Der große DTM-Saisonrückblick: Teil 2
Die Saison 2008: Teil 2 reicht von Paul Di Restas Sieg in der Lausitz über die Gewichtediskussion bis zum totalen Audi-Triumph in Zandvoort
(Motorsport-Total.com) - Mit einem fulminanten Finale in Hockenheim ist die DTM-Saison 2008 zu Ende gegangen. Es war das Jahr des Timo Scheider. Es war aber auch das Jahr, in dem der Stern von Paul Di Resta endgültig aufgegangen ist - und das Debütjahr von Ralf Schumacher. 2008 war eine Saison, in der Mercedes zunächst schon vom neuen Audi A4 geschlagen schien und sich dann erfolgreich zurückgekämpft hat. Die Dominanz der Neuwagen, der Durchbruch eines "Spätzünders", aufstrebende Jungstars und gescheiterte Titelkandidaten - all das hat die Saison geprägt, auf die 'Motorsport-Total.com' nun zurückblickt.

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Im Rennen auf dem Lausitzring konnte Paul Di Resta seinen ersten Sieg holen
Im ersten Teil des Rückblick wurden die ersten drei Rennen von Hockenheim bis Mugello beleuchtet. Im zweiten Teil geht es um die Rennen Lausitzring bis Zandvoort: Von Paul Di Restas erstem Sieg in der Lausitz über das Straßenspektakel am Nürnberger Norisring bis hin zum Dünenrennen in den Niederlanden.#w1#
Eurospeedway Lausitz: Di Restas erster Sieg
Timo Scheider hatte 76 Rennen gebraucht, um seinen ersten DTM-Sieg einzufahren, bei Paul Di Resta ging es schneller. Der Mercedes-Shootingstar stand im vierten Rennen seines zweiten DTM-Jahres zum ersten Mal ganz oben auf dem Podium. Auf dem EuroSpeedway Lausitz holte der 22-Jährige Schotte am 18. Mai einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg. Di Resta zeigte eine souveräne Leistung und fuhr unter anderem eine ganze Reihe von Rundenrekorden. "Fantastisch, alles, was ich seit eineinhalb Jahren anstrebe, geht hier in Erfüllung. Danke an mein Team, sie haben wirklich hart gearbeitet", sagte di Resta nach seinem Triumph. Und er startete seine erste Kampfansage an Scheider: "Jetzt ist in diesem Jahr alles möglich. Wir wollen ganz klar um die Spitze mitfahren." Di Resta sollte Recht behalten, wie sich im weiteren Saisonverlauf zeigte.

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Paul di Resta feierte seinen ersten DTM-Sieg mit seiner Familie Zoom
Die Gesamtführung konnte Di Resta aber nicht übernehmen. Denn Scheider wurde Zweiter und hatte damit weiter drei Punkte Vorsprung auf den Schotten. "Wir haben im Voraus gesagt, dass es schwierig werden würde für uns und Paul war das ganze Wochenende über der Mann der Stunde", sagte Scheider nach dem Rennen. "Ich muss sagen, ich bin überglücklich - wenn ich richtig mitgezählt habe, dann sind wir noch Tabellenführer. Das ist zunächst mal das Wichtigste. Was wir an diesem Wochenende mit nach Hause nehmen wollten, waren so viele Punkte möglich - heute waren nur acht möglich."
Hinter Di Resta reihten sich in der Lausitz drei neue Audi A4 DTM ein: Hinter Scheider wurde Mattias Ekström Dritter, Martin Tomczyk belegte Rang vier. Dahinter folgten die übrigen drei HWA-Piloten: Mugello-Sieger Jamie Green wurde Fünfter. Bruno Spengler war einer der Pechvögel des Rennens: Weil es bei ihm zweimal Probleme beim Boxenstopp gab, verlor er vier Positionen und rutschte von seinem zweiten Startplatz ab auf Rang sechs. Bernd Schneider wurde Siebter.
