen.

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Beim Finale in Hockenheim holte Mattias Ekström seinen zweiten Titel
Vor der Sommerpause hatte man sich im Streit getrennt - das Rennen in Zandvoort sorgte auch in den folgenden Wochen für Diskussionen. Die hatten sich bis zum Nürburbring gelegt. Doch der Friede währte nicht lang. Im dritten Teil unseres Saisonrückblicks fassen wir noch einmal auf die letzten drei Rennen 2007 zusammen, vom Nürburgring bis zum Titelshowdown in Hockenheim.#w1#
2. September: Harmonie am Nürburgring
Rechtzeitig zum Ende der Sommerpause legten Mercedes und Audi ihre Streitereien bei - man riss sich zusammen und beim Rennen am Nürburgring herrschte wieder Friede und Harmonie im Fahrerlager. Im drittletzten Saisonrennen hatte Audi den ersten Matchball im Titelkampf: Mattias Ekström hatte die Chance, seinen Vorsprung auf den besten Mercedes-Piloten auf 21 Punkte auszubauen und damit die Stuttgarter aus dem Titelrennen zu werfen. Wäre ihm das gelungen, hätte er nur noch seinen Stallgefährten Martin Tomczyk als Rivalen gehabt. Doch Mercedes konnte diesen ersten Matchball erfolgreich abwehren: Das Rennergebnis in der Eifel stellte die Weichen für den Dreikampf, der bis zum Finale in Hockenheim andauern sollte.

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Martin Tomczyk zeigte in der Eifel, dass er auch ohne fremde Hilfe siegen kann Zoom
Martin Tomczyk zeigte, dass er auch ohne fremde Hilfe ein Siegfahrer ist und gewann das Rennen, in dem er eine souveräne Leistung ablieferte. In den Tests und im Training war es noch nicht so gut für ihn gelaufen, dann aber holte er sich die Pole Position und fuhr ein perfektes Rennen in einem "perfekten Auto mit perfekter Strategie", wie er danach strahlend zu Protokoll gab. In der Gesamtwertung rückte er als Zweiter damit bis auf vier Punkte an den Führenden Ekström heran.
Im Titelkampf aufholen konnte am Nürburgring auch Bruno Spengler. Der Kanadier war als Vierter gestartet und kam mit einem ebenfalls guten Auto und der passenden Strategie auf Platz zwei in der Eifel. Damit hatte er den Audi-Matchball abgewehrt und seinen Rückstand auf Ekström auf zehn Punkte verkürzt.

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Das Podium am Nürburgring: Alle drei späteren Titelanwärter waren vertreten Zoom
Der Gesamtleader selbst hatte am Nürburgring das aufregendste Rennen: In der Qualifikation kam er nur auf einen enttäuschenden zehnten Startplatz, startete dann aber eine Aufholjagd und fuhr als Dritter noch aufs Podest. Dabei arbeitete sich Ekström durch eine ganze Armada von sechs Mercedes, bis zwischen ihm und dem Podium nur noch Teamkollege Timo Scheider fuhr. Der leistete - Stallorder-Diskussion hin oder her - keine große Gegenwehr und so konnte Ekström sechs weitere wichtige Punkte sammeln.
23. September: Skandalrennen in Barcelona
Am Nürburging war nach den heftigen Streitereien zumindest nach außen hin Friede eingekehrt in der DTM und alle Seiten bemühten sich redlich, immer wieder zu betonen, wie fair und sportlich und überhaupt wie wunderbar alles in der Eifel abgelaufen sei. Doch die Harmonie währte nicht lange: In Barcelona knallte es richtig - die DTM erlebte den wohl größten Skandal ihrer bisherigen Geschichte.
Audi war angetreten, um den zweiten Matchball in den Titelgewinn umzusetzen - Mercedes wollte das natürlich verhindern. Drei der Stuttgarter Piloten hatten noch Chancen: Bruno Spengler, Bernd Schneider und Paul di Resta, die beiden Letzteren allerdings nur noch rein theoretisch. Schon nach der Qualifikation deutete sich an, dass in der Meisterschaft wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Der Gesamtzweite Martin Tomczyk holte sich die Pole Position vor Mika Häkkinen, der Gesamtdritte Bruno Spengler stand auf Startplatz drei vor drei weiteren Mercedes-Kollegen. Gesamtleader Ekström kam wie schon am Nürburgring nicht über Startplatz zehn hinaus.

