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  • 29.09.2014 13:35

  • von Roman Wittemeier

Walliser: "Ich will die Details kennen"

Interview mit dem künftigen Porsche-Motorsportchef Frank-Steffen Walliser: Der Umfang der Werkseinsätze und die teils seltsame Physik bei den Einstufungen

(Motorsport-Total.com) - Bei Porsche geht die Ära Hartmut Kristen in wenigen Tagen zu Ende. Der langjährige Motorsportchef der Stuttgarter erlebte zuletzt beim gemeinsamen Event von WEC und USCC den größten Werkseinsatz von Porsche aller Zeiten. Beim kommenden Rennen der Langstrecken-WM in Fuji (12. Oktober) wird bereits sein Nachfolger Frank-Steffen Walliser die Fäden des GT-Teams in den Händen halten. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt Walliser seine Erwartungen und Herangehensweisen.

Titel-Bild zur News: Frank Steffen Walliser

Ab dem 1. Oktober ist Frank-Steffen Walliser Porsche-Motorsportchef Zoom

Frage: "Frank-Steffen Walliser, sie übernehmen am 1. Oktober das Amt des Porsche-Motorsportchefs. Wie werden sie diese Rolle ausfüllen?"
Frank-Steffen Walliser: "Als Porsche-Motorsportchef muss man ein große Bandbreite abdecken. Dazu gehören Werkssport und Kundensport genauso wie die Entwicklung unserer GT-Straßenfahrzeuge. Die größte Herausforderung wird es sein, all diesen Feldern gerecht zu werden. Das Renngeschäft steht ganz weit oben. Um das richtige Gespür dafür zu haben reicht es nicht vom Schreibtisch aus zu operieren - man muss vor Ort sein, alles selbst mitbekommen. Das werde ich tun. Und ich muss ganz ehrlich sagen: Es hat sich nicht schlecht angefühlt, in Austin nach sehr langer Zeit mal wieder bei einem solchen Event vor Ort dabei zu sein."

Frage: "Was macht für sie der Motorsport aus? Was empfinden sie beim Besuch einer Rennstrecke?"
Walliser: "Emotion und Wettbewerb. Wir sind mit Teams, mit Fahrern und Ingenieuren vor Ort. Ich möchte selbst sehen, dass alles funktioniert. Wie sind wir organisiert? Was können wir technisch noch verbessern? Ich mag diese Herausforderungen. Gleichzeitig gibt es natürlich all die Dinge, die bei der Arbeit in einem großen Konzern anfallen. Gott sei Dank finden die Rennen an Wochenenden statt. Dann kann man in der Woche die notwendigen Dinge im Büro erledigen."

"Ich bin grundsätzlich jemand, der sehr aktiv ist und die Fäden zieht. Ich spreche mit den Teams, hole mir vor Ort alle Infos von Fahrern und von Ingenieuren. Ich bin nicht der Typ, der ausschließlich nüchterne Managementberichte aufbereitet. Ich will die Details kennen, möchte die Hintergründe verstehen. Deswegen muss ich mich jetzt einarbeiten. Die Rennerei ist in den vergangenen Jahren nicht gerade einfacher geworden."

GT-Sport weiter mit Werksteam

Frage: "In Austin haben wir den größten Werkseinsatz von Porsche aller Zeiten gesehen. Geht es auf diesem Niveau weiter, oder findet schrittweise eine Verlagerung in Richtung Kundensport statt?"
Walliser: "Verlagerung würde ich es nicht nennen. Wir haben den Kundensport in den vergangenen Monaten und Jahren sicherlich in keinster Weise vernachlässigt. Aber der Wettbewerb ist vielfältiger geworden. Wir wollen dort, wo wir immer waren, auch sehr gern bleiben. Dass wir mit einem Werksteam im GT-Sport darstellen, dass Technik von der Straße auch im Rennsport funktioniert, werden wir in Zukunft fortführen."