Der letzte Punkterang ging zunächst an Alexandre Prémat im Audi-Jahreswagen. Gut zwei Stunden nach Rennende wurde der Franzose aber nachträglich disqualifiziert. Denn Prémat war mit den falschen Reifen unterwegs. Nach dem zweiten Boxenstopp wurde anhand des Strichcodes festgestellt, dass auf Prémats Audi Reifen aufgezogen waren, die nicht für Qualifying oder Rennen zugelassen waren. Damit rückte sein Teamkollege Oliver Jarvis nach auf den achten Platz und bekam einen Punkt gut geschrieben.
Die Pause: Diskussion um die Gewichte
Nach dem Rennen in der Lausitz machte die DTM erst einmal eine mwehrwöchige Pause, bevor man sich am Norisring wieder traf. Diese Pause wurde von einem Thema bestimmt: der Gewichtediskussion. Unter den "Gebrauchtwagenpiloten" hatte sich nach den ersten Saisonrennen eine gewisse Frustration breitgemacht. Erfolge wie im Jahr 2007, als Gary Paffett im Jahreswagen einen Sieg und Di Resta im Zweijahreswagen vier Podiumsplätze geholt hatten, scheinen in diesem Jahr unmöglich. Wenn es gut lief, waren für einen Jahreswagen-Pilot vielleicht Punkte drin, aber nur dann, wenn einer oder mehrere der Neuwagenpiloten durch Unfall oder Probleme zurückfiel.

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Die Gebrauchtwagen taten sich wegen ihres Gewichts sehr schwer Zoom
Die Basisgewichte wurden in diesem Jahr folgendermaßen festgelegt: Neuwagen 1.050 Kilogramm, Jahreswagen 1.040 Kilogramm und Zweijahreswagen 1.030 Kilogramm. Das Zu- und Ausladen von Erfolgsgewichten hatte zum Beispiel die Folge, dass die 07er-Audis am Lausitzring schwerer waren als die aktuellen Mercedes-C-Klassen. Eines der Probleme war auch, dass Mercedes keine Zweijahreswagen mehr hatte und die Audi-Gebrauchtwagen der Jahrgänge 07 und 06 deshalb zusammengefasst wurden. Damit durften die 07er-Audis eigentlich nie ausladen. Die Aussicht, dass die Jahreswagen von Audi am Norisring sogar die schwersten Autos im Feld sein würden, sorgte für viele Diskussionen.
Es müsse etwas getan werden, sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug nach dem Rennen am Lausitzring. "Da war doch ein großer Abriss, die Jahreswagen sind quasi das Rennen im Rennen gefahren. Und vielleicht finden wir eine Lösung, wie man da ein bisschen Marscherleichterung verschafft. Irgendwie müssen wir dahin kommen, dass die alten Jahrgangsautos zumindest prinzipiell punktefähig sind."
Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich stimmte Haug zu: Zwar habe Audi mit einem Jahreswagen am Lausitzring gerade noch einen Punkt holen können, "aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Lücke zwischen den 08er- und den 07er-Autos größer ist, als wir gedacht haben, als die Gewichtseinstufung gemacht wurde. Ich denke, dass wir gemeinsam konstruktiv daran arbeiten werden, dass wir das in Ordnung bringen und das wird auch den Rennen in jeder Form auch nur gut tun."
Die mehrwöchige Pause verstrich jedoch, ohne dass irgendetwas getan wurde. Als man sich am Norisring wiedertraf, war der Status Quo in Sachen Jahreswagen-Gewichte unverändert. Lösungsvorschläge hatte es schon gegeben: Die Gewichte der älteren Fahrzeuge zu reduzieren und/oder die 2006er-Audis aus der Jahreswagengruppe herauszunehmen, damit die 2007er-Fahrzeuge von Audi und Mercedes öfter die Chance haben, ihr angesammeltes Gewicht auch wieder loszuwerden. Doch Audi hatte sich dafür ausgeprochen, erst einmal noch das Rennen am Norisring abzuwarten, um einen besseren Gesamteindruck von der Lage zu gewinnen.
Norisring: Green gewinnt Renn-Krimi
Das Rennen am Norisring am 29. Juni war bis zum Schluss ein spannender Krimi mit einem Vierkampf an der Spitze. Am Ende holte sich Mercedes einen Doppelsieg: Jamie Green gewann mit 0,4 Sekunden Vorsprung vor seinem Teamkollegen Bruno Spengler. Und das, obwohl Green bei seinem zweiten Boxenstopp dafür sorgte, dass allen der Atem stockte. Er bekam zu früh die Freigabe zum Weiterfahren und die Tankkanne hing noch im Tank - nach einer halben Runde verlor er den unfreiwilligen Zusatzballast, immer noch knapp in Führung vor Spengler.