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Mattias Ekström musste mit seinem ramponierten A4 die Box ansteuern Zoom
Im Rennen überschlugen sich dann die Ereignisse. Der Start ging noch gesittet zu und die Spitzenpositionen blieben in der ursprünglichen Reihenfolge bestehen. In der sechsten Runde gerieten allerdings der Führende Tomczyk und der Zweitplatzierte Häkkinen am Ende der Start-Ziel-Geraden aneinander. Der Finne versuchte sich an Tomczyk vorbei zu bremsen, verbremste sich jedoch und krachte in Tomczyk. Häkkinen musste daraufhin sein Rennen beenden, Tomczyk stellte seinen verbogenen A4 wenig später in der Box ab.
Danach erwischte es Ekström, der sich schon in den ersten Runden weit nach vorn gearbeitet hatte. Der Schwede wollte an Daniel la Rosa vorbei, dem blieb nur die Flucht in die Wiese, wo er sich drehte, zurück auf die Strecke kam und Ekström ins Aus beförderte. Häkkinen und la Rosa kassierten danach Rekordstrafen: 20.000 und 10.000 Euro Strafe und für beide die Rückversetzung um zehn Startplätze in Hockenheim.
Als sich dann auch noch Bruno Spengler mit Feindberührung an Mike Rockenfeller vorbeidrängte, griff Audi zu einer drastischen Maßnahme: Neun Runden vor Schluss wurden alle noch im Rennen verbliebenen Audis aus dem Rennen zurückgezogen, "um ein Zeichen für fairen Sport zu setzen", wie es von den Ingolstädtern später hieß. Sechs einsame Mercedes fuhren dem Ziel entgegen.

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Die Stimmung bei Norbert Haug und Wolfgang Ullrich war nicht besonders gut Zoom
Nun war die Situation in der DTM endgültig eskaliert. Im Fahrerlager, in den Medien und auch bei den Fans war die Meinung geteilt. Die einen sahen in den Manövern der Mercedes-Piloten, rüde und unfaire Attacken, die nur den Zweck hatten, die Gesamtführenden von Audi abzuschießen. Die anderen werteten den Rückzug von Audi als beleidigte Überreaktion auf Kindergarten-Niveau. Ein Kollege bezeichnete ihn sogar als "Betrug an den Fans", die dafür bezahlt hatten, ein Rennen zu sehen und denen das in den letzten Runden verwehrt blieb.
Egal, wem man nun die größere Schuld am Barcelona-Skandal geben will, ein Fan brachte seine Gedanken auf den Punkt und schrieb: "Die DTM hat sich in dieser Saison schon ihr eigenes Grab geschaufelt - heute hat sie sich den Todesstoß gegeben." Das Rennen beherrschte die Schlagzeilen und jeder redete darüber, auch wenn er sich eigentlich überhaupt nicht für Motorsport interessierte.
Offen wurde die Frage gestellt, ob die DTM überhaupt eine Zukunft hat. Außerdem wurde gemunkelt, Audi könne sich zurückziehen - was die Ingolstädter sofort dementierten. Den umstrittenen Rückzug verteidigte Sportchef Wolfgang Ullrich auch später noch als "Gewitter, das reinigend gewirkt hat und letztlich auch gut für die DTM war." Mercedes wehrte sich gegen den Vorwurf, unfaire Attacken gefahren zu haben und verwies auf das Rennen in Zandvoort, wo die Ingolstädter auf der Strecke nicht gerade mit Rücksicht geglänzt hätten.
Auch dem DMSB war das Treiben in Barcelona zu bunt geworden. Das Präsidium beschloss danach, wettbewerbsverzerrende Aktionen nicht mehr zuzulassen. Die Fachabteilungen des DMSB wurden damit beauftragt, "Bestimmungen zu erarbeiten, die künftig jeden äußeren Eingriff in den sportlichen Wettbewerb unter Strafe stellen." Noch nicht ganz klar ist allerdings, was alles ein "äußerer Eingriff" sein kann, das muss erst noch genau definiert werden. Außerdem wurde die Gewichtsverteilung für Hockenheim nicht auf Basis des Rennergebnisses errechnet, sondern nach dem Stand in der 46. Runde - als die Audis noch auf der Strecke waren.
Immerhin bescherte uns der Rennverlauf in Barcelona aber das spannendste DTM-Finale seit langem. Vor dem letzten Rennen hatten noch drei Piloten die Chance auf den Titel, und die Punkteabstände zwischen ihnen waren denkbar knapp. Ekström führte nach Barcelona mit 44 Zählern vor Spengler (42) und Tomczyk (40) - damit war völlig offen, wer sich beim Showdown in Hockenheim zum Meister krönen würde.

