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Mehr als ein Frauenteam: Was es mit den "Iron Dames" auf sich hat
Die "Iron Dames" sind eines der, wenn nicht das populärste Team in der WEC - Was als Förderung für schnelle Damen begann, ist längst eine Marke geworden
(Motorsport-Total.com) - Die Iron Dames im Lamborghini Huracan GT3 Evo sind schnell. Der rosa Wagen ist nicht zur Unterhaltung in der LMGT3-Klasse der WEC unterwegs. Doch Sarah Bovy, Michelle Gatting und Rahel Frey haben auch eine Botschaft: "Women driven by dreams". Man fährt nicht nur um Erfolge, sondern auch für ein Ziel.
© Tobias Kindermann
Sarah Bovy, Rahel Frey und Michelle Gatting fuhren bei den 24 Stunden von Le Mans auf Klassenrang fünf Zoom
Mit dem ersten Sieg eines reinen Frauenteams in der WEC in Bahrein 2023 in der GTE-Klasse haben die Iron Dames bereits Geschichte im Langstreckensport geschrieben. Das strahlt in die laufende Saison. Die Fan-Base wächst, längst sind sie eine Marke geworden, mehr als ein Team.
Ihr Fan-Shop in Le Mans wurde überrannt. Eine lange Schlange hatte sich vor dem eher unauffälligen Verkaufscontainer am Rande der Fan-Zone gebildet, ab Samstagmittag gab es fast nichts mehr zu kaufen. "Mit so einem Ansturm haben wir nicht gerechnet und noch versucht, irgendwie Nachschub an die Rennstrecke zu bringen", sagt Rahel Frey. Vor dem Start gehörte ihr Wagen zu den Fahrzeugen, die von den Fans am meisten belagert wurden.
Im Rennen kamen die Iron Dames auf Platz fünf, waren davor oft im Bereich der Podiumsplätze unterwegs. Ein gutes Ergebnis, aber kein überraschendes. Boyv, Gatting und Frey sind nicht nur die einzigen Frauen in der WEC. Ihr Team ist immer gut für einen Spitzenplatz, hatte aber in der jüngsten Zeit oft kein Glück.
Beim WEC-Rennen im Brasilien im Juli holten die Iron Dames die Poleposition, lagen im Rennen auf Platz 2, als nach vier Stunden bei einem Boxenstopp plötzlich eine Schelle an einem Wasserschlauch kaputt ging. Ein Ausfall war die Folge. "Ich weiß nicht, wie man noch mehr Pech haben kann", sagt Rahel Frey.
Denn man habe die Pace, vorne mitzufahren. Vielleicht passe das Gesamtpaket noch nicht so gut wie bei Manthey-Racing mit dem Porsche 911 GT3 R LMGT3. "Aber wenn die mal Schwierigkeiten haben sollten, sind wir da und haben sicher Chancen auf einen Sieg." Die aktuelle Situation sei hart: "Aber das ist genau die Seite des Motorsports, die einen stärker macht. Doch es wäre schon mal wieder an der Zeit, aufs Podium zu fahren und Punkte zu sammeln."
© Tobias Kindermann
Rahel Frey erzählt die Hintergründe des Projekts, das Millionen begeistert Zoom
Für Sarah Bovy, Michelle Gatting und Rahel Frey stand vor dem Erfolg ein langer, harter Weg durch unterschiedliche Rennserien und -Klassen. Heute von Kommentatoren und Fans mit so viel Respekt behandelt zu werden, schätze man sehr:
"Das ist schon eine tolle Sache. Wir haben alle drei einen Werdegang vor den Iron Dames und auf unsere Art versucht zu überleben und Jobs zu bekommen, um unsere Passion beruflich auszuüben. Jetzt haben wir in unserem Team ein Zuhause gefunden, eine Mannschaft, in der alle dasselbe Ziel haben."
Man wolle zeigen, wie gut Frauen im Spitzenbereich des Motorsports erfolgreich unterwegs sein können. "Die Iron Dames geben uns diese Möglichkeit." Eine zentrale Figur sei dabei Deborah Mayer, die zwischen 2022 und 2024 Präsidentin der FIA für die Kommission "Frauen im Motorsport" war und sich nun voll auf das von ihr initiierte Projekt "Iron Dames" fokussiert.
"Was sie vor allem für junge Mädchen im Motorsport auf die Beine stellt, ist unglaublich beeindruckend. Sie gibt uns alle Möglichkeiten erfolgreich zu sein und das zahlt sich auch aus."
Anfragen von jungen Frauen weltweit
Das Iron-Dames-Team geht in sein sechstes Jahr: "Wir haben fünf Jahre gebraucht, um auf das heutige Niveau zu kommen und akzeptiert zu werden. Die Leute haben verstanden, dass unser Projekt langfristig angelegt ist. Da hat sich ein Wandel vollzogen." Die Fan-Base wachse schnell und stark: "Das liegt daran, dass sich Mädchen und Frauen mit uns identifizieren können."