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Bruno Spengler gratuliert seinem Kollegen Jamie Green zum Sieg Zoom
"Ja, es war hart", bekannte Green nach dem Rennen erschöpft, aber strahlend. "Manchmal hatte ich zwar etwas Luft zum Atmen und zwei Sekunden Vorsprung auf Bruno, aber gegen Ende des ersten Stints wurde er recht stark. Nach dem Boxenstopp bin ich ein bisschen im Verkehr hängen geblieben und ich hatte auch ein paar Probleme mit der Balance meines Autos. Es war eine große Herausforderung, ich habe in der Schikane zwei kleine Fehler gemacht. Das ist ein Stadtkurs - wenn man nur ein bisschen von der Linie abkommt, verliert man schnell Zeit. Mich haben die Fehler eine Sekunde gekostet. Und da hat Bruno gemerkt, dass für ihn der Sieg immer noch drin war."
Auf Rang drei kam mit weiteren 2,1 Sekunden Rückstand Timo Scheider, der in der allerletzten Kurve noch seinen Teamkollegen Mattias Ekström auf Platz vier verdrängte. Mit diesem Manöver sicherte sich Scheider auch die weitere Tabellenführung. Mit 32 Punkten hatte der Audi-Pilot nach dem Norisring noch einen Zähler Vorsprung auf den neuen Gesamtzweiten Green (31). Es war ein actionreiches Rennen, wie man es sich am Norisring erwartet. Die Zuschauer erlebten 74 Runden lang spannende Duelle und fliegende Spiegel.
Der Pechvogel war diesmal Gary Paffett: Der Mercedes-Jahreswagen-Fahrer kam als Fünfter hier Ekström ins Ziel. Er zeigte von Startplatz neun aus ein starkes Rennen und setzte die Neuwagenpiloten vor sich immer wieder kräftig unter Druck - oft genug überholte er dann auch. Doch wenige Stunden nach dem Rennen wurde der Brite aus der Wertung genommen, weil sein Auto beim Wiegen drei Kilogramm unter dem Mindestgewicht lag.

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Fußballfieber am Norisring: Der Audi Heroes Cup am Samstagabend Zoom
Paul di Resta konnte im 2008er-Mercedes seinen dritten Startplatz nicht nutzen. In Runde 21 drehte er sich in der Grundigkehre und fiel zurück, am Ende wurde er Sechster. Punkte gab es auch für Bernd Schneider (Mercedes/Siebter) und Tom Kristensen (Audi). Der Däne lag zwischenzeitlich auch in der Spitzengruppe, hatte aber dann Probleme in den Kehren, verlor mehrere Positionen und beendete das Rennen als Achter.
Der Norisring wurde seinem Ruf als "Monaco des Tourenwagensports" erneut gerecht: Weit über 100.000 Fans strömten an den Dutzendteich, die Promis drängten sich in den VIP-Zelten von Audi und Mercedes. Und neben der DTM gab es an diesem Wochenende noch ein anderes ganz wichtiges Thema: die Fußball-Europameisterschaft. Fahrer und Teams schickten Grußbotschaften an die deutsche Nationalmannschaft und nach dem Rennen packten alle schnell zusammen, um sich dann im idyllischen Fahrerlager das Finale auf unzähligen Fernsehern anzuschauen.
Nach dem Norisring: Regeländerungen:
Nach dem Rennen am Norisring gab es dann auch die lang ersehnte Änderung im Gewichtsreglement. Beginnend mit dem Rennen in Zandvoort wurden die Basisgewichte der 2006er und 2007er Modelle um jeweils zehn Kilogramm verringert. Zudem wurde festgelegt, dass die 07er-Fahrzeuge von Audi und Mercedes gemeinsam veranschlagt, Zu- oder Abladungen von Ballast also beiden Herstellern zugesprochen werden. Eine weitere Veränderung gibt es beim Boxenstoppfenster. Schon nach dem ersten Rennviertel darf der erste Stopp absolviert werden, der zweite muss dann bis zum Ende des dritten Rennviertels durchgeführt werden.