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Endlich geschafft: In Barcelona holte Jamie Green seinen lang ersehnten ersten Sieg Zoom
Ach ja - eines ging in den Skandalen von Barcelona leider völlig unter: Mercedes-Pilot Jamie Green feierte in seinem 30. DTM-Rennen seinen lang ersehnten ersten Sieg. Ihm war egal, was sonst auf der Strecke passiert war, den Sieg hatte er sich verdient und sauber herausgefahren und so konnte er sich einfach nur freuen: "Mir ist definitiv eine Last von den Schultern gefallen", sagte der sichtlich glückliche Green. "Wenn du Formel-3-Champion bist, erwartet jeder von dir, dass du auch in der DTM sehr stark bist. Man setzt sich auch selbst unter Druck, wenn die Ergebnisse nicht kommen. Manchmal läuft es dann auch schlechter statt besser. Ich habe eine Phase in meiner Karriere hinter mir, die sehr hart war. Ich bin jetzt so glücklich darüber, wieder dabei zu sein." Hinter Green holte Spengler Platz zwei und war wieder mittendrin im Titelkampf, Paul di Resta kam als Dritter ins Ziel.
14. Oktober: Ekström ist Meister!
Die Diskussionen nach Barcelona hielten an, doch kurz vor dem Finale in Hockenheim trafen sich die Sportchefs Norbert Haug und Wolfgang Ullrich zum "Friedensgipfel". Beide Seiten betonten, dass sie sich ein faires und sportliches Finale wünschen, bei dem der Titelkampf mit legalen Mitteln ausgetragen wird - ohne Rammstöße und Boykotts.

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Mattias Ekström fuhr beim Finale in Hockenheim als neuer Champion ins Ziel Zoom
Und so erlebten die Fans im vollen Motodrom in Hockenheim ein faires, aber enorm spannendes Finale. Nach der Qualifikation hatte Mattias Ekström mit Startplatz drei die besten Karten, während Martin Tomczyk auf Startplatz fünf stand, direkt vor Bruno Spengler. Ekström kam nach dem Start gleich problemlos an seinen Teamkollegen Timo Scheider und Tom Kristensen vorbei, während Spengler zurückfiel auf Rang acht. Für Tomczyk war der Traum vom Titel schon in der ersten Runde ausgeträumt: Er war nach dem Start in ein Gedrängel verwickelt und verbog sich seinen A4 dabei so, dass er kurz danach gerade aus von der Strecke schoss. Zwar konnte der Bayer sein Rennen fortsetzen, er kam aber nur als Neunter ins Ziel.
Somit spielte sich der Titelkampf nur noch zwischen Ekström und Spengler an. Und die beiden schenkten sich nichts: Bis in die letzten Runden war nicht klar, wer sich den Titel holen kann. Während Ekström zwischenzeitlich geführt und sich nach seinen Boxenstopps wieder auf Rang drei einsortiert hatte, startete Spengler vom achten Platz eine sensationelle Aufholjagd. Der Kanadier und seine Gegner zeigten: Überholen geht auch ohne unfaires Rempeln. Rad-an-Rad Duelle gab es zuhauf, aber keine Rambo-Attacken, die eindringlichen Ermahnungen der Sportchefs hatten Wirkung gezeigt.

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Jamie Green konnte in Hockenheim seinen zweiten Sieg in Folge holen Zoom
Vier Runden vor Schluss hatte Spengler dann auch Ekström aufgeschlossen. Während der Schwede mit seinem übersteuernden Auto kämpfte, machte der Kanadier von hinten Druck. Allerdings hätte Spengler den Schweden nicht nur überholen müssen, sondern einer von den beiden Spitzenreitern Green und Scheider hätte noch ausfallen müssen. Denn ein dritter Platz vor Ekström hätte Spengler nicht gereicht, das wäre ein Punkt zu wenig gewesen. Doch soweit kam es gar nicht - Ekström behielt seinen dritten Platz und fuhr knapp vor Spengler als neuer Meister ins Ziel. Am Ende trennten die beiden drei Punkte. Völlig erschöpft musste sich Champion Ekström erst einmal hinsetzen.
Gewonnen hat das Saisonfinale übrigens Mercedes-Pilot Jamie Green - wie schon in Barcelona ging sein Sieg allerdings im allgemeinen Titeltaumel etwas unter. Und Audi-Pilot Timo Scheider jubelte darüber, dass er seinen ersten Podestplatz geholt hatte - in seinem 74. DTM-Rennen.