Rahel Frey sagt: "Frauen haben Eigenverantwortung für ihren Erfolg. Die Performance muss stimmen." Doch auch sie bräuchten für ihre Entwicklung Unterstützung und Strukturen, wie sie bei den männlichen Kollegen schon selbstverständlich seien. Als sie 2011 und 2012 in der DTM fuhr, erst für das Team Phoenix und dann für Abt, jeweils mit einem Audi, sei das anders gewesen. "Man musste sehr hart für seinen Platz und sein Material kämpfen, heute gibt es viele Angebote."
Doch man stehe nun in der Verantwortung, die bessere Unterstützung von Frauen nicht als selbstverständlich zu nehmen. "Wir dürfen auch nicht überheblich werden." Entscheidend sei die Qualität und nicht die Quantität. "Wir wollen zwar viele Frauen motivieren, in den Motorsport zu gehen. Aber sie müssen mit Herzblut dabei sein und sie müssen gut sein. Nur so hat das langfristig Erfolg und wird die Akzeptanz von Frauen im Motorsport weiter steigern."
Geht das alles einher mit einer veränderten Stellung von Frauen in der heutigen Gesellschaft? "Generell kann man sagen, dass Frauen gelernt haben, für ihren Platz zu kämpfen."
Dies spüre man auch im Team: "Wir bekommen von Saison zu Saison deutlich mehr Bewerbungen von Ingenieuren und Mechanikern oder für einen Platz im Fahrerteam. Das hat in den vergangenen zwei Jahren noch einmal rasant zugenommen." Dazu kämen unzählige E-Mails von Mädchen, die fragen, wie sie in den Motorsport einsteigen können.
Brauchen Frauen in Rennteams eine andere Art von Unterstützung? "Das ist eine sehr wichtige Frage. Wir versuchen, möglichst wenig Unterschiede zu machen, eigentlich gar keine. Wir sind momentan dabei, vor allem die professionelle Unterstützung von sehr jungen Mädchen zu verstärken." Ende Juli habe in Italien ein Trainingscamp für Mädchen im Alter zwischen acht und 13 Jahren stattgefunden, bei dem es auch um Plätze im Iron-Dames-Team ging.
"Wir haben schon zwei Elfjährige, die wir aktuell ausbilden und aufbauen. Wir bieten Go-Kart-Lektionen an, Kurse in Englisch, ein spezielles Fitnessprogramm, eine technische Ausbildung und sie sind auch bei unseren Rennen dabei. Wir hoffen, dass diese frühe Integration in den Motorsport wie bei den Jungen verläuft und wir keine Unterschiede machen müssen. Wir wollen das auch gar nicht, denn wir haben dasselbe Ziel: auf der Rennstrecke die bestmögliche Performance abzuliefern."
Auf der Strecke sind alle gleich
Ob Frauen dabei anders vorgehen? "Ich kann da nur für mich sprechen. Ich musste lernen, beim Start und in den Qualifyings hart zu sein und nicht zurückzustecken. Das gelingt mir inzwischen ganz gut, denn das kann man sich aneignen."
Im Rennen selber empfinde sie keine Unterschiede. Im Team von Iron Lynx, unter dessen Dach die Iron Dames starten, habe man den Vergleich mit den männlichen Kollegen. Es gäbe schon Unterschiede, wie man Dinge wie Fahrzeugabstimmung und Kommunikation angehe. "Und wir Frauen können sehr stur sein, das meine ich im positiven Sinne. Das ist im Rennsport keine schlechte Eigenschaft."
Werden Frauen auf der Rennstrecke anders behandelt von ihren männlichen Kollegen? "Nun, wenn man uns drei fragt, wird man sicher unterschiedliche Antworten bekommen. Ich persönlich empfinde es nicht so." Sie fühle sich akzeptiert. "Geduld zu haben als Rennfahrer ist eine unser Hauptherausforderungen. Manchmal verlieren wir sie, dann kommt es zu Zwischenfällen."
Wichtiger seien die Unterschiede zwischen den beiden Klassen und wie man damit umgehe. "Da muss jeder mitdenken. In der LMGT3 verlieren wir weniger Zeit, wenn wir die Hypercars auf der Geraden vorbeilassen und nicht erst im letzten Augenblick vor der Kurve. Für mich ist das ein Geben und Nehmen. Ich habe den Respekt vor den anderen und auch das Gefühl, das ich den Respekt von den anderen bekomme."
Rennfahren ist harte Arbeit. Machen es die modernen Rennautos Frauen leichter, die gleiche Leistung im Cockpit zu bringen? "Für unsere Disziplin, den Langstreckensport, gilt das auf jeden Fall. Die Autos haben Servolenkung, Klimaanlage und der Innenraum wird temperaturüberwacht. Das macht einen Riesenunterschied in der Fahrerperformance. Wenn wir fit genug sind, und daran arbeiten wir hart, sind die Chancen gleich."
