• 26.06.2023 12:02

  • von Manuel Lehbrink

Hyundai Ioniq 6 (2023) im Test: Neue Verpackung, gleicher Inhalt

Nach dem Ioniq 5 bringt Hyundai den Ioniq 6 - Die Limousine mag anders aussehen als der Crossover, aber die Verwandtschaft lässt sich trotzdem nicht leugnen

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Die E-GMP-Modellauswahl des Hyundai-Konzerns wächst stetig weiter. Nachdem der Hyundai Ioniq 5, der Kia EV6 und der Genesis GV60 bereits etwas länger am Markt etabliert sind und in naher Zukunft auch der Kia EV9 die siebensitzigen Elektro-SUV-Kundenwünsche erfüllen soll, ist das neueste Produkt auf der 800-Volt-Plattform im Verkauf der limousinenartige Hyundai Ioniq 6. Also ... Zeit für eine Testfahrt, oder?

Titel-Bild zur News:

Hyundai Ioniq 6 (2023) im Test Zoom

Um ehrlich zu sein: Hier haben wir im Grunde einen Ioniq 5 für uns, der einfach nur ein bisschen anders aussieht, da Hyundai (im Gegensatz zu anderen Herstellern) nicht viel von einem einheitlichen Marken-Design zu halten scheint. Gut so, denn die Nummer 6 ist ein echter Hingucker. Sehr sechsi quasi. (Sorry für den Wortwitz.)

Denn wenn man mal von der Form absieht, erkennt man viele technische Gemeinsamkeiten zwischen den Ioniqs. Die kleine 53-kWh-Batterie für die Basisversion mit ihrem 111 kW starken Motor an der Hinterachse? Kennen wir. Das größere 77,4-kWh-Lithium-Ionen-Akkupaket, das entweder einen Heckmotor mit 168 kW oder einen zweimotorigen Allradantrieb mit 239 kW mit Strom versorgt? Ebenfalls bekannt.

Aber die Ähnlichkeiten reichen weit über den elektrischen Antriebsstrang hinaus. Beide Ioniq-Modelle verfügen über eine McPherson-Federbein-Vorderachse und eine Mehrlenker-Hinterachse (obwohl Abstimmung und Geometrie beim 6er natürlich anders sind), haben 325-mm-Bremsscheiben an allen vier Ecken und eine nahezu identische Lenkübersetzung.

Auch die Fahrmodi und die Einstellungen der regenerativen Bremsen sind gleich. Die gute Nachricht ist also: Wenn Sie mit einem E-GMP-Modell vertraut sind, können Sie direkt in den neuesten Ioniq einsteigen und sich sofort zurechtfinden. Die schlechte Nachricht? Das Fahrerlebnis dürfte nicht einzigartig sein.

Wie fährt er sich?

Um dies herauszufinden, hat uns Hyundai einen Ioniq 6 mit großem Akku, 168 kW und damit Heckantrieb vor die Tür gestellt, den wir 14 Tage auf Herz und Nieren testen durften.

Wenn man das Gaspedal betätigt, liefert natürlich auch dieses Elektroauto den typischen sofortigen Drehmomentschub (350 Nm sind es in dieser Version). Macht süchtig, so in den Sitz gedrückt zu werden. Aber: Sobald der erste Kick vorbei ist, werden die Zahlen auf dem Tacho einfach nur größer. Ziemlich emotionslos.

Und für so eine schnittige Limousine nicht gerade schnell. 7,4 Sekunden von 0-100 km/h gibt der Hersteller an. Zum Vergleich: Ein BMW i4 eDrive35 (mit 210 kW und 400 Nm allerdings etwas stärker motorisiert) schafft den Sprint in 5,8 Sekunden. Schluss macht der Hyundai elektronisch bei 185 km/h. Das ist okay.


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Wir würden diesen Mangel an Beschleunigungstempo übrigens verzeihen, wenn der Ioniq 6 etwas dafür tun würde, um das Erlebnis beispielsweise akustisch etwas aufzupeppen. Aber hier hat man entweder die Wahl zwischen Lautlosigkeit oder einem ziemlich gewöhnungsbedürftigen "Motorsound", der nach Raumschiff Enterprise aus der Blechdose klingt. Mehr nicht.

Ein Kia EV6 hat zumindest drei verschiedene Tonspuren im Angebot. Aber auch hier kommt keiner der Klangeffekte an die Natürlichkeit der Iconic Sounds von BMW und Hans Zimmer heran. Schade.

