Müller: "Ich weiß, wie man Meisterschaften gewinnt"
ALMS-Pilot Dirk Müller im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' über Titelambitionen, Traumautos, Teamkollegen und Tourenwagen
(Motorsport-Total.com) - Dirk Müller macht in den USA dort weiter, wo er in der vergangenen Saison in der FIA-GT-Seire aufgehört hat: er siegt. Nach einem wegen technischer Probleme verkorksten Start in die neue Saison der American-Le-Mans-Series (ALMS) in Sebring, holte sich der Tafel-Ferrari-Pilot in St. Petersburg den Sieg. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Dominik Farnbacher führt der 32-Jährige die Gesamtwertung der GT2-Klasse an. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt Müller seine weiteren Ziele.

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Erster Saisonsieg und Führung in der GT2-Wertung: Dirk Müller in St. Petersburg
Frage: "Dirk, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Klassensieg beim ALMS-Rennen in St. Petersburg. Du bist nun wieder zuhause in Monaco. Wie hat dich deine Familie dort begrüßt?"
Dirk Müller: "Ganz normal eigentlich. Im Routinealltag mit einem zweieinhalb Jahre alten Kind geht es um etwas anderes als um Motorsport. So gesehen war es ein ganz normaler Empfang, wobei es immer toll ist, wieder nach Hause zu kommen. Egal, ob man gewonnen hat oder nicht, die Freude ist immer da."#w1#
Beste Erinnerungen an USA-Rennen
Frage: "Du warst ja vor etwa zehn Jahren schon einmal für längere Zeit in den USA im Einsatz. Jetzt hast du den Schritt wieder dorthin gemacht. Wie gefällt es dir dort?"
Müller: "Extrem gut, deswegen habe ich mich dazu entschlossen, es noch einmal zu machen. Ich bin ja 1998 als amtierender Porsche-Cup-Sieger aus dem UPS-Porsche-Junior-Programm ausgeschieden und ich bin dann zum Werksfahrer berufen worden."

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Hitzestau in Florida: Dirk Müller im Tafel-Ferrari F430 in St. Petersburg Zoom
"Mein erster Einsatz in Amerika war schon 1998 beim 24-Stunden-Rennen in Daytona mit dem damaligen Porsche GT1. Im Jahr danach war ich dann mit dem Sportwagen in Sebring am Start und anschließend ab Mitte des Jahres bin ich die ersten Rennen in der ALMS gefahren mit dem neuen Porsche GT3, der damals in Le Mans vorgestellt wurde. Dann bin ich 2000 die erste volle Saison gefahren und gleich Meister geworden und nach meinem Wechsel zu BMW im Jahr darauf dann die zweite volle Saison."
"Es war immer mein Wunsch, wieder in die GT-Serien zurück zu kommen, auch wenn ich natürlich auch mit BMW in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft und Europameisterschaft viel Erfolg hatte und viel gelernt habe. Im vergangenen Jahr gab es dann ja gleich eine richtig gute Rückkehr in die FIA GT mit dem Gewinn der GT2-Meisterschaft. Es kam dann Ende des Jahres von Ferrari die Anfrage, ob ich mir vorstellen könnte, für sie in Amerika zu fahren. Das habe ich sofort angenommen."
Frage: "Du bist im vergangenen Jahr in der FIA-GT-Serie mit dem Ferrari F430 gefahren, den du auch in diesem Jahr in der ALMS fährst. Gibt es bei den Autos Unterschiede?"
Müller: "Der einzige Unterschied liegt zurzeit in der Klimaanlage, die wir in Amerika drin haben. Die erlaubt uns einen etwas größeren Air-Restrictor, also ist die reine Leistung des Autos in Amerika ein bisschen größer."
Die rollende Sauna in St. Petersburg
Frage: "Klimaanlage ist genau das Stichwort, das in St. Petersburg bei euren Ferrari-Konkurrenten von Risi Probleme gemacht hat. Bei Mika Salo hat die Klimaanlage gestreikt und er konnte einfach nicht mehr weiter fahren. Ist das wirklich so heftig?"
Müller: "Das ist die Hölle. Mika Salo hat vielleicht nicht mehr die allerbeste Fitness, aber er ist immer noch ein schneller und guter Mann. Der musste nach 35 Minuten aus dem Auto steigen. Ich habe ihn danach gesehen, er sah unglaublich schlecht aus. Dann kann man sich vorstellen, wie heiß es dort in seinem Wagen gewesen sein muss. Ich kenne nicht die ganz genauen Werte, aber es waren sicher über 30 Grad Außentemperatur dort und dazu gab es eine extreme Luftfeuchtigkeit. Im Auto fühlt sich das immer noch viel schlimmer an."
