• 02.04.2015 09:12

  • von Roman Wittemeier

Testanalyse GTE-Pro: Nur Porsche zeigt etwas

Porsche zeigt das Potenzial des verbesserten 911ers, Ferrari fährt kaum Runden, Aston Martin verschleiert das wahre Tempo: Die GTE-Szene bleibt Bühne für Blender

(Motorsport-Total.com) - In der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) wird es im GTE-Pro-Bereich auch in der Saison 2015 den Dreikampf zwischen Aston Martin, Ferrari und Porsche geben. Im vergangenen Jahr holte sich die AF-Corse-Mannschaft erneut die Krone, ohne dabei das tatsächlich schnellste Auto gehabt zu haben. Im Wettbewerb war zumeist der Aston Martin Vantage das Maß der Dinge, doch man stand sich in Sachen Zuverlässigkeit oft selbst im Weg. Porsche war durch die verschlechterte Einstufung nach dem Silverstone-Erfolg nahezu chancenlos.

Titel-Bild zur News: Patrick Pilet, Frederic Makowiecki, Wolf Henzler

Porsche hat den 911 RSR in feinen Bereichen weiter verbessert Zoom

Wie wird sich der Wettbewerb in diesem Jahr darstellen? Niemand weiß es. Die Erkenntnisse aus dem WEC-Prolog halten sich in Grenzen. Einzig Porsche deutete das wahre Potenzial des Fahrzeuges an. Die Deutschen fuhren vergleichsweise viele Runden und absolvierten wenigstens zwischenzeitlich auch mal einige halbwegs lange Stints im Renntempo. Der erste Eindruck: die Feinarbeiten am 911er haben sich offenbar ausgezahlt.

Porsche hat in der Frontlippe nun in der Mitte einer größere Auswölbung, die für einen zusätzlichen Luftstrom in Richtung Heck sorgt. Die Luft soll den Diffusor füttern, um an der Hinterachse mehr Anpressdruck zu generieren. Der Effekt: Die Nickbewegungen beim Anbremsen fallen etwas geringer aus. In Kombination mit überarbeiteten Dämpfern erreicht man so eine verbesserte Reifennutzung. Die Baustelle des Vorjahres ist somit bearbeitet.

Porsche spielt offener als die anderen

"Beim Test in Abu Dhabi hat es ganz gut funktioniert. Wir müssen aber abwarten, ob sich dies auf alle anderen Strecken so übertragen lässt", meinte Teamchef Olaf Manthey vor dem Start der zweitägigen Testfahrten in Le Castellet. Seine Mannschaft bestätigte den guten Trend anschließend. Nicht am sehr windigen Freitag, sondern erst am Samstag stellte man das Potenzial des 911 RSR ansatzweise dar.

Am Nachmittag absolvierte Michael Christensen einen kurzen Stint über zehn Runden mit Zeiten im Bereich von 1:58.3 Minuten - bärenstark. Mit dem Schwesterauto machte sich Wolf Henzler auf die Reise. Der Werkspilot realisierte das gleiche Tempo sogar über 20 Runden, anschließend konnte Patrick Pilet ähnliche Zeiten sehr konstant über 23 Runden halten. Über die Distanz scheint der Porsche tatsächlich erheblich besser geworden zu sein.

Gianmaria Bruni, Toni Vilander

Ungewohnte Farben: Der Ferrari 458 von Gimmi Bruni und Toni Vilander Zoom

Die Champions von Ferrari fuhren beim gesamten Test nur wenige Runden. Einen richtigen Longrun gab es von den Italienern überhaupt nicht zu sehen. Der 458 Italia war mit der Le-Mans-Front des Vorjahres ausgestattet. Das Fahrzeug kennt man in- und auswendig, großartige Veränderungen werden wegen des bevorstehenden Modellwechsels (zum neuen 488) nicht vorgenommen worden sein. Die Bestzeit von Gimmi Bruni am Freitag entstand wohl eher zufällig - weil niemand anderes etwas Gas geben wollte.

Ob Ferrari auch 2015 um den Titel mitfahren kann, steht noch in den Sternen. Die AF-Corse-Mannschaft lebte im vergangenen Jahr von der Zuverlässigkeit, dem grundsätzlich guten Konzept und der Effizienz des 458er. Zum Start in die neue WEC-Saison bekommt der Wagen zehn Kilogramm zusätzlichen Ballast an Bord. Um die besten Startplätze wird man vermutlich nicht fahren können, aber bezüglich Rennsiege sollte man Ferrari auch in diesem Jahr auf der Rechnung haben.


Fotos: WEC-Prolog in Le Castellet


Aston Martin blendet und täuscht mal wieder

Im Lager von Aston Martin ist die Situation wie immer vor dem Start in eine neue Saison. Man will mit dem zweifellos schnellen Vantage endlich zu großen Erfolgen fahren. "In den vergangenen Jahren haben wir es immer selbst verbockt. Das darf nicht so bleiben", berichtet ein hochrangiger Vertreter des britischen Werksteams. 2013 wollte man zum 100-jährigen Jubiläum der Marke in Le Mans gewinnen, aber schaffte es nicht. 2014 wollte man das Geschenk nachträglich abholen - und scheiterte erneut.

Beim Le-Castellet-Test spielte Aston Martin in bekannter Manier. Mit angezogener Handbremse, nicht voll ausgedrehtem Motor und einigem Ballast fuhr das Team in Abwesenheit des Topduos Mücke/Turner eher gemütlich um die Strecke. ACO und FIA haben den Vantage, der 2014 das schnellste Auto war, unter anderem durch verkleinerte Luftmengenbegrenzer etwas beschnitten, aber das kann den schlechten Topspeed des Teams bei den Probefahrten kaum erklären.

Fernando Rees

Keine Gulf-Lackierung mehr: Der Aston Martin beim Test in Le Castellet Zoom

Auf der Mistral-Geraden fehlten Aston Martin jederzeit mindestens fünf km/h auf die Konkurrenz. Dies verdeutlicht die Taktik der Briten, die Karten jederzeit verdeckt zu halten. Am Freitagabend absolvierte Neuzugang Marco Sörensen den einzigen Longrun des Teams. Der Däne ließ es allerdings gemütlich angehen: Über 30 Runden war sein Tempo immer Bereich von 2:00 Minuten - nicht gerade siegverdächtig.

Während sich die Kollegen an die vorgegebene Taktik der Verschleierung hielten, war Stuart Hall offenbar nicht bei Teambesprechung dabei. Der Brite entlarvte Aston Martin. In 1:57.116 Minuten fuhr der 30-Jährige mit seinem Vantage aus der Amateurklasse die beste Rundenzeit aller GTE-Teams während des zweitägigen Tests. Die Profis dürften deutlich schneller fahren können. Auf technischer Seite hat Aston Martin neue Ventile im Motor verbaut, die Aufhängungen verstärkt und weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Zuverlässigkeit umgesetzt.