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Manthey vs. WRT: Wie das LMGT3-Duell in Le Mans entschieden wurde
Manthey-Porsche gegen WRT-BMW: Im Kampf um den ersten Le-Mans-Sieg in der LMGT3-Ära setzte die Manthey-Truppe auf eine "unorthodoxe" Strategie
(Motorsport-Total.com) - Auf dem Papier betrachtet war die Entscheidung um den Sieg in der LMGT3-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans 2024 am vergangenen Wochenende eine klare Sache. Der Manthey-Porsche #91 mit Richard Lietz, Morris Schuring und Yasser Shahin lag im Ziel eine ganze Runde vor dem zweitplatzierten WRT-BMW #31 von Augusto Farfus, Sean Gelael und Darren Leung. Im Detail betrachtet aber war es ein spannendes Duell, das nicht zuletzt über die Strategie entschieden wurde.

© Alexander Trienitz
LMGT3-Podium in Le Mans: 1. Lietz/Schuring/Shahin, 2. Farfus/Gelael/Leung Zoom
Bei den schwierigen Witterungsbedingungen - fast sieben der 24 Rennstunden wurden hinter dem Safety-Car zurückgelegt - wählte das Manthey-Team eine ungewöhnliche Taktik. Diese führte letztlich zum Triumph über den lange Zeit schlechter klassierten der beiden WRT-BMW und sie führte dazu, dass Morris Schuring und Yasser Shahin direkt bei ihrem ersten Start in Le Mans ganz oben auf dem Siegerpodest feierten.
Gestartet war der Manthey-Porsche #91 im 23-köpfigen Feld der LMGT3-Klasse von Position 16. Als eines von nur vier Autos entschied man, einen Bronzefahrer den ersten Stint im Rennen fahren zu lassen. Es war Shahin, der 47-Jährige mit doppelter Staatsbürgerschaft (Australien/Palästina). Er begann mit einem Doppelstint, bevor er das Auto an den 19-jährigen Niederländer Schuring übergab.
"Als ich zum ersten Mal ins Auto gesprungen bin", erinnert sich Schuring im Gespräch mit Motorsport-Total.com, hatte Yasser gerade einen exzellenten Stint gefahren, in welchem er quasi auf einem Level mit den Profifahrern unterwegs war."
Der angesprochene Yasser Shahin erklärt im Gespräch mit unseren englischsprachigen Kollegen von Motorsport.com: "Als es anfing zu regnen, wollten wir bei zunächst noch wechselhaften Bedingungen direkt einen Vorteil haben. Also haben wir entschieden, Morris mit frischen Reifen auf die Strecke zu schicken. Das hat sich ausgezahlt."
Schuring hatte bei den schwierigen Bedingungen eigener Aussage zufolge "zwei sehr gute Doppelstints, später dann noch einen Stint in der Nacht bei wechselhaften Verhältnissen und am Sonntag noch einen Dreifachstint".
Auf seinem Dreifachstint am Sonntag ist es dem jungen Le-Mans-Debütanten aus den Niederlanden gelungen, vor Routinier Augusto Farfus im WRT-BMW zu bleiben. "Ich bin schon stolz, dass ich ihn hinter mir halten konnte", bekennt der 19-Jährige.
Gleichzeitig lobt Schuring den Schlussfahrer im Manthey-Porsche #91, Richard Lietz: "Am Schluss hat es 'Richie' überragend zu Ende gebracht, indem er sowohl Sean Gelael als auch Augusto Farfus hinter sich halten konnte. So haben wir gewonnen."
Die ungewöhnliche Strategie des Manthey-Porsche #91
Yasser Shahin erklärt die ungewöhnliche Strategie im Manthey-Team so: "Als wir entschieden, Morris auf frischen Reifen auf die Strecke zu schicken, bedeutete das, dass ich selber keinen Dreifachstint, sondern nur einen Doppelstint fahre. Als ich dann zwei Stunden später wieder ins Auto kam, war mir klar, dass es schwierig wird, meine Zeit zu schaffen." Damit meint er die vorgeschriebene Mindestfahrzeit von sechs Stunden im Rennen.
"Nach drei Stints", erinnert sich Shahin, "wurde ich vom Ingenieur angefragt, ob ich einen vierten Stint fahren könne. Also habe ich einen Vierfachstint hingelegt. Das ist auf einem einzigen Satz Reifen durchaus unorthodox. Ich habe nie zuvor einen Vierfachstint absolviert."

© Alexander Trienitz
Richard Lietz, Morris Schuring, Yasser Shahin fuhren den Klassensieg ein Zoom
Der Vierfachstint des 47-jährigen Bronzefahrers, welcher zu großen Teilen in der langen Safety-Car-Phase in der Nacht absolviert wurde, gab den Teamkollegen Schuring und Lietz die Möglichkeit einer längeren Pause.
"Weil ich länger im Auto saß, waren sie frischer. Wir konnten meinen Boxenstopp so weit es ging nach hinten schieben, nämlich bis dahin als wieder Grün gezeigt wurde. Und wer auch immer dann ins Auto springen würde, hätte die frischesten Reifen drauf", so Shahin.
Genau so kam es. Für den Restart nach der langen Safety-Car-Phase sprang Lietz ins Auto. In dieser Phase des Rennens verabschiedet sich das Schwesterauto - der Manthey-Porsche #92 von Klaus Bachler, Joel Sturm und Alexander Malichin - mit Getriebeproblemen aus der Entscheidung. Es kam zum Duell mit dem WRT-BMW #31 von Augusto Farfus, Sean Gelael und Darren Leung.
Die WRT-Truppe aus Belgien hatte das lange Zeit besser klassierte Auto - den WRT-BMW #46 von Valentino Rossi, Maxime Martin und Ahmad Al Harthy - durch einen Unfall in der Nacht verloren. Bronzefahrer Al Harthy hatte mit Slicks auf noch feuchter Strecke die Kontrolle verloren und war in die Reifenstapel eingeschlagen. Dabei nahm der Kühler des M4 LMGT3 irreparablen Schaden.
So mussten Farfus/Gelael/Leung, die im LMGT3-Feld vom 15. Startplatz kamen, die Kohlen für WRT aus dem Feuer holen - zumal zu diesem Zeitpunkt auch die beiden von WRT eingesetzten BMW in der Hypercar-Klasse längst aus der Entscheidung raus waren.
P2 "eine schöne Wiedergutmachung" für WRT und BMW
"Es war schön zu sehen, wie sich das Auto mit der Startnummer 31 durch das Feld gekämpft hat", sagt WRT-Boss Vincent Vosse im Gespräch mit Motorsport-Total.com und erklärt: "Im Trockenen hatten wir nicht ganz die Pace wie im Nassen, um es mit dem Porsche aufnehmen zu können. Letzten Endes haben wir das Bestmögliche aus dem Paket herausgeholt."
Gleichzeitig gibt der WRT-Boss aber auch ganz offen zu: "Natürlich versuchst du in jedem Rennen, das du in Angriff nimmst, zu gewinnen. Und wenn du so knapp dran bist, dann ist es immer schwer zu verarbeiten, dass es nicht geklappt hat."
Augusto Farfus ordnet den zweiten Platz ein: "Ich denke, wenn wir uns anschauen, wie unsere Performance zu Beginn des Rennens war und wo wir ins Ziel gekommen sind, haben wir jede Menge Grund zu feiern. Wir waren der letzte BMW im Feld und haben das Podium eingefahren. Das ist der verdiente Lohn für alle beim Team WRT und bei BMW."

© Motorsport Images
Der BMW M4 mit der #31 musste die Kohlen aus dem Feuer holen Zoom
BMW-Motorsportchef Andreas Roos fasst im Gespräch mit Motorsport-Total.com zusammen: "Ich glaube, ganz zum Schluss hat uns die allerletzte Performance gefehlt, um den Porsche wirklich in Schach zu halten und wirklich um den Sieg zu kämpfen, sobald von beiden Seiten die Platinfahrer im Auto saßen. Daher schade, dass wir das nicht geschafft haben. Aber ich glaube, mit P2 beim ersten Einsatz des M4 GT3 beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans können wir doch sehr zufrieden sein."
Nach dem großen Frust in der Hypercar-Klasse sowie dem bitteren Aus des WRT-BMW #46 ist P2 durch Farfus/Gelael/Leung "eine schöne Wiedergutmachung für die Jungs", so Roos, der die Crew mit der Startnummer 31 ausdrücklich lobt: "Sie haben wirklich einen absoluten Topjob gemacht. Sie haben genau das gemacht, was man von ihnen erwartet und haben das Auto heile gelassen. Dann ist es auch ein sehr sehr verdienter zweiter Platz."
Sieg beim Le-Mans-Debüt: Schuring und Shahin machen es Lietz nach
Die größte Freude im LMGT3-Feld herrscht nach dem ersten Auftritt dieser Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans aber im Lager des Manthey-Teams. "Davon habe ich schon als kleiner Junge geträumt. Einmal in Le Mans zu gewinnen, das war der Grund, weshalb ich überhaupt Rennfahrer geworden bin", verrät der 19-jährige Morris Schuring.
"Ich bin sehr stolz auf meine Teamkollegen, auf mich selber und auf das Team. Wir haben ein astreines Rennen hingelegt, ohne einen einzigen Kratzer am Auto. Das ist in einem 24-Stunden-Rennen, erst recht in diesem mit so viel Regen, wirklich unglaublich!", so Schuring, für den es genau wie für Yasser Shahin direkt beim Le-Mans-Debüt mit dem Sieg geklappt hat.
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Derweil ist es für Routinier Richard Lietz bereits der fünfte Le-Mans-Sieg. Auch der Österreicher hat das berühmteste aller 24-Stunden-Rennen einst direkt bei seinem Debüt gewonnen. Das war im Jahr 2007 in der damaligen GT2-Klasse. Nach dem Triumph vom Sonntag sagt er: "Meine Teamkollegen haben einen fantastischen Job gemacht. Sie haben Le Mans bei ihrem Debüt hier gewonnen, das ist unglaublich. Für mich war es der 18. Start in Le Mans."
"Ich fühle mich sehr geehrt, dass Porsche mir in den vergangenen 18 Jahren die Chance gegeben hat, hier zu fahren. Wir hatten auch sehr schwierige Jahre, aber dieses Jahr hat einfach alles zusammengepasst und dann haben wir es wirklich geschafft. Das ist fantastisch", so Lietz.
Der 40-jährige Österreicher stellt heraus: "Die Leute wissen gar nicht, wie oft man an Rennen teilnimmt, bei denen man keine Chance hat. Es ist eine Besonderheit, hier nach Le Mans zu kommen und ein Team, ein Auto und alle notwendigen Voraussetzungen zu haben, um dieses Rennen gewinnen zu können. Dann tatsächlich hier zu gewinnen, das ist ein echtes Privileg."
Und Manthey-Geschäftsführer Nicolas Raeder sagt: "Das ist das fünfte Mal, das wir Le Mans gewinnen und das vierte Mal, dass [Bruder] Martin und ich dabei sind. Es ist natürlich ein besonderes Ereignis, das man nicht erzwingen kann. Hier mit Porsche teilnehmen und dann noch um den Sieg mitfahren zu dürfen ist etwas sehr Besonderes. Und dann den Sieg zu erzielen, das ist natürlich ein Traum."


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