• 04.06.2014 12:52

  • von Roman Wittemeier

Leser fragen Jani: Von Aero-Bouncing und Nachwuchspiloten

Porsche-LMP1-Werksfahrer Neel Jani beantwortet die Fragen der 'Motorsport-Total.com'-Leser: "Das Fahren ist sehr cool" - Teamkollege Marc Lieb als Vorreiter?

(Motorsport-Total.com) - Seit 2009 sucht Neel Jani bei den 24 Stunden von Le Mans nach dem ganz großen Erfolg. Der schnelle Schweizer war bei seinen Auftritten in den vergangenen fünf Jahren im Team von Rebellion (ehemals Speedy) im Kampf um den Gesamtsieg jedoch chancenlos, zu groß war die Übermacht der Herstellermannschaften. Jetzt ist Jani selbst Werkspilot - und das sogar bei Porsche. Der 30-Jährige beantwortet vor dem Start der Le-Mans-Rennwoche die interessanten Fragen der Leser.

Titel-Bild zur News: Neel Jani

Neel Jani hat sich im LMP1-Werksteam von Porsche schnell eingelebt Zoom

Ralf Asche fragt: "Neel, wie bewertest du das Fahren mit dem aktuellen LMP1-Boliden im Vergleich zu Formelautos, wie du sie unter anderem in der A1GP-Serie bewegt hast?"
Neel Jani: "Grundsätzlich gibt es schon mal einen großen Unterschied vom letztjährigen LMP1 zum diesjährigen. Mit dem Allradantrieb, mit dem Hybrid, mit den anderen Reifen - schon da hat sich sehr viel geändert. So gesehen denke ich, dass es innerhalb derselben Kategorie fast der größere Schritt war als vom Formelauto in den Rebellion-LMP1."

"Was den Fahrstil angeht, merkst du halt das Gewicht. Aber wie gesagt, der Unterschied war vom vergangenen Jahr zu diesem Jahr größer. Im Sinne von, wie das Auto beschleunigt, was du machen musst, wie viel du überlegen musst mit den neuen Regeln und so weiter."

Trotz weniger Benzin noch mehr Power

Dieter Hauser fragt: "Wie geil ist es grundsätzlich, ein LMP1-Auto zu fahren?"
Jani: "Das ist sehr geil! Heutzutage sind die Formel-1- und die LMP1-Autos diejenigen, die technologisch und vom Speed her unglaublich hoch gehen. Sicher ist ein IndyCar auch nicht schlecht, aber von der Technologie her natürlich nicht ganz auf dem Niveau."

"Wenn der Hybrid im LMP1 anschiebt, dann beschleunigt das Auto schon richtig gut. Das wird dann schon sehr schnell. Das hat man, glaube ich, auch in Spa aus den Haarnadeln heraus gesehen. Es hat also, trotz Benzinsparformel und allem, doch mehr Power gegeben. Das macht das Fahren schon sehr cool und interessant."

Romain Dumas, Neel Jani, Marc Lieb

Endlich wieder zurück im Kampf um den Gesamtsieg: Porsche greift in Le Mans an Zoom

Kai Grosskopf fragt: "Kommt man mit den neuen LMP1-Autos besser durch den Verkehr als im vergangenen Jahr?"
Jani: "Ich kann das noch nicht abschließend beurteilen. Der Grund ist ganz einfach: Es gab bei den ersten beiden Rennen nicht sehr viele GT- und LMP2-Autos. Das hatte zur Folge, dass du zehn Runden nichts hattest, dann drei Runden Verkehr und dann wieder zehn Runden nichts. Erst so ab Stunde drei oder vier hast du immer mal wieder ein Auto angetroffen. Es kann also schon stimmen. Ich saß ja im vergangenen Jahr im Rebellion. Für mich ist es jetzt mit mehr Power schon einfacher, durch den Verkehr zu kommen. Ich denke aber, abschließend kann man das erst nach dem Rennen in Le Mans sagen."

Steffen Reimann: "Eine Frage zu Rebellion: Konntet ihr ergründen, warum ihr 2013 in Le Mans dieses Aero-Bouncing hattet?"
Jani: "Das ist eine gute Frage! Es gab unten an der Nase ein Problem mit der Luftführung. Wir hatten das Problem eigentlich fast schon während des Rennens noch lösen können, indem wir einfach alles abgerissen haben. Dadurch wurde es schon besser. Wir wussten aber nicht, wie stark dadurch die Aufhängung und so weiter gelitten hat. Das war schon heftig, was da abging. Deshalb wollten wir da auf Platz 30 auch kein Risiko eingehen und haben eher piano gemacht."

