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  • 18.08.2018 10:59

  • von Bradley Iger

Dodge Challenger SRT Hellcat Redeye 2019 im Test: Demon im Blut

Der 2019er Dodge Challenger SRT Hellcat Redeye ist Wahnsinn auf vier Rädern. Mit 808 PS und viel Demon-Technik. Funktioniert's oder gibt es nur Rauch? Test

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Am 30. Oktober 1961 testete die UdSSR ein nukleares Monster namens RDS-220 auf Novaya Zemlya, einer Inselkette vor der Nordküste Russlands. Vom Westen als Zar-Bombe bezeichnet, hatte der Sprengsatz eine Durchschlagskraft von etwa 50 Megatonnen TNT. Er war tausendmal stärker als die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs eingesetzten Atomwaffen.

Herrje, was hat das mit der neuen Hellcat Redeye zu tun?

Gemach. Dazu komme ich gleich. 2014 wurde der 717 PS starke Dodge Challenger SRT Hellcat vorgestellt und natürlich hob er die Messlatte für Motorleistung in einem Serien-Muscle-Car in irritierende Höhen. Plötzlich waren 600 PS nahezu langweilig.

Das Auto wurde unmittelbar zum Liebling der Enthusiasten und der Kritiker. Die üblichen Branchen-Verdächtigen kämpften verzweifelt um eigene Antworten. Klar, Argumente wie Leistungsgewicht, Grip und die vielen anderen Faktoren, die zur Fahrdynamik eines Fahrzeugs beitragen, finden ihr Gehör unter der geneigten Kundschaft. Allerdings brennt sich ein schwindelerregender Output mit einer 7 vorne dran natürlich weitaus leichter und effektiver ins herkömmliche Hirn ein.

Die Verkaufszahlen bestätigten dies - Dodge konnte seine Hellcats im ersten Jahr gar nicht schnell genug vom Band rollen lassen. Das Challenger-Lineup konterkariert auch heute noch den Branchentrend. Mit jährlich steigenden Verkaufszahlen, die komplett gegen den allgegenwärtigen SUV-Wahnsinn gehen.

Aber wie das so ist in unserer verrückten Welt: Nach ein paar Jahren fingen selbst absurde 717 PS an, sich mehr und mehr "normal" anzuhören. Chevy brachte die 769 PS starke Corvette ZR1 und dann war da ja auch noch Dodges eigener Performance-Teufel. Der Dragster mit Straßenzlassung. Jap, die Rede ist vom Challenger SRT Hellcat Demon, der unflätige 852 PS von sich gibt, wenn man ihn schön mit Rennsprit füttert.

Mit seinem doch sehr einseitigen Fokus, dem wesentlich höheren Preis und den begrenzten Produktionszahlen fühlte sich der Demon allerdings eher an wie ein Ausreißer. Wie ein einmaliges Experiment und nicht wirklich wie die neue universelle Benchmark für Muscle Cars. Um die Konkurrenz in Schach zu halten, musste Dodge also nochmal einen raushauen. Sie brauchten eine neue Zar-Bombe für den immer wilder tobenden PS-Krieg (sehen Sie, jetzt wird endlich ein Schuh draus). Und sie haben sie gebaut. In Form des 2019er Challenger SRT Hellcat Redeye.

Was ist neu?

Dem ungeschulten Betrachter sei es verziehen, wenn er die Redeye mit einer "normalen" Hellcat verwechselt. Ästhetisch gesehen gibt es nämlich nicht all zu viel, was das neue Modell vom Rest der aufgeladenen Challenger-Reihe unterscheidet. Wie alle Hellcats, verlässt sich die Redeye auf das, was unter ihrer monumentalen Haut steckt, um bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

"Wie man es seit mehr als 50 Jahren in der Welt der Muscle Cars eben so macht, haben wir den größten Motor, den wir zur Verfügung hatten, genommen und ihn mit dem besten Auto, das wir hatten, gepaart", erklärt Kevin Hellman (ja, er heißt wirklich so), Dodges Markenmanager für den Challenger. "Das ist also die Hochzeit des Demon-Antriebs mit der Hellcat."

Die neueste Version des 6,2-Liter-V8 teilt sich Architektur und Hubraum mit dem Rest der kompressorgeladenen Hemi-Bande. Allerdings verfügt sie über eine Leistung von 808 PS und 958 Newtonmeter Drehmoment. Dieser wahnwitzige Output ist größtenteils auf das neue 2,7-Liter-Gebläse zurückzuführen. Die Standard-Hellcats und der Jeep Grand Cherokee Trackhawk verwenden einen 2,4-Liter-Kompressor.