"Hinzu kommt noch, dass St. Petersburg nicht besonders schnell ist. Man hat nur eine einzige richtige Gerade und auch die ist mit Werbeplakaten ziemlich dicht gemacht. Es kommt dann nur wenig Luft ins Auto herein und das ist das große Problem. Das Auto wird kontinuierlich wärmer und stagniert nicht an einem Punkt. Bei uns hat die Klimaanlage glücklicherweise gut funktioniert. Aber man darf sich das nicht vorstellen wie in einem Straßenauto, wo man sich zum Beispiel genau 22 Grad einstellen kann und sich dann wohl fühlt. Unsere Klimaanlage kühlt ganz gut, aber es ist nach wie vor noch sehr warm im Auto."
Frage: "Die Strecke in St. Petersburg ist recht eng und kurz. Ist die für die ALMS mit ihren schnellen und großen Prototypen überhaupt geeignet?"
Müller: "Ja, ich denke schon. Grundsätzlich glaube ich, dass die ALMS es geschafft hat, eine tolle Vielfalt zu schaffen von verschiedenen Streckencharakteren, die es für die Fahrer noch einmal zu einer größeren Herausforderung macht. Man hat in St. Petersburg gesehen, dass es funktioniert. Es hat dort nur zwei Unfälle gegeben, die aber auch auf jeder anderen Strecke hätten passieren können. Insofern passt das ganz gut. St. Petersburg ist keine Strecke, die so schwierig ist wie zum Beispiel Macau. Die Kurven sind überschaubar und man kann einen guten Rhythmus fahren. Man muss natürlich immer wissen, dass Stadtkurse nun mal Mauern und Leitplanken haben."
In Long Beach Fortsetzung des Erfolges?
Frage: "Der nächste Lauf findet in Long Beach statt. Was rechnet ihr euch dort aus?"
Müller: "Ich kannte St. Petersburg vor dem letzten Rennen gar nicht und ich fahre jetzt mit dem Sieg im Gepäck natürlich sehr gerne nach Long Beach. Ich bin dort im vergangenen Jahr schon gefahren und habe dort sofort wieder die schnellste Rennrunde hinlegen können. Long Beach setzt dem Flair von St. Petersburg noch einen oben drauf. Gleichzeitig ist das große Abschiedsfinale der ChampCar dort. Das wird wieder eine tolle Veranstaltung mit extrem vielen Zuschauern dort."
"Wir wollen wieder auf das Podium. Ich glaube nach meinen vielen Erfahrungen auch aus dem Tourenwagen-Sport zu wissen, wie man Meisterschaften gewinnt. Dementsprechend sollte man nicht jedes Wochenende mit dem extremen Ehrgeiz und dem Ziel, Rennen zu gewinnen, ans Werk gehen. Gerade bei uns in der GT kommen manchmal glückliche oder eben unglückliche Umstände zusammen, wenn es in die Safety-Car-Phasen geht. Die sind unvorhersehbar und unüberschaubar."
"Für uns hängt immer viel davon ab, wo wir uns gerade auf der Strecke befinden und wo uns der Gesamtleader auf der Strecke begegnet. Da kann man mal schnell eine Runde gewinnen oder auch verlieren. Wir haben gezeigt, dass Domink und ich zusammen mit dem Team Tafel Racing den Speed haben und aus eigener Kraft Rennen gewinnen können. Deswegen ist unser Anspruch auf das Podium zu kommen und wenn möglich wollen wir die Führung in der Meisterschaft ausbauen."
Frage: "Wie kommst du mit deinem Teamkollegen Dominik Farnbacher zurecht?"
Müller: "Sensationell gut. Dominik ist ein sehr, sehr angenehmer und schneller Teamkollege. Er wirkt sehr viel reifer und ruhiger, als sein junges Alter verrät. Wir ergänzen uns sehr gut, zudem ist unser Fahrstil sehr ähnlich. Wir müssen also beim Setup keinen großen Spagat machen, was man bei der Körpergröße nicht sagen kann. Aber da gibt es ja zum Glück verstellbare Sitzschienen."
Fünf Autos im Kampf um den Titel
Frage: "Du schielst ja sicherlich auch schon ein wenig auf die Meisterschaft. Wer wird euch neben dem Risi-Ferrari mit Mika Salo und Jaime Melo die meiste Konkurrenz bieten?"
Müller: "Die Porsche Fahrzeuge haben von der ACO 25 Kilogramm Gewicht geschenkt bekommen und sie haben eine gute Weiterentwicklung betrieben. Damit sind sie deutlich näher an die Ferraris herangekommen, das ist Fakt. Das haben die ersten beiden Saisonrennen gezeigt und das wird wohl auch über das gesamte Jahr so bleiben. Zum Glück fahren wir mit Michelin alle den gleichen Reifen. Ich erwarte mir einen harten, aber fairen Fight mit den Porsche-Teams von Flying Lizard und auch Farnbacher-Loles. Es gibt dann mit dem arg gebeutelten Risi-Ferrari zusammen bestimmt vier bis fünf Autos, die für einen Sieg gut sind."
Frage: "Macht das einen besonderen Reiz aus? Oder wäre es dir lieber, konkurrenzlos vorneweg zu fahren?"
Müller: "Das hatten wir ja fast so im vergangenen Jahr beim Gewinn der FIA GT2 Meisterschaft. Ich habe in der Vergangenheit nichts geschenkt bekommen und ich möchte auch nichts geschenkt bekommen. Wir müssen als Team hart arbeiten und uns kontinuierlich verbessern. Wir müssen kritisch sein und wir müssen unsere eigenen Sachen gut analysieren. Ich glaube sagen zu können, dass es wahrscheinlich eine der engsten GT2 Meisterschaften werden wird, die es je gegeben hat. Es wird um jedes Hundertstel gefightet."
Frage: "Die ALMS hat viele Autos am Start und ist erfolgreich und auch in Europa erfährt die LMS zum Beispiel durch das Duell Peugeot gegen Audi großen Aufschwung. Warum sind die Le-Mans-Serien so gut dabei?"
Müller: "Da muss man gerade in den USA mal weiter zurückblicken. Don Panoz ist belächelt worden, als er die ALMS 1998 ins Leben gerufen hat. Er hat es mit seinem Willen, seinen guten Leuten und auch mit den beteiligten Marken geschafft, dass er das gut kontrollieren kann, damit die Budgets nicht ausufern, sondern das der Wettbewerb überschaubar bleibt. Und er hat es typisch amerikanisch extrem nah an den Zuschauer gebracht. Das ist der große Unterschied."
"Mal ein Beispiel: wir haben wirklich eine Autogramm-Stunde, da sitzen wir tatsächlich eine volle Stunde. Egal, ob es regnet, schneit oder die Sonne knallt. Die Fans freut das natürlich, die sind uns ganz nah und ich selber merke das auch. Beim direkten Kontakt vor Ort, an meiner Homepage und bei meinen E-Mails. Das ist ein ganz anderes Verhältnis wie zum Beispiel im vergangenen Jahr in der FIA GT. Die musste nach der Trennung von der Tourenwagen-Weltmeisterschaft im Grunde wieder bei Null anfangen und kommt jetzt wieder mit großen Schritten nach oben.
Der Traum vom Prototypen

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Dirk Müller und Dominik Farnbacher feierten in St. Petersburg den Klassensieg Zoom
Frage: "Du bist in deiner Karriere schon viele verschiedene Fahrzeuge gefahren. Gibt es für dich noch einen Traum, oder ein Traumauto, in welchem du sitzen möchtest?"
Müller: "Ganz ehrlich, ich würde sehr gern noch einmal in einem Prototypen sitzen. Das war immer mein Ziel. Damals war das eigentlich auch das Ziel der UPS-Porsche-Förderung, aber das hat bei mir dann leider nur zu drei erfolgreichen Sportwagen-Einsätzen gereicht. Der große Wermutstropfen war für mich damals, dass Porsche sein großes Motorsportprogramm beendet hat. Dann wollte ich eigentlich mit BMW in den Sportwagen, aber das hatte sich dann auch ganz kurzfristig zerschlagen, weil man sich dort ganz klar auf die Formel 1 konzentriert hat und das Programm im GT-Sport mit dem M3 weitergeführt wurde. Also ist das immer noch auf meiner Wunschliste."
Frage: "Du lebst in Monaco und arbeitest im Grunde genommen in Nordamerika. Wie viel Reisestress hast du und wie lange muss deine Familie dann jeweils auf dich verzichten?"
Müller: "Das ist alles relativ einfach. Natürlich sitzt man viel im Flugzeug, aber das geht allen anderen Sportlern, die weltweit unterwegs sind, genauso. Im Vergleich mit der WTCC, wo wir nach Mexiko mussten oder mit der FIA GT nach China, ist es kaum ein Unterschied. Ich fliege jetzt halt immer nach Amerika und ein Mal nach Kanada. Außerdem ist die ALMS immer eine Zweitages-Veranstaltung, dem entsprechend bin ich maximal vier bis fünf Tage unterwegs und das ist eigentlich ganz angenehm."