Was aber immer unterschätzt würde, sei die mentale Komponente im Motorsport. Und einen Kopf zum Denken hätten Frauen auch.
© Tobias Kindermann
Das Projekt hat einen Nerv bei den Fans getroffen: Der pinke Lamborghini wird regelmäßig belagert Zoom
Der körperliche Nachteil komme vor allem im Formelsport zum Tragen. Eine Servolenkung schon in den unteren Klassen würde ihnen sehr entgegenkommen. "Da wird ja schon über Änderungen diskutiert. Wir sehen, wie unsere Frauen hart in der europäischen Formel Regional (FRECA) arbeiten müssen."
Frauen sind auch oft leichter als Männer. In der LMGT3 der WEC besteht das Gesamtgewicht aus Wagen und 75 Kilogramm für den Fahrer, da kann man damit punkten. "Doch ich habe auch Fahrer in der Hypercar-Klasse gesehen, die über den Winter gewaltig abgenommen haben. Da sind einige noch leichter als wir, chapeau. Da wir aber die Regeln nicht machen, können wir sie nur befolgen."
In der Formel Regional gebe es dagegen ein Mindestgewicht für Fahrer, werde das nicht erreicht, müsse man Gewicht zuladen. "Ich finde das fair." Seit 2022 fahren die Iron Dames unter einer eigenen Lizenz, sind aber weiter Teil des Iron-Lynx-Teams. "Deshalb ist der Name auch so ähnlich."
Projekt geht über Endurance hinaus
Fühlt man sich als Träger einer Botschaft? "Wir selbst können schwer einschätzen, welche Außenwirkung unser Auftritt hat. Wenn man selbst fährt, ist man sehr auf das Thema Rennerfolg fokussiert. So muss es auch sein."
Das Bewusstsein, für Veränderungen im Motorsport zu stehen, komme aber mit der Zeit, wenn man zusätzliche und andere Aufgaben im Team übernimmt, etwa im Management. Es brauche aber noch immer Zeit, bis dies auch nach außen wirke.
Es bilde sich schon so etwas wie eine Gemeinschaft unter Rennfahrerinnen heraus: "Nach unserem Sieg in der ELMS in Imola bekamen wir Nachrichten von Michelle Mouton. Das ist es ein schönes Zeichen, dass sich jemand wie Michelle mit uns identifiziert und uns folgt. Wir fühlen uns als starke Frauen."
Den Iron Dames hilft auch der Erfolg in den sozialen Medien. "Es zahlt sich aus, dass unser PR-Team größer ist als das der Fahrerinnen. Es entwickelt viele gute Ideen und das ist auch eine Hilfe für uns." Aber man sei voneinander abhängig: "Guten Content kann man nur kreieren, wenn die Performance stimmt. Nur das sorgt für Akzeptanz, um langfristig nachhaltig zu sein."
Der Umgang der Fans mit Frauen im Rennsport habe sich auch geändert. "Als ich 2011 und 2012 mit Susie Wolff in der DTM startete, hatten wir schon eine sehr exponierte Stellung. Das war damals für das Marketing wichtig und ich bin mir nicht sicher, ob wir dieser Rolle schon gewachsen waren. Heute bin ich das, kann das als Stärke ausspielen und damit gewinnt man auch an Authentizität. Das spüren die Fans und stehen besser hinter uns", sagt die heute 38-Jährige.
Neben WEC, den ISMA-Endurance-Rennen und dem Le Mans Cup sind Iron Dames auch in verschiedenen Nachwuchsserien, dem Kartsport und seit 2024 auch bei Rallys vertreten. Insgesamt umfasst der Kader im Motorsport neun Frauen.
FIA WEC: Sarah Bovy, Michelle Gatting, Rahel Frey
IMSA Endurance Cup: Sarah Bovy, Michelle Gatting, Rahel Frey
Europäische Le-Mans-Serie: Sarah Bovy, Michelle Gatting, Rahel Frey
Le-Mans-Cup: Karen Gaillard, Célia Martin
F1-Academy: Doriane Pin
Rallyesport Frankreich: Sarah Rumeau, Julie Amblard
Kartsport - IAME Euro Series / Spanische Meisterschaft (CEK): Natalia Granada
Seit diesem Jahr sind die Iron Dames mit den "Cannes stars" im Reitsport vertreten. Auch das ist ein Feld, in dem Gleichberechtigung umgesetzt wird. Hier starten Frauen und Männer zusammen. Es ist das erste und einzige Frauenteam, das an der Longines Global Champions Tour und der Global Champions League teilnimmt. Mit Erfolg: "Die führen dort bereits in ihrem ersten Jahr. Die setzen da schon Maßstäbe."
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