Zandvoort: Vierfachsieg für Audi
Am 13. Juli traf sich die DTM in den Dünen von Zandvoort - und Audi erlebte den totalen Triumph. Einen Tag vor seinem 30. Geburtstag holte sich Mattias Ekström seinen zweiten Saisonsieg. Und wie schon 2007 gelang Audi auf dem niederländischen Kurs ein Vierfachsieg. Hinter Ekström kamen Timo Scheider und Tom Kristensen aufs Podium, Martin Tomczyk komplettierte den Erfolg als Vierter. Bester Mercedes-Pilot war Bruno Spengler auf Rang fünf vor seinen HWA-Teamkollegen Jamie Green und Paul die Resta. Der letzte Punkt ging an Audi-Jahreswagen-Pilot Markus Winkelhock, der vor Bernd Schneider und Mike Rockenfeller Achter wurde. Winkelhock schob sich in der vorletzten Runde mit einem tollen Manöver an den beiden vorbei. Ralf Schumacher fuhr vom letzten Startplatz vor auf Rang Zwölf.

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Siegesfeier in Zandvoort: Hans-Jürgen Abt, Mattias Ekström und Wolfgang Ullrich Zoom
"Das Auto war von Anfang an gut, ich kann mich überhaupt nicht beschweren", erklärte Sieger Ekström in Zandvoort. "Timo hat mich die ganze Zeit über ganz schön unter Druck gesetzt. Ich bin so schnell wie möglich gefahren, wusste aber, dass ich die Reifen schonen und das Rennen beenden musste. Das hat sehr gut funktioniert. Abt und die ganze Audi-Familie können wirklich stolz sein über das Ergebnis."
Nach dem spannenden Rennkrimi auf dem Norisring verlief das Rennen in Zandvoort - mit wenigen Ausnahmen - weitgehend ereignislos. Am Start behauptete Ekström seine Führung vor Scheider und Kristensen. Tomczyk erwischte von Platz sechs einen guten Start und war nach der ersten Kurve schon Vierter vor Spengler, di Resta und Green, der von Platz vier auf sieben zurückgefallen war.
In der Gesamtwertung führte weiter Scheider. Neuer Gesamtzweiter war mit fünf Punkten Rückstand Ekström. Green war zurückgefallen auf Rang drei und hatte sechs Punkte Rückstand auf Scheider. Vierter war Di Resta mit elf Punkten Rückstand. Und Sieger Ekström witterte seine Chance auf die Titelverteidigung: "Im Titelkampf habe ich jetzt wieder alle Möglichkeiten. Ich freue mich auf den Kampf mit Timo." Seine Chancen im Titelkampf schwanden aber im weiteren Saisonverlauf wieder, auch wenn der Schwede später in Le Mans noch seinen dritten Saisonsieg holen konnte.
"Ich bin natürlich mit dem Ergebnis sehr zufrieden - ein tolles Ergebnis, ein Traumergebnis", bilanzierte Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich nach dem Zandvoort-Triumph. "Wir haben alle vier Topplätze mit den vier neuen A4 geholt. Wir haben auch bisher in der Saison von den Podiumspositionen her ein tolles Ergebnis. Wir haben 66 Prozent aller möglichen Podiumsplätze geholt. Wir haben hier sehr viele Punkte mitgenommen, die für die Meisterschaft wichtig sind und nun eine Doppelführung in der Meisterschaft."
Mercedes sei in Zandvoort "sicherlich etwas auf dem linken Fuß" gewesen und habe "unterperformt", räumte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug ein: "Wir haben es heute nicht richtig hinbekommen. Aber das Blatt kann sich wieder wenden. Jetzt konzentrieren wir uns auf den Nürburgring in zwei Wochen, da wollen wir wieder frohgemut attackieren."
Das gelang Mercedes dann auch im denkwürdigen Regenrennen am Nürburgring. Alles über den Reifenpoker in der Eifel sowie über die Auslandsrennen in Brands Hatch und Barcelona lesen Sie morgen im dritten Teil unseres großen Saisonrückblicks.

