"Sehr enttäuscht über die Situation": BMW schimpft über Kollision mit Ferrari
Der BMW #15 wurde am Samstagabend von Robert Kubica im Ferrari #83 unsanft aus dem Rennen gerissen - WRT-Teamchef Vosse ist "sehr enttäuscht über die Situation"
(Motorsport-Total.com) - Für BMW endeten die 24h von Le Mans 2024 (kompletter Rennbericht!) mit einem großen Knall! Am Samstagabend wurde BMW #15 (D. Vanthoor/Marciello/Wittmann) mit Dries Vanthoor am Steuer vom AF-Corse-Ferrari #83 (Kubica/Schwarzman/Ye) aus dem Rennen gerissen - ausgerechnet von Robert Kubica, einem alten Bekannten von BMW und WRT, dem belgischen Einsatzteam der Münchener.

© Motorsport Images
Der BMW #15 wurde von Robert Kubica aus dem Rennen gerissen Zoom
"Ich stehe Robert nahe - er ist einige Jahre für uns gefahren", erinnert WRT-Teamchef Vincent Vosse im Gespräch mit Motorsport-Total.com daran, dass der ehemalige Formel-1-Pilot noch vor wenigen Monaten bei WRT im LMP2-Cockpit saß. "Letztes Jahr haben wir mit ihm die Meisterschaft gewonnen, und ich respektiere ihn sehr."
"Ich werde sagen, dass ich so etwas nicht von ihm erwartet habe, aber ich werde ihn nicht verurteilen", sagt der Belgier, der sich "zunächst beruhigen und wahrscheinlich nächste Woche mit ihm über den Vorfall sprechen" wird. "Von einem Sportler seines Niveaus - und er ist wirklich ein Sportler, weil ich ihn so sehe - muss ich leider sagen, dass ich über die Situation enttäuscht bin."
Vosse: Langstreckenrennen haben sich verändert!
Die harte Gangart ist jedoch den allgemeinen Umständen geschuldet. "Ich würde sagen, dass Langstreckenrennen heute ein bisschen anders sind als früher", sagt Vosse, der zwischen 1999 und 2007 insgesamt fünfmal selbst beim 24h-Rennen in Le Mans am Start war, und damals vor allem das Material schonen musste. "Aber natürlich ist das heute nicht mehr so."
"Ich sage nicht, dass man Kontakt haben oder das Auto nicht schonen muss", erklärt der Belgier. Aber jede Zehntelsekunde könne die Situation im Rennen verändern. "Als ich Langstreckenrennen gefahren bin, hast du ein 24-Stunden-Rennen mit fünf Runden [Vorsprung] gewonnen. Das ist auch nicht die Art des Rennens."
Stattdessen kommt es heutzutage auf wenige Sekunden an. "Und das ist viel unterhaltsamer", weiß Vosse. "Ich würde sagen, heute war die Show eine gute Show für die Zuschauer. Jeder war glücklich, den Kampf zu sehen und die Autos, die um die Positionen kämpfen, nahe beieinander zu haben."
BMW hätte sich härtere Strafe gewünscht
Das Strafmaß stößt dem WRT-Teamchef allerdings sauer auf - denn der private AF-Corse-Ferrari #83 bekam lediglich eine 30-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe. "Am Ende ist es etwas, das wir nicht akzeptieren", schimpft der Belgier. "Für mich war die Strafe sehr unfair. Man nimmt jemandem das Rennen weg und hat es verdient, irgendwie stärker ausgebremst zu werden, als drei Stunden später wieder um das Podium kämpfen zu können."
Stattdessen hätte sich Vosse eine andere Strafe für Kubica und seine Fahrerkollegen gewünscht. "3 Minuten, 5 Minuten, ich weiß es nicht", grübelt der Teamchef über das fragwürdige Strafmaß in der Langstrecken-WM (WEC) und erinnert an eine ähnliche Situation beim letzten Rennen in Spa.