Jetzt werden die Experten blöcken: "Aber der Demon hat doch noch mehr Dampf!". Hat er auch. 819 PS und 972 Newtonmeter mit normalem Sprit, um genau zu sein. Erstens: Es sollte zu verschmerzen sein. Zweitens: Dodge nennt es ein Zugeständnis an eine geänderte Motor-Kalibrierung, die aufgrund der neuen Doppelschnorchel-Haube nötig war. Die neue Haube ist übrigens nicht nur schön, sie erfüllt auch einen ganz bestimmten Zweck.

Laut den SRT-Ingenieuren erfordern die 327 km/h Höchstgeschwindigkeit der Redeye eine Haube, die weniger auftriebsanfällig ist als die des Demon. Der fährt dank seiner radialen Dragreifen nämlich nicht schneller als 270 km/h. Die Folge des Hauben-Dilemmas: ein restriktiveres Ansaugdesign und damit ein leichter Leistungsabfall. Ich bezweifle gar nicht, dass die neue Haube aerodynamischer ist. Dennoch ist es schwer, sich nicht zu fragen, ob das kleine Leistungsminus nicht doch eher mit potenziellen Ego-Dellen der Demon-Besitzer zu tun haben könnte, als mit der tatsächlich nötigen Lufteinlass-Kapazität.

Wie fährt er?

Natürlich sind 808 PS immer noch mehr als genug. Das konnte ich relativ zügig festellen (stellen Sie sich vor ...).

Die Fahrt zur Club Motorsports Rennstrecke in Tamworth, New Hampshire gab mir etwas Zeit, herauszufinden, wie gut sich ein 800-PS-Muscle-Car auf öffentlichen Straßen benehmen kann. Die Antwort hat letztlich mehr mit der Zurückhaltung des eigenen rechten Schlappens zu tun als mit dem Rumpeln des aufgeladenen Hemi direkt davor. Ein instinktiver Streichler des Pedals noch vor dem Einlegen irgendeines Ganges, und schon geht es los mit dem kindischen Kichern. Es sollte den Ton für den ganzen Tag vorgeben.

Besagte Gangwahl ist übrigens gar nicht so schwer, denn die Redeye kommt ausschließlich mit Automatik. Anders als der Rest der achtzylindrigen Challenger-Crew (einschließlich der normalen Hellcat), die auch mit Sechsgang-Schaltgetriebe erhältlich ist. Als Besitzer einer handgerissenen Hellcat fand ich das etwas schade, überraschend ist es indes nicht. Als mein Auto vergangenes Jahr beim Händler ankam, sagte mir der Verkäufer, es sei die erste manuelle Hellcat, die er je gesehen hat. (Die ewigen Nörgler brauchen sich also wirklich nicht beschweren, wenn das Schaltgetriebe ausstirbt)

Die Redeye kommt ausschließlich mit Automatik.

Sei es wie es sei - wenn schon Automatik, dann ist die TorqueFlite 8HP90 8-Gang-Box sicher eine der besten da draußen. Das ZF-Getriebe ist ein verdammt schlaues Ding, das sich seiner Mammut-Aufgabe hervorragend annimmt: sehr schnelles Ansprechen und nahezu ansatzlose Gangwechsel, wenn Sie zorniger unterwegs sind, entspanntes, schnörkelloses Verhalten in der Stadt.

Und wenn ich ehrlich bin, sind drei Pedale schon mit 717 PS eine ganz schöne Handvoll (natürlich ist das auch Teil des Spaßes). Jetzt addieren Sie mal 90 PS und 70 Newtonmeter - Sie sehen wo das hinführt. Sprich: Selbst wenn die Automatik die Leitung übernimmt und mit ordentlich Widebody-Grip (315er-Reifen) erfordert das Erzeugen von Reifen-schredderndem Wheelspin lediglich einen kleinen Stupser des dünnen Pedals. Und das wohlgemerkt bei allem unter 120 Sachen.

Also völlig unfahrbar?

Moment, das soll nicht heißen, dass die Redeye eine unzähmbare Bestie ist. Nicht ganz zumindest. Mit einer ganzen Reihe an Einstellungen für Lenkgewicht, Getriebeverhalten, Dämpferabstimmung et cetera mausert sich die Redeye quasi per Knopfdruck von einem fantastischen Grand-Tourer zu einer aggressiven, flach handelnden (na ja, für Muscle-Car-Verhältnisse) Performance-Maschine.