Deshalb spulen wir auch die Testkilometer auf kurvigen Abschnitten stets lautlos ab und wechseln zwischen den Modi "Eco", "Comfort" und "Sport" über den Knopf am Lenkrad hin und her. Dabei ändert sich vor allem das Ansprechverhalten des Gaspedals.

Cockpit des Ioniq 6

Cockpit des Ioniq 6 Zoom

Die Lenkung bleibt gefühlt immer gleich verbindlich, ausgewogen und angenehm, das im Vergleich zum Ioniq 5 etwas straffer ausgelegte Fahrwerk legt sein Komfortbewusstsein nie ganz ab. Kurvenräuber? Mit Abstrichen ... ja. Langstreckentauglich? In jedem Fall.

Größere Distanzen machen aber nicht nur wegen dem hohen Fahrkomfort viel Spaß, sondern auch wegen dem Verbrauch und der Ladeperformance. Selbst wenn man mit dem Messer zwischen Zähnen unterwegs ist, wird es bei sommerlichen Temperaturen kaum möglich sein, über 20 kWh/100 km auf dem Bordcomputer ablesen zu können.

Wir pendeln uns bei 16,2 kWh/100 km und damit einer praktischen Reichweite von rund 450 km ein. Und der kurze Strom-Snack am Schnelllader dauert durch das 800-Volt-System und einer maximalen Ladeleistung von etwa 250 kW auch nie wirklich länger als 15 Minuten. Perfekt.

Was sollte man sonst noch wissen?

Wann wir auf das Aussehen des Ioniq 6 zu sprechen kommen? Jetzt ist es soweit. Aber da Sie wahrscheinlich selbst ein Augenpaar und ein entsprechendes Gehirn zur Weiterverarbeitung der Bilder besitzen, werden wir nicht versuchen, Ihre Meinung über das Exterieur-Design zu ändern.

So viel würden wir Ihnen aber gerne mit auf den Denkweg geben: Der Ioniq 6 sieht in natura besser aus und für diese Art von aerodynamischer Effizienz kann man jede Menge der teils fragwürdigen Stylingdetails verzeihen.

Die Form wurde einem geglätteten Flusskiesel nachempfunden, die wir komischerweise noch nie mit zwei Spoilern im Bachbett haben liegen sehen. Aber egal. So ergibt sich mit cW-Wert von 0,22 (mit 18-Zoll-Felgen) oder 0,25 (mit 20-Zoll-Felgen). Die Länge beträgt 4,89 Meter, wovon 2,95 Meter auf den Radstand entfallen. Das Ergebnis: ein beeindruckend geräumiger Innenraum.

Innenraum das Hyundai Ioniq 6

Innenraum das Hyundai Ioniq 6 Zoom

Die Beinfreiheit auf der Rücksitzbank im Fond ist gigantisch. Da kann die Konkurrenz einpacken. Die Dachlinie des Ioniq 6 sorgt allerdings für Abstriche in der Kopffreiheit. Während also langbeinige Menschen glücklich sein werden, werden diejenigen mit langem Oberkörper oder langen Hälsen Probleme bekommen.

Und dann wäre da noch der etwas verbaute Teil in der ersten Reihe. Mittlerweile sind wir es von den E-GMP-Autos eigentlich gewohnt, dass eine Mittelkonsole auch luftig ausfallen kann. Der 6er kehrt aber zu einem eher traditionellen Layout zurück. Mit einem sperrigen Bauteil zwischen den Sitzen, das viel Platz einnimmt.

Abgesehen von diesen Änderungen, die die allgemeine Form des Ioniq 6 mit sich bringt, ist der Innenraum aber vertrautes Terrain. Ein aufgeräumter Ort, wo es nicht viel Neues zu entdecken gibt. Das Zweispeichenlenkrad, die Schaltwippen für die Rekuperation und der an der Lenksäule befestigte Wählhebel sind in Ordnung.

Die beiden 12,3-Zoll-Displays (Kombiinstrument hinterm Lenkrad, Touchscreen in der Mitte) gehören zu den besseren Systemen auf dem Markt. Auch wenn das erste Hochfahren manchmal ein paar Sekunden dauern kann.

Was könnte eventuell stören?

Da wäre zum einen die hohe Sitzposition auf dem Fahrersitz, die eher an die eines Crossovers als an die einer sportlichen Limousine erinnert. Dazu kommen Dinge wie die sich in der Heckscheibe spiegelnde Hutablage, die für Fettflecken (da reicht der natürliche Fettgehalt der Haut bei kurzer Kleidung schon aus) anfälligen Türinnenverkleidungen und die seltsam geformte Ladeschale für Smartphones (wir bekommen mit unserem iPhone 12 mini keine kabellose Ladung hin).

Heck des Hyundai Inoiq 6

Heck des Hyundai Ioniq 6 Zoom

Darüber hinaus ist die Kofferraumöffnung ziemlich klein und dadurch ist das volle Volumen in seiner Tiefe etwas schwer zugänglich. Die akustische Warnung bei Geschwindigkeitsübertretung schaltet sich immer wieder automatisch nach Ausschalten des Fahrzeugs an und wir haben keinen Weg gefunden, das System dauerhaft auf stumm zu stellen. Und vom Dach kommen undefinierbar pfeifende Windgeräusche ab etwa 175 km/h. Das wars dann aber schon.

Wie viel Geld muss investiert werden?

Los geht's bei 43.900 Euro für das Modell mit 111 kW und kleinem Akku. Mehr Leistung und Reichweite und damit der Schritt zu unserem 168-kW-Testwagen mit größerer Batterie kostet bei Hyundai 5.000 Euro Aufpreis. Obligatorisch ist dann allerdings auch das DYNAMIQ-Paket für 5.100 Euro mit Wärmepumpe und einer Handvoll zusätzlicher Sicherheitsassistenz.

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Volle Hütte gibt's mit dem UNIQ-Paket für 11.300 Euro Aufpreis gegenüber dem Basis-6er (hier aber auch nicht die 5.000 Euro für das Leistungs- und Batterie-Upgrade vergessen), sodass ein Wunschlos-glücklich-Ioniq bei rund 60.000 Euro rangiert. Nach Abzug der aktuellen Förderungen landet man dann bei einem Kaufpreis von rund 53.000 Euro. Klingt viel, aber man bekommt eine der besten Elektro-Limousinen auf dem Markt dafür. Und wann haben Sie zuletzt mal einen VW Golf konfiguriert?!

Fazit

Nennenswerte Punkte, die gegen einen Hyundai Ioniq 6 sprechen, konnten wir während des 2-wöchigen Testzeitraums nicht finden. Am Ende dürfte die Optik der größte Showstopper sein. Aber hier könnte man ja zur Not auf die anderen E-GMP-Derivate gleicher Größe zu ähnlichen Preisen ausweichen, die sich dazu auch noch nahezu identisch fahren und die gleiche atemberaubende Performance an der Ladesäule sowie dem Verbrauch bieten. Interesse an einer elektrischen Limousine? Dann kommt man am Hyundai Ioniq 6 nur schwer vorbei.

Hyundai Ioniq 6 (77,4 kWh, 2WD, 168 kW):

Motor: 1x PSM-Elektromotor, hinten
Getriebeart: 1-stufiges-Reduktionsgetriebe
Antrieb: Heckantrieb
Leistung: 168 kW (229 PS)
Max. Drehmoment: 350 Nm

Beschleunigung (0-100 km/h): 7,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h
Elektrische Reichweite: 614 km (WLTP-Zyklus, 18-Zoll-Felgen)
Batterie: 77,4 kWh
Aufladezeit: 7:10 Stunden (11-kW-Ladestation, 10-100 %) / 0:18 Stunden (350-kW-Ladestation, 10-80 %)
Verbrauch: 14,3 kWh/100 km (WLTP-Zyklus, 18-Zoll-Felgen)

Länge: 4.855 mm
Breite: 1.880 mm
Höhe: 1.495 mm
Leergewicht: 1.985-2.061 kg
Anzahl der Sitze: 5
Kofferraumvolumen: 401 Liter (+45 Liter Frunk)
Anhängelast: 750 kg (ungebremst) / 1.500 kg

Basispreis: 43.900 Euro (Ioniq 6, 53 kWh-Akku, 111 kW, 2WD)
Preis der Testversion: 48.900 Euro (Ioniq 6, 77,4 kWh-Akku, 168 kW, 2WD)
Preis des Testwagens: 60.200 Euro (Ioniq 6, 77,4 kWh-Akku, 168 kW, 2WD, inkl. UNIQ-Paket)