"Wir als Unternehmen haben ein strategisches Markenziel. Wir sind Sportwagenhersteller, darin steckt all unser Herzblut. Und dazu gehört traditionell auch, dass wir uns im sportlichen Wettkampf messen. Mit dem LMP1-Fahrzeug 919 Hybrid tun wir das in der Highend-Technologieklasse. Das strahlt auf die Marke ab, denn es zeigt, was Porsche insgesamt drauf hat. Im GT-Bereich zeigen wir, was unsere Straßenfahrzeuge alles können. Das ist seriennäher, ist leichter zu erkennen."

Porsche Austin

Und das waren noch nicht einmal alle: Die große Porsche-Armada in Austin Zoom

"Ob wir unser Engagement mit Werksteams zurückfahren? Porsche ist als Unternehmen in den vergangenen Jahren gewaltig gewachsen sind. Wenn ich es mit Porsche von vor zehn Jahren vergleiche - also nur mal über einen kurzen Zeitraum zurückdenke -, dann sind es heutzutage schon ganz andere Dimensionen. Diese Einsätze haben erstens einen höheren Stellenwert, aber wir haben zweitens auch ganz andere Möglichkeiten."

Vorbereitung auf die BoP-Debatten

Frage: "Im GT-Bereich haben sie sich bei Olaf Manthey bedient und das Werksteam somit zum Teil ausgelagert. Wird diese Struktur bestehen bleiben?"
Walliser: "Das haben wir im GT-Bereich in den letzten Jahren in ähnlicher Konstellation schon häufiger so gemacht, sehr eng mit unseren Partnern zusammen gearbeitet. So etwas hat einfach Vorteile, zum Beispiel bei der Logistik. Mit unserer Mehrheitsbeteiligung an Manthey ist die Struktur stabil. Die Prozesse laufen rund. Damit bin ich sehr zufrieden."

Frage: "Motorsport bedeutet vor allem im GT-Bereich nicht nur Hören, Sehen, Fühlen - also Emotion -, sondern es spielen auch die leidigen Diskussionen um Einstufungen eine gewaltige Rolle. Haben sie sich schon auf diese Debatten vorbereitet?"
Walliser: "Klar. Weil wir den Sport kennen, wissen wir ja, dass es dazugehört. Ich bin keiner, der anfängt zu klagen und sagt: 'Ach, wie schrecklich!'. Die Problematik Balance of Performance ist im Grunde für alle gleich. Wir sind in der gleichen Rennserie, sprechen mit den gleichen Leuten..."

Frage: "Ja, aber es gibt nicht wenige, die gerade in der WEC der Meinung sind, dass Aston Martin manchmal gleicher ist..."
Walliser: "Das sehe ich jetzt mal sportlich. Wenn man den Fußball nimmt und der Schiedsrichter entscheidet vor dem Spiel des VfB gegen Bayern, dass es von Beginn an 2:0 für Stuttgart steht - sagen wir mal, dieses Grundkonzept ist 'spannend' (lacht). Das hat Charme, oder? Spaß beiseite: Ich will an dieser Stelle kein Klagelied anstimmen. Das wäre an dieser Stelle falsch. Wir treiben Sport und da gibt es eben auch Wettbewerb."

Hartmut Kristen

Hartmut Kristen war zehn Jahre lang Motorsportchef bei Porsche Zoom

"Ich muss aber ehrlich zugeben: Wenn ich mir die technischen Auslegungen anschaue, die dort als Grundlage dienen, dann muss ich manchmal schon sagen: 'Diese Physik habe ich jetzt nicht verstanden'. Wir wollen aber Wettbewerb verschiedener Marken auf hohem Niveau. Sonst könnten wir noch einen weiteren Markenpokal ins Leben rufen, in dem nur noch Porsche an den Start gehen. Dass es dabei Regelungsbedarf gibt, ist klar. Das gehört zum Business dazu."

Frage: "Wo wollen sie in ihrer Amtszeit als Motorsportchef denn mit Porsche hin? Was sind die Ziele?"
Walliser: "Das überlege ich mir gerade noch (lacht). Ich fange erst am 1. Oktober an. Natürlich haben wir Ideen, aber die sind noch nicht spruchreif."