Thomas Laudenbach: Unser großes Ziel hat noch niemand erreicht

Thomas Laudenbach vergleicht die Programme in den Kategorien LMP1 und LMDh - Der Porsche-Motorsportchef im großen Interview zum Porsche 963

(Motorsport-Total.com) - Die Bezeichnung ist endlich aus dem Sack: Als Porsche 963 wird der LMDh-Bolide ab 2023 um den Titel in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC), IMSA Sportscar Championship und um Gesamtsiege bei den größten Langstreckenrennen in Nordamerika und Europa kämpfen. Die Bezeichnung ist nicht zufällig gewählt, denn schon der 962 trat in verschiedenen Meisterschaften auf dem Globus an.

Titel-Bild zur News: Thomas Laudenbach freut sich auf die Challenge in zwei Meisterschaften

Thomas Laudenbach freut sich auf die Challenge in zwei Meisterschaften Zoom

Im großen Interview mit 'Motorsport-Total.com' geht Laudenbach auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Vorgänger 919 Hybrid nach LMP1-Regeln, seine Aufgaben und die Pflicht aller Hersteller ein, beim BoP-Prozess für ein faires Miteinander zu sorgen.

Frage: Wie sehr kann das LMDh-Projekt vom LMP1-Knowhow profitieren, obwohl es ein völlig anderes Reglement ist?
Thomas Laudenbach: "Ich glaube, man kann sehr stark davon profitieren, auch wenn die technischen Lösungen gegebenenfalls andere sind, weil das Reglement anders ist. Das,was man dort lernt, kann man auf jeden Fall übertragen."

"Man darf das jetzt nicht nur in einer Schiene sehen, weil die technischen Lösungen anders aussehen. Wie gehe ich da ran, was habe ich zu beachten, was sind Besonderheiten auf der Langstrecke und in Le Mans? Das gilt ja nach wie vor. Natürlich wird die technische Lösung etwas anders aussehen. Aber die Erfahrungen, die man gesammelt hat, fließt da mit ein."

"Das betrifft unter anderem Erfahrungen aus dem LMP1-Projekt, aber auch aus anderen Projekten, beispielsweise dem RSR-Engagement. Es geht immer darum, die Erfahrungen, die wir sammeln, da einfließen zu lassen. Deswegen profitieren wir davon sehr, sehr stark."

Frage: Die Basics sind also ähnlich?
Laudenbach: "Das ist immer noch ein Aero-Auto mit vier Rädern. Das ist immer noch ein Carbon-Monocoque. Viele grundsätzliche Themen kann man natürlich übernehmen, beziehungsweise die Herangehensweise: Wie entwickle ich ein Auto? Wie ist die Systematik, wie ich ein Auto entwickle? Das ist nicht so viel anders."

"Die neue Konstellation gibt das Reglement vor. Wir haben Einheitsbauteile, also auch Einheitsbauteil-Lieferanten. Auf die Teile haben wir keinen direkten Einfluss. Das müssen wir erst einmal so akzeptieren, die müssen wir in unser Konzept integrieren. Konkret betrifft das den Antrieb [Hybrid und Antriebsstrang]."

"Das Gleiche gilt für die Aerodynamik. Da gibt es klare Vorgaben bezüglich der Aero-Effizienz, in welches Fenster wir rein müssen. Dahin müssen wir das Auto entwickeln. Das ist also ein etwas anderes Ziel, aber die Methodik kann ich schon übernehmen."

Frage: Wie wurde das LMDh-Projekt im Team aufgenommen?
Laudenbach: "Man hat sich natürlich riesig gefreut, dass wir wieder um Gesamtsiege in Le Mans fahren können. Das ist erstmal cool. Porsche hat jetzt 19 Gesamtsiege in Le Mans, sprich der nächste wäre der 20. Das ist eine runde Zahl, das hat noch niemand geschafft. Klar, das ist das große Ziel. Und jeder, der ein Rennsport-Herz hat, der vielleicht insbesondere auch ein Herz für die Langstrecke hat, für Le Mans, aber auch für die Klassiker in den USA..."