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Dort kollidierte Earl Bamber im Cadillac #2 (Bamber/Lynn) mit dem WRT-BMW von Sean Gelael, was zum heftigen Unfall führte. Bamber bekam für das nächste Rennen, also die 24h von Le Mans, eine Strafversetzung in der Startaufstellung um fünf Position - ausgerechnet bei einem Rennen, wo die Startposition eher zweitrangig ist.
"Das Auto ist quasi ein Totalschaden"
Was sich Kubica bei seinem riskanten Manöver gedacht hat? "Da kann ich nicht viel zu sagen, da müsstet ihr den Robert Kubica fragen", grinst BMW-Motorsportchef Andreas Roos, der von einer ärgerlichen Situation spricht, weil es "eine sehr gefährliche Ecke" ist.
"[An dieser Stelle] fährt man Geschwindigkeiten von 280 bis 300 km/h", erinnert Roos. "Dries geht es gut, dem ist nichts passiert, aber es war schon ein heftiger Einschlag. Das Auto ist quasi, würde ich sagen, fast ein Totalschaden. Daher war das natürlich nicht ideal."
"Zu dem Zeitpunkt im Rennen hatten wir uns nach meinem Fehler in der Startphase schon wieder in die Top 10 gekämpft und waren gut unterwegs", resümiert Startfahrer Marco Wittmann. Denn schon nach 20 Minuten hatte sich der DTM-Champion im BMW #15 von der Strecke gedreht und war leicht angeschlagen, was einen unplanmäßigen Boxenstopp zur Folge hatte.
Deshalb war BMW "immer im Kampf, dass das Auto nicht überrundet wird", berichtet Roos. "Das hatte uns auch in der Strategie ein bisschen nach hinten geworfen."
Art-Car-Projekt sieht immerhin die Zielflagge
Nach dem Unfall von Vanthoor musste BMW die Hoffnungen auf ein Top-Ergebnis in Le Mans allerdings endgültig begraben, nachdem Robin Frijns im BMW #20 (S. van der Linde/Frijns/Rast) schon einige Stunden früher verunfallt war. "Wir konnten das Auto zwar nochmal reparieren und wieder auf die Strecke schicken, aber es hat dann ein paar Folgeschäden gegeben", berichtet Roos.
"Deswegen haben wir erst in Ruhe repariert, damit wir sicherstellen konnten, dass das Auto in einem sicheren Zustand ist", erklärt der BMW-Motorsportchef die lange Reparaturpause. Anschließend wurde die Entscheidung getroffen, "dass wir das Auto nur ganz zum Schluss nochmal auf die Strecke schicken", so Roos.
Auf diese Weise sollte das Art-Car-Projekt geehrt und die WRT-Mannschaft für ihre harte Arbeit belohnt werden. Obwohl der BMW #20 die Ziellinie am Ende aus eigener Kraft überquerte, wurden Sheldon van der Linde, Robin Frijns und Rene Rast aufgrund des großen Rückstands auf die Rennsieger allerdings nicht gewertet.
"Wir haben es einfach nicht gut umgesetzt"
"Das Frustrierendste für uns ist, das Rennen mit beiden Autos nicht beendet zu haben", spricht Roos im Gespräch mit Motorsport-Total.com Klartext. Es sei eine Enttäuschung, "mit den Autos kein sauberes Rennen gehabt zu haben und einfach durchzufahren."
"Gerade nach den doch guten Ergebnissen bei den Training-Sessions und auch im Qualifying, mit der schnellsten Rundenzeit von Dries, war die Erwartungshaltung schon höher", gibt der BMW-Motorsportchef zu. "Aber es war uns auch klar, dass der Wettbewerb natürlich sehr hoch ist."
"Sportlich gesehen war das Rennergebnis natürlich alles andere als zufriedenstellend, denn wir hatten uns wesentlich mehr erwartet", ergänzt Rast. "Wir haben es einfach nicht gut umgesetzt und zu viele Fehler gemacht. Da müssen wir noch besser werden."


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