Letztere Hälfte dieser gespaltenen Persönlichkeit offenbarte sich auf dem Club Motorsports Racetrack. In die Flanke eines Berges geschnitzt, sieht dieser atemberaubende Kurs aus wie die Rennstrecke eines Bond-Bösewichts. Der Vier-Kilometer-Kurs ist mehr als 12 Meter breit, was nicht unbedingt schadet, wenn man eine noch vogelwildere Hellcat an der Leine führt.

Verglichen mit Pony Cars wie dem Ford Mustang oder dem Chevrolet Camaro ist die Plattform, die dem Challenger zugrunde liegt, physisch riesig. Dazu ist sein Schwerpunkt relativ hoch. Aber SRT beweist einmal mehr, dass saubere Entwicklungsarbeit auch bei einem 800 PS starken und weit über zwei Tonnen schweren Brummer einiges kaschieren kann.

Trotz einer Gewichtsverteilung von etwa 57:43 ist der Challenger Hellcat Redeye bei richtiger Behandlung überraschend neutral.

Wie bei jeder leistungsstarken Maschine mit Hinterradantrieb wird dir das Heck eine überbraten, wenn du am Kurvenausgang mal wieder zu ungeduldig mit dem Gas warst. Natürlich wird das Auto auch untersteuern, wenn du am Kurveneingang mehr willst, als die Reifen physikalisch anbieten können. Mit dem richtigen Partner aber ist der Dicke durchaus bereit, ein wenig zu tanzen. Du must halt bereit sein, etwas mehr mit dem Gas zu steuern und solltest dringend akzeptieren, dass es sich hier nicht um einen Porsche Cayman handelt.

2019 Dodge Challenger SRT Hellcat Redeye

2019 Dodge Challenger SRT Hellcat Redeye Zoom

Trotz der allgewaltigen Dimensionen (Umfang, Gewicht, Pferdestärken) hielten sich die Traktions- und Stabilitätskontrollsysteme - die beim Test, warum auch immer, an bleiben mussten - erfreulich stark zurück, selbst als ich anfing, die Redeye auf der Suche nach ihren dynamischen Grenzen deutlich unbeherrschter herumzuwerfen. Das Auto wird einen ordentlichen Verschleiß an den Tag legen, wenn Sie öfter auf der Strecke unterwegs sind, aber wenn Sie ein Fan des Dodge-Monsters sind, dann wird es sich vermutlich für Sie lohnen. Vielleicht tauschen Sie mal die serienmäßigen Pirelli PZeros gegen einen Satz Semi-Slicks. Womöglich brechen Sie dann ein paar gut betuchte Herzen.

Soll ich ihn kaufen?

Apropos gut betucht: Das ist nicht die schlechteste Voraussetzung für künftige Redeye-Besitzer. Der normale 2019er Challenger SRT Hellcat ist zwar gut 5.000 Dollar (etwa 4.300 Euro) billiger geworden. Dodge hat dies aber nur erreicht, indem man für einstige Serienausstattungen wie Leder, belüftete Sitze oder das Premium-Audiosystem nun extra bezahlt. In den Staaten startet die "schmale" Redeye ohne Steuern bei $ 69.950 (60.290 Euro). Wer das Widebody-Paket bucht, darf $ 6.000 (5.170 Euro) drauflegen.

Mein gut ausgestatteter Testwagen, lag letztlich inklusive Steuern bei $85.810, also gut 74.000 Euro. Ein weiterer Testwagen mit absolut voller Hütte hatte eine 91 vorne stehen, was in etwa 78.500 Euro entspricht. All das ist ziemlich weit entfernt von der Maschine, die noch vor vier Jahren unter 60.000 Dollar (knapp 51.700 Euro) startete.

Es gibt in der Tat mehr Power, mehr Grip und bei diesen Testwagen auch mehr Ausstattung und Individualisierungsmöglichkeiten. Dennoch frage ich mich, ob Dodge sich nicht langsam von seiner einfachen Formel entfernt, die sich als so erfolgreich erwiesen hat. Hier ging es doch immer um Supersportwagen-Performance für den normalen Geldbeutel. Aber gut: Krieg ist teuer - auch der PS-basierte. Andererseits löst ein Haufen Feuerkraft natürlich jede Menge Probleme.

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