Präsentation des Porsche 963

"Das war ja das Besondere, dass man jetzt mit einem Auto, also mit einer technischen Spezifikation, sowohl in den USA als auch in der WEC fahren kann. Das war natürlich einer der Anreize. Und damit fährt man um die IMSA-Meisterschaft, die Weltmeisterschaft und gleichzeitig um Klassiker wie 24 Stunden Daytona, 12 Stunden Sebring oder 24 Stunden Le Mans. Natürlich haben sich da alle gefreut. Und obwohl jedem klar ist, dass man natürlich nicht mehr diese technischen Freiheiten haben wird, geht es immer noch um Gesamtsiege in sehr, sehr hochwertigen Meisterschaften."

Frage: Vergleichen wir einmal LMP1 und LMDh. Das LMP1-Projekt war komplett Porsche- "In-house", jetzt gibt es eine Kooperation mit Penske.
Laudenbach: "Die Kooperation mit Penske ist eine Partnerschaft. Wir überlegen natürlich bei so einem Projekt, in welcher Konstellation wir das abarbeiten wollen. Da spielen viele Sachen eine Rolle. Zum Teil natürlich: Hat man denn die eigenen Kapazitäten?"

"Dann reden wir hier über zwei Meisterschaften. Sprich, ich brauche sowohl für die WEC als auch für die USA ein Team. Wenn man alle Punkte bedenkt, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass für uns die sinnvollste Lösung ein Partner ist. Und zwar ein globaler Partner, der beide Meisterschaften als Einsatzteam bedienen kann."

"Es hat natürlich riesige Vorteile, wenn ich mit einer Organisation zusammenarbeite. Was man in diesen einzelnen Meisterschaften lernt, da kann man voneinander profitieren. Das, was wir in den nächsten Monaten über das Auto lernen werden, auch lernen werden, wenn wir Rennen fahren, kann voneinander profitieren. Das war einer der Gründe, weshalb wir einen globalen Ansatz gewählt haben."

"Warum Penske? Weil es wahrscheinlich gar nicht viele gibt, die in Lage sind, so etwas zu tun. Ich finde sicherlich mehr als einen guten Partner in den USA. Ich finde sicherlich mehr als einen guten Partner für die WEC. Aber unser Ansatz war global, und da kommen nicht mehr viele in Frage. Zudem haben wir mit Penske eine Historie, auch in der jüngeren Vergangenheit mit dem RS Spyder. Meiner Meinung nach es dies die einzige Organisation, die in der Lage ist, das in so einer Zeit aufzubauen, dass es funktioniert."


Präsentation des Porsche 963

Porsche-Penske hat beim Goodwood Festival of Speed seinen neuen LMDh-Boliden präsentiert

"Neben der schönen Tatsache, dass beide Firmen auch bezüglich der Einstellung zum Motorsport etwas gemein haben. Wenn wir irgendwo reingehen, dann nicht, um das Feld aufzufüllen. Dann immer mit dem Anspruch, siegfähig zu sein. Wer Roger Penske kennt... Da brauche ich gar nicht weitersprechen. Der weiß, welche Einstellung er hat. Er tut alles, um Rennen zu gewinnen. Und ich glaube das passt einfach sehr gut zusammen."

"So hat man letztendlich diese Entscheidung getroffen. Man merkt an meinen Ausführungen schon, dass es nicht ein einziger Punkt war. Es war eine Summe von Punkten, die uns dazu geführt hat, zu sagen: Das halten wir für die beste Konstellation. Dementsprechend haben wir uns sehr gefreut, dass es zustande gekommen ist."

"Job-Split" im LMDh-Projekt

Frage: Worin unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit einem Team im Vergleich zum LMP1-Programm, in dem man alles selber bestimmt hat?
Laudenbach: "Es unterscheidet sich natürlich schon. Grundsätzlich sind es zwei Unternehmen. Da gibt es gewisse Schnittstellen. Am Ende des Tages, wenn das alles einmal aufgebaut ist, ist es bei der operativen Arbeit im täglichen Ablauf nicht mehr so viel anders. In der täglichen Arbeit macht man gar nicht mehr die Unterscheidung, was Penske und was Porsche ist."

"Man kooperiert, man hat eine Partnerschaft und hat das gleiche Ziel. Jetzt in der Anfangszeit ist natürlich viel Neues zu definieren. Da muss man definieren, wer übernimmt was? Neudeutsch würde das Job-Split heißen. Uns war wichtig, dass wir von Anfang an sehr eng zusammenarbeiten."


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"Nicht dass man sagt: Porsche entwickelt ein Auto und - das formuliere ich mal salopp - das schmeiße ich über den Zaun und Penske setzt es ein. Das funktioniert heute nicht mehr. Und ich glaube, da sind wir noch einmal einen Schritt weitergegangen als damals mit dem RS Spyder."

"Wir haben wirklich von ersten Moment an versucht, soweit das irgendwie möglich war, alles hochintegriert zu machen, also beide Partner an Bord zu haben. Aber ja, es ist natürlich anders als beim LMP1 damals. Es ist aber alleine schon deswegen anders, weil man sagt: Beim LMP1 hatte man eine Meisterschaft, ein Team. Jetzt haben wir zwei Meisterschaften plus Kundenfahrzeuge. Das ist alleine von dieser Konstellation schon nicht mehr einfach so vergleichbar."

"Nichts ist 1:1 wie das andere. Mit den Randbedingungen, die man hat, muss man immer schauen: In welcher Konstellation, glauben wir, können wir es am besten hinkriegen? Und am besten hinkriegen ist immer eine Summe aus Anforderungen. Wir haben gewisse Zeitvorgaben. Wir haben gewisse Randbedingungen: Wie viele Meisterschaften? Kundenfahrzeuge ja/nein? Wir haben auch Budgets, das darf man auch nicht vergessen. Es sind immer viele Kriterien."

"Dann setzen wir uns zusammen [und fragen uns]: Wie glauben wir, unter diesen Randbedingungen das Maximum zu erreichen, sportlich erfolgreich zu sein. In diesem Fall auch gleichzeitig, den Kunden ein Auto hinstellen zu können, mit dem sie dabei sein können - und auch vorne mitfahren können, wenn sie entsprechend gut sind."

Frage: Die LMDh-Kategorie ist deutlich günstiger als die alte LMP1, macht das einen Unterschied bei der Größe des Programms
Laudenbach: "Die Frage kann ich nicht mit ja oder nein beantworten. Beim einen hatten wir zwei, beziehungsweise zeitweise drei Autos und eine Meisterschaft. Jetzt hat dieses Programm zwei Meisterschaften mit jeweils zwei Autos und Kunden. Das wäre ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen."

"Wenn ich versuche, es vergleichbar zu machen, und sage, ich schaue jetzt mal nur auf den Aufwand für die WEC, dann ist der Aufwand geringer. Punkt, ganz eindeutig. Denn wenn er gleich groß wäre, dann könnte es nicht sein, dass dies zu deutlich geringeren Budgets machbar ist. Das kann man ganz klar sagen. Die Budgets, von denen wir glauben, dass man sie braucht, um in der LMDh-Klasse erfolgreich zu sein, sind deutlich niedriger als unter dem damaligen LMP1-Reglement."

Frage: Bedeutet das auch weniger Personalaufwand?
Laudenbach: "Bei einem LMDh haben wir Partner durch Einheitsbauteile vorgegeben. Die entwicklen wir nicht selber, die integrieren wir. Da brauche ich schon einmal weniger Leute. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn ich eine E-Maschine entwickle, brauche ich andere Leute, als wenn jemand anderes eine E-Maschine entwickelt, die ich integrieren muss. Genau so haben wir einen Lieferanten für das Monocoque."

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Der Porsche 963 soll den 20. Gesamtsieg für Porsche bei den 24 Stunden von Le Mans holen Zoom

"Natürlich brauche ich dann weniger eigene Leute. Das Projekt ist kleiner, aber es ist einfach eine andere Konstellation. Ich möchte es aber nicht daran festmachen, wie viele Leute in der Garage sitzen. Man darf eines nicht vergessen, da sitzen Leute, die haben nicht unsere Team-Kleidung an. Das sind Mitarbeiter von den Einheitsbauteil-Lieferanten. Bei einem LMP1 haben diese Funktion wahrscheinlich eigene Leute übernommen. Das kommt einfach durch die Konstellation und die Vorgaben im Reglement."

Frage: "Ist Ihre Aufgabe also, die Schnittstellen zwischen den Unternehmen zu schaffen?
Laudenbach: "Ich hoffe nicht! Die Schnittstellen entstehen automatisch. Diese muss man definieren und schauen, was sie tun. Aber das ist in diesem Fall jetzt die primäre Aufgabe von Urs Kuratle, das ist der Gesamtprojektleiter. Dann haben wir einen technischen Leiter, der sicherlich sehr stark nach der Entwicklung guckt. Und dann sind die Schnittstellen auch viel auf operativer Ebene."

"Ich glaube es wäre falsch, wenn ich in meiner jetzigen Funktion dort nachschauen müsste, dass die Schnittstellen zwischen den einzelnen Ingenieuren funktionieren. Das wäre falsch. Ich bin natürlich dabei, wenn gewissere größere Weichen zu stellen sind oder vielleicht auch mal etwas nicht so gut klappt, wie man das möchte. Dann setzt man sich zusammen, vielleicht auch mal mit einem Geschäftsführer von einem Zulieferer und bespricht es. Das ist aber ganz normal, so wie in jedem anderen Projekt auch."

Alle Hersteller bei der BoP in der Pflicht

Frage: "Was hat Porsche dazu gebracht, so schnell wieder in die Topkategorie zurückzukehren?"
Laudenbach: "Was für uns so toll ist: Es geht wieder um Gesamtsiege. Wir haben Rahmenbedingungen vorgefunden, dass wir in den USA und in Europa fahren können, und das mit deutlich geringeren Budgets. Das ist der Anreiz. Wir wissen auch, dass dafür eine Balance of Performance erforderlich ist. Und wir wissen auch, dass das eine Herausforderung ist. Zumal wir ja nicht nur LMDh-, sondern auch LMH-Fahrzeuge sehen werden. Das unterschätzen wir nicht."

"Der Wettbewerb wird extrem groß werden, wenn man sich ansieht, welche Marken sich angekündigt haben. Gleichzeitig wird das eine große Aufgabe werden. Auch aufgrund unserer Erfahrung sagen wir: Wir werden das Maximum tun, um auch IMSA und ACO dabei zu unterstützen, das hinzukriegen. Das Ziel ist, dass jeder Hersteller und auch jedes private Team, das das Auto kauft, die Voraussetzungen vorfindet, um Rennen gewinnen zu können."

"Das ist extrem anspruchsvoll, aber man muss es akzeptieren. Und wir haben es akzeptiert, als wir uns dafür entschieden haben. Mit dem Vorzug, dass die Budgets dadurch deutlich geringer sind und es dadurch in einem besseren Verhältnis dazu steht zu dem, was eine Marke für ein Engagement bekommt und was sie dafür investiert. Wir unterschätzen nicht, was da auf uns zukommt. Das ist neu, das haben wir gerade in Europa noch nie gehabt, dass in der Topliga eine Balance of Performance zum Einsatz kommt. Anders in den USA, da kennen wir das schon länger."

Frage: Alle Player müssen dann aber unpolitisch mitspielen, aber wird das wirklich jeder tun?
Laudenbach: "Wenn das Spiel zu läuft, dass jeder eigentlich nur versucht, andere hinters Licht zu führen, wird das nicht funktionieren. Das funktioniert nur dann, wenn jeder mit offenen Karten spielt und ganz konkret seine Performance zeigt, sodass FIA und ACO - und da möchte ich durchaus eine Lanze brechen, die haben gute Leute - die Chance haben, eine faire BoP zu erstellen. Die dann wieder uns allen die Möglichkeit gibt zu gewinnen, wenn ich meine Fahrer perfekt mache und mein Auto richtig entwickelt habe."

"Nur zu sagen: Die Motorsportbehörde muss das hinkriegen, wäre falsch. Da muss jeder Wettbewerber seinen Teil dazu beitragen." Laudenbach über BoP

"Nur zu sagen: Die Motorsportbehörde muss das hinkriegen, wäre falsch. Da muss jeder Wettbewerber seinen Teil dazu beitragen. Das ist die wichtige Erkenntnis. Wenn die bei jedem im Kopf drin ist und sie jeder beachtet, dann bin ich sehr zuversichtlich. Die technischen Voraussetzungen, um so eine BoP hinzukriegen, die sind da. Daran glaube ich fest. Sonst wären wir nicht eingestiegen."

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