Wenn der Wind das Auto hüpfen lässt

Frage: "Was ist Aero-Bouncing überhaupt genau?"
Jani: "Aero-Bouncing heißt, dass das Auto ab einem gewissen Speed anfängt zu springen. Bei uns war das etwa ab 280 km/h. Wir hatten das Problem vorne. Wahrscheinlich kann es das auch an der Hinterachse geben. Warum das so ist? Die Luft schiebt. Dann fängt halt das Flattern an und wird immer schlimmer."

Frage: "Kannst du mit diesen Erkenntnissen dazu beitragen, dass das Aero-Bouncing, das beim Porsche 919 Hybrid in Eau Rouge zu sehen war, künftig abgestellt wird?"
Jani: "Ich weiß nicht, ob das Aero-Bouncing war. Ich glaube nicht, dass es nur das war, denn auf den Geraden hatten wir das Problem ja nicht. Damals in Le Mans hatten wir es nur auf den Geraden. Ich glaube daher, dass es verschiedene Dinge sind, die da mit reinspielen. Sicherlich ist auch das kompromisslos auf Endgeschwindigkeit ausgelegte Konzept einer der Gründe."


Fotostrecke: Porsche-Siegerautos in Le Mans

Anke Junghans fragt: "Was hältst du vom Trend, dass mehr und mehr Formelpiloten im gesetzten Alter den Weg in die WEC finden?"
Jani: "Eigentlich ändert sich das gerade. Ich denke, die jungen Fahrer kommen jetzt langsam nach. Die gehen schon gar nicht mehr in Richtung Formelsport. Viele richten sich direkt auf die WEC aus. Dass auch die Gesetzten herüberkommen - wobei ja nur die Guten kommen - zeigt die Veränderung. Wenn man sich mal anschaut, wer vor drei, vier Jahren noch in den guten Autos in Le Mans fuhr: Die sind alle weg. Dafür ist eine ganz neue Generation von Formelpiloten reingekommen."

"Darum sage ich auch, dass die Gesetzen schon sehr viel erreicht haben müssen. Sonst kriegen die auch keinen Platz mehr. So gesehen ist das eine Entwicklung, die sehr gut ist. Das zeigt, dass das Niveau in den vergangenen drei, vier Jahren enorm gestiegen ist. Auch in der LMP2 sind jetzt ganz andere Leute vorne. Da vollzieht sich also schon ein Wechsel und ich denke, das wird sich noch beschleunigen."

Wenn im Regen da ein GT-Auto ist

Andreas Terlechi fragt: "Fandest du die regnerische Nacht in Le Mans als Fahrer auch so gruselig wie ich als Zuschauer?"
Jani: "Es ist schon sehr schwierig, aus einem LMP1 heraus einzuschätzen, wie viel Wasser tatsächlich auf der Piste ist. Das war auch in Silverstone brutal schwierig. Du kannst es nicht einschätzen und du siehst es auch nicht wirklich. Marc Lieb hat auch gesagt, dass es im GT-Auto einfacher einzuschätzen ist, wie viel Wasser du vor dir hast - auf der Scheibe und auch auf dem Boden. Im LMP1 ist das viel schwieriger, hat er auch gemeint."

Neel Jani

Die Sicht aus dem geschlossenen Cockpit ist vor allem im Regen schwierig Zoom

"So gesehen ist es schon eine große Anspannung, denn du weißt einfach nicht, was Sache ist. Wenn man Spray hat, dann wird es heikel. Man hat das auch in Spa gut gesehen. Die Speed-Unterschiede zwischen einem GT und uns sind enorm. Vor Blanchimont zum Beispiel war es brutal. Du steigst dann voll auf die Bremse, um dem nicht reinzufahren."

"Deshalb muss man wahrscheinlich im Regen relativ schnell das Safety-Car rausholen, auch wenn das scheiße ausschaut. Deshalb war es auch in Silverstone die richtige Entscheidung, das Rennen abzubrechen. Ich denke, das ist in diesem Jahr generell ein größeres Thema. Wenn du sechs Autos hast, die so auf der Geraden fliegen... Und dann hast du GT-Autos. Da ist der Speed-Unterschied schon sehr groß."

Die Schweizer erobern die Le-Mans-Welt

Anton Hunsecker fragt: "Hast du in der Nacht oder im Regen manchmal Angst?"
Jani: "Ich würde nicht sagen Angst, aber Respekt musst du immer haben. Ich glaube, Respekt ist das A und O - vor allem in Le Mans, denn das ist noch eine richtige 'Old-School-Rennstrecke'. Das ist wie beim Indy 500. Wenn du vor der Strecke in Indy keinen Respekt hast, dann wird sie dich auch nehmen. Das Gleiche gilt in Le Mans. Du musst Respekt haben vor der Strecke. Ich glaube, Angst wäre falsch, denn dann denkst du zu viel und wirst langsam. Den Respekt aber musst du immer haben. Du kannst es in Le Mans nicht so krachen lassen wie in Bahrain. In Bahrain kannst du schon machen, was du willst. Du wirst immer zurückkommen."

Olaf Tranniger fragt: "Du fährst bei Porsche mit Romain Dumas und Marc Lieb zusammen auf einem Auto. Hättest du dir vielleicht gewünscht, mit Mark Webber ein Auto zu teilen?"
Jani: "Ich muss sagen, ich bin mit meiner Zusammenstellung ganz happy. Wir haben ja in Spa zeigen können, dass wir ziemlich homogen sind und dass auch unser sogenannter 'GT-Fahrer' (Lieb; Anm. d. Red.) schon sehr gut unterwegs ist. Ich bin sehr zufrieden."


Fotos: Vortest in Le Mans


Erhard Klamm fragt: "Bei allen drei Werksteams der WEC sitzt ein Schweizer im Auto. Ist das Zufall oder hat das für dich eine Bedeutung?"
Jani: "Ich denke, das ist eine unglaubliche Konstellation, die es in dieser Form für die Schweiz noch nicht in einer FIA-Meisterschaft gegeben hat. Für ein Land, das keine Rennstrecke hat, ist es eigentlich erstaunlich, drei Werksfahrer bei drei großen Weltmarken zu haben. Das ist schon sehr speziell und ich freue mich auch. Wir kennen uns untereinander ja alle gut. Dafür ist das Land genügend klein (lacht)."

Marc Lieb als Beispiel für Le-Mans-Karrieren

Johanna Simonsen fragt: "Du hast lange auf deinen Sprung in ein Werksteam warten müssen. Traust du deinem Ex-Kollegen Nick Heidfeld auch diesen Sprung zu, und welchen von den eher unbekannten Fahrern bewertest du besonders hoch?"
Jani: "Ja, ich musste schon lange warten, aber es war auch immer mein Ziel, nur bei einem Fulltime-Drive zu wechseln. Ich wollte nie nur Le Mans oder nur zwei Rennen fahren. Ich wollte immer einen Fulltime-Drive und ich wusste auch, dass es 2014 klappen muss. Sonst hätte es wohl nie wieder geklappt. Die Strategie hat also gepasst."

"Bezüglich Nick: Ich denke, jeder kennt seine Qualitäten. Da muss man nicht groß drüber diskutieren. Wenn jetzt Nissan kommt... Er fährt ja auf dem Nürburgring einen Nissan. Die Connection besteht also. Es würde mich nicht überraschen, ihn dort zu sehen."

"Bezüglich unbekannter Fahrer: Solche gibt es überall. Ich denke, ein gutes Beispiel ist Marc Lieb, obwohl er eigentlich kein Unbekannter ist. Aber wir Aero- und Formelfahrer kannten ihn natürlich nicht groß. Ich glaube, er hat schon bewiesen, was möglich ist. Ich bin mir sicher, da gibt es auch noch andere. Ich kann keinen Namen nennen, denn es ist schwierig einzuschätzen. Ich bin mir aber sicher, dass Marc etwas aufgezeigt hat."

Ludwig Baumann fragt: "Audi hat eigentlich einen Rundenzeiten-Nachteil von 1,4 Sekunden und damit keine Chance. Hast du Audi für Le Mans trotzdem auf der Rechnung?"
Jani: "Ich denke, jeder, der Audi nicht auf der Rechnung hat, ist ein Fahrlässiger. Wir alle wissen, dass Audi in den vergangenen Jahren in Le Mans immer nochmal schneller wurde. Das war immer so. Das war zum Beispiel auch bei Rebellion so. Audi ist lange genug dabei. Sie sind gescheit genug, um noch nachzulegen. Und sie wissen auch, wo ihre Probleme liegen. Ich denke also schon, dass sie Chancen haben werden. Ihre größte Stärke ist ohnehin die Zuverlässigkeit. Da sind sie von uns allen Dreien sicher die Nummer eins."

ADAC GT MASTERS LIVE

ADAC GT Masters im TV

Nächstes Event

Zandvoort

7. - 9. Juni

Qualifying 1 Sa. 09:15 Uhr
Rennen 1 Sa. 15:15 Uhr
Qualifying 2 So. 09:15 Uhr
Rennen 2 So. 15:15 Uhr

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!