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  • 05.12.2012 09:22

Jaguar AWD: Lehrstunde zum Allradantrieb

Auf der Winter-Teststrecke konnte Jaguar demonstrieren, dass ihr der XJ und der XF mit dem neuen Allradantrieb die Aufgaben bewältigen können

(Motorsport-Total.com/Auto-Medienportal) - Alles lief prima. Auf der bestens präparierten Winter-Teststrecke konnten die Experten von Jaguar demonstrieren, dass ihr Flaggschiff XJ und der kleine XF mit dem neuen Allradantrieb die Aufgaben bewältigen können - mindestens so gut wie der Wettbewerb, wenn nicht besser. Doch dann übernahm das Wetter die Regie und aus der "Laborsituation" auf der Teststrecke wurde eine viel zu realistische Lehrstunde über Können und Grenzen des Allradantriebs.

Titel-Bild zur News:

Als Motor dient der neue 3,0-Liter-V6 mit Kompressoraufladung Zoom

Das Wetter in den Bergen nördlich der kanadischen Stadt Montreal war umgeschlagen. Auf eine Nacht mit minus zehn Grad folgte ein Vormittag mit Temperaturen etwas oberhalb null und heftigem Regen. Die Folgen sind absehbar: Autos mit Eispanzer, spiegelglatte Flächen festgefahrenen Schnees, Blitzeis, Schwarzeis, Eis unter Wasser, seifiger Schlamm auf schmalen Straßen mit lauter kurzen, aber heftigen Steigungen und scheinbar noch steileren Gefälle, das meist in eine Kurve mündet.

Glücklicherweise war Sonntag. Da konnten die meisten daheim bleiben, und auch die vielfach angedrohten Langholz-Transporte tauchten nicht auf. Das war die gute Nachricht. Die schlechte: Mehr als 200 Kilometer bis zum Flughafen Montreal. Wir legten die Strecke mit einem Jaguar XJ zurück, dem großen Jaguar, der trotz kompletter Aluminium-Karosse mit den rund 100 Extra-Kilo für den neuen Allradantrieb gut seine zwei Tonnen auf die Straße bringt. Den Effekt kennt man schon vom Skifahren: Gewicht zieht nach unten.

Die Physik kann einen schon beim ersten Gefälle das Fürchten lehren. Hätten wir nicht gerade eben die Praxis aus dem vergangenen Winter wieder auffrischen können, wären wir vermutlich auch auf die Bremse getreten, wie unser Vordermann, der prompt die Kontrolle verlor und im Graben endete.

Bei solch extremer Glätte war sein ESP offensichtlich überfordert. Die im Schnee-Modus besonders sanft schaltende Acht-Gang-Automatik unseres Allrad-XJ half, mit dem 3,0-Liter-V6-Kompressormotor zu bremsen und nicht zu viele der 250 kW / 340 PS und zu viele Newtonmeter der maximal 450 auf die nächste glatte Steigung loszulassen.


Fotos: Jaguar XJ AWD


Ohne Motor geht es gerade in den typischen Allrad-Situationen nicht. Schließlich ist es dessen Aufgabe, alle Räder so anzutreiben, dass der gewünschte Vortrieb in der richtigen Richtung erreicht wird. Rollen ist in solchen Situationen selten eine gute Idee; die Räder brauchen Antrieb.

So eine 5,13 Meter lange, 1,90 Meter breite und 1,49 Meter hohe Limousine wirkt - wenn man erst einmal in die komfortablen Sitze gesunken ist und die Sitzheizung eingeschaltet hat - ungeheuer beruhigend. Das Gewicht und die Physik treten langsam in den Hintergrund. Modernes und doch gediegenes Design, gute Materialien, handwerklich verarbeitet und der Hauch von Hightech erobern das Gemüt und vermitteln einem die Sicherheit, gerade jetzt in genau dem richtigen Auto zu sitzen.

Dabei ist der XJ - und erst recht nicht dessen Langversion - nicht das Auto für die Suche nach dem automobilen Abenteuer à la Blitzeis. Jaguar hatte schon immer nur einem Heckantrieb, warum nun Allrad? Eine Antwort ist sicher die: Mit Land Rover ist das komplette Allrad-Wissen im Haus. Jaguar-Techniker stimmen dieser Aussage zu, weigern sich aber, die Jaguar AWD als Kopien zu sehen.

Die zweite Antwort haben wir jetzt auf die harte Tour gelernt: Allradantrieb kann das Leben in schwierigen Wetterlagen erleichtern oder sogar retten. Die dritte: Die Nachfrage nach Top-Limousinen mit Allradantrieb wächst, zum Beispiel in den USA. Jaguar erschließt sich damit also neue Märkte.

Der Antriebsstrang ist für den großen XJ und den zur gehobenen Mittelklasse zählenden XF nahezu identisch. Als Motor dient der neue 3,0-Liter-V6 mit Kompressoraufladung für 250 kW / 340 PS und einem maximalen Drehmoment von 450 Newtonmetern. Der Allradantrieb versorgt mit deutlichem Vorrang die Hinterachse. Bis zu 100 Prozent sind hier möglich.

Der Antriebsstrang ist für den großen XJ und dem XF nahezu identisch Zoom

Beim Anfahren und bei vielen anderen Fahrzuständen gehen Anteile an die Vorderachse und - wenn?s schief geht - auf die einzelnen Räder. Drei Modi (Normal, Winter, Dynamic) entscheiden grundsätzlich über die Verteilung des Antriebs. Drückt man die Taste mit dem Wintersymbol, schiebt das Verteilergetriebe zum Anfahren gleich einmal 30 Prozent zur Vorderachse.

Im Jaguar XF 3.0 Liter V6 Kompressor AWD schafft der Antriebstrang für das XJ- wie für das XF-Modell die Höchstgeschwindigkeit von (abgeregelten) 250 km/h und den Standardsprint in 6,4 Sekunden. Der Normverbrauch soll im Schnitt (nach EU-Regeln) bei 9,8 Litern liegen, was einer Kohlendioxidemission von 229 Gramm pro Kilometer entspricht.

Im deutschen Markt wäre der neue Kombi Jaguar XF Sportbrake mit dem 177 PS / 240 PS-oder einem der beiden anderen Dieselmotoren zusammen mit dem Allradantrieb sicher ein attraktives Angebot. Vielleicht erleben wird das noch. Aber zunächst einmal wird ab Februar kommenden Jahres nur die Kombination Allrad und V6-Benziner angeboten. Der wird für einen Einstiegspreis von 57.000 Euro angeboten. Der Allrad-XJ beginnt bei 91.160 Euro.
Übrigens: Alle kamen durch.

Daten Jaguar XF 3.0 AWD

Länge x Breite x Höhe (in m): 4,96 x 1,88 x 1,48
Motor: 6-Zylinder-Benziner, 2.995 ccm, Kompressor
Leistung: 250 kW / 350 PS bei 6.500 U/min
Maximales Drehmoment: 450 Nm von 3.500 bis 5.000 U/min
Verbrauch (Schnitt nach EU-Norm): 9,8 Liter/100 km
Kohlendioxidemission: 229 g/km (Euro 5)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (elektronisch abgeregelt)
Leergewicht / Zuladung (maximal): 1.880 kg / 550 kg
Kofferraumvolumen: 550 - 1.675 Liter (ohne Reserverad)
Basispreis